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VwGH vom 21.10.2010, 2008/10/0003

VwGH vom 21.10.2010, 2008/10/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der S Wasserkraft GmbH in G, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 12, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. U- 13.919/36, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.2846,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom erteilte der Landeshauptmann von Tirol der Beschwerdeführerin die wasserrechtliche Bewilligung für Errichtung und Betrieb des Kraftwerkes am Fotscherbach nach Maßgabe des näher bezeichneten Einreichprojektes unter Vorschreibung zahlreicher Nebenbestimmungen. Das Maß der Wasserbenutzung (Ausbaudurchfluss) wurde mit insgesamt höchstens 1000 l/sec festgesetzt. Das Wasserbenutzungsrecht wurde auf die Dauer von 30 Jahren ab Baufertigstellung verliehen. Unter anderem wurde eine dynamische Dotierwasserabgabe mit Sockelbeträgen von 90 l/sec von Jänner bis März, von 150 l/sec im April, November und Dezember und 400 l/sec von Mai bis Oktober sowie von zusätzlich 20 % des bei der Wasserfassung ankommenden Wassers vorgeschrieben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Landesregierung den Antrag der Beschwerdeführerin, für die Errichtung und den Betrieb der Wasserkraftanlage Fotscherbach die naturschutzrechtliche Bewilligung zu erteilen, gemäß § 7 Abs. 1 lit. a, b und c, Abs. 2 lit. a Z. 1 und 2 und § 29 Abs. 8 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 (im Folgenden: TirNatSchG 2005)"sowie unter Berücksichtigung des Art. 7 des Protokolls zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich 'Energie', BGBl. III Nr. 237/2002, zuletzt geändert durch BGBl. III Nr. 110/2005," ab.

Begründend legte die belangte Behörde nach übersichtsweiser Darstellung des Verfahrensablaufes unter dem Titel "Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens - Sachverhaltsfeststellungen" zunächst (zusammengefasst) Folgendes dar:

Die Planung für die Wasserkraftanlage Fotscherbach sehe eine Wasserfassung mit Tiroler Wehr in einer Seehöhe von ca. 1351 m vor. Die ca. 3580 m lange Druckrohrleitung solle zur Gänze unterirdisch im Bereich eines vorhandenen Forstweges verlegt werden. Das Maschinenhaus liege ca. 200 m oberhalb der Einmündung des Fotscherbaches in die Melach. Die geplante Ausbauwassermenge betrage 1000 l/sec, die Jahreserzeugung 14,64 GWh. Vorgesehen sei eine Pflichtwassermenge (Sockelbetrag) von 90 l/sec in den Monaten Jänner bis März, von 150 l/sec in den Monaten April, September bis November sowie von 400 l/sec von Mai bis August. Zusätzlich zum Sockelbetrag würden noch 20 % des zufließenden Bachwassers am Wehr vorbei in das Unterwasser abgeführt (dynamischer Anteil). Im Sommer werde im Regelfall die Pflichtwassermenge durch das vorhandene Überwasser deutlich höher sein. Der produzierte Strom werde in das Netz der TIWAG eingespeist. Mit der Wasserkraftanlage könne ein jährlicher mittlerer Erlös abzüglich der Betriebskosten von netto ca. EUR 631.700,-- erzielt werden. Die Gesamtinvestitionskosten würden rund 5,45 Millionen Euro betragen.

Aus naturkundefachlicher Sicht seien folgende Feststellungen zu treffen:

Der ca. 1360 m lange untere Abschnitt der geplanten Restwasserstrecke weise bereits einen gewissen Grad an Beeinträchtigungen auf. Der obere Abschnitt der geplanten Ausleitungsstrecke einschließlich seiner Ufernähe stelle einen vielfältigen, strukturreichen und kleinräumig vernetzten wertvollen Lebensraum mit hoher Naturnähe dar. Die projektierte Restwasserstrecke könne zu 96 % der morphologischen Strukturgüte "sehr gut" bzw. "gut" zugeordnet werden. Die mäßige Strukturgüte (4 % der Fließstrecke) finde sich im Wesentlichen im Mündungsabschnitt des Fotscherbaches und im Bereich der Luderskaserlalm. Die Wasserrückgabe erfolge ca. 200 m bachaufwärts der Mündung. Im Hinblick darauf, dass die Wasserrückgabe ca. 200 m bachaufwärts der Mündung erfolge, lägen vom stärker beeinträchtigen Abschnitt 1 nur 76 m in der geplanten Ausleitungsstrecke. Insgesamt seien daher nur ca. 150 m der 3650 m langen Restwasserstrecke morphologisch stärker beeinträchtigt. Nach dem Naturschutzplan der Fließgewässerräume Tirols aus 2006 stelle ein 1034 m langer Abschnitt des Fotscherbaches einen seltenen Gewässernaturraumtyp dar. Es handle sich dabei um die Mäanderstrecke nach der Potsdamer Hütte. Die beantragte Errichtung eines Kraftwerkes mit einer Restwasserstrecke von 3650 m hätte sehr komplexe Auswirkungen zur Folge, die vor allem "innerhalb dieses oberen 2220 m langen naturnahen Bachabschnittes" in einem maßgeblichen Umfang zum Tragen kommen würden.

Nach der Einstufung in der Studie "Naturschutzplan der Fließgewässerräume Tirols (2006)" befänden sich derzeit 83,6 % der Fließstrecke des Fotscherbaches in einem natürlichen oder naturnahen Ist-Zustand. Dementsprechend wiesen auch 83,6 % des Fotscherbaches eine hohe bis sehr hohe naturräumliche Bedeutung auf. Nach dem Bewertungsschema der angeführten Studie würden die derzeit als naturnahe eingestuften Kartierungsabschnitte 4, 5, 6, 8, 9 und 10 (ca. 2.220 m) in "stark beeinträchtigt" abgewertet. Durch die geplante Wasserentnahme käme es zu starken und nachhaltigen Beeinträchtigungen der Lebensgemeinschaften heimischer Tiere und Pflanzen sowie des Naturhaushaltes, und zwar "auf Grund der flächenmäßigen Reduktion des wertvollen, nach dem TirNatSchG 2005 geschützten Lebensraumes 'Fließgewässer', dem Verlust von gewässerspezifischen Strukturen (Vernetzungszone Wasser/Land, Spritzwasserbereiche, überrieselte Felsfluren, Bachäste), der Änderungen im Bereich der nach dem TirNatSchG 2005 bzw. (der) TirNatSchVO 2006 geschützten Uferzonen, der Änderung des lokalen Kleinklimas bzw. der geringeren Ausdehnung des Lebensraumes, der vom Kleinklima des Fließgewässers geprägt werde, sowie der Folgewirkung der Fauna, welche diese Strukturen nutzt". Der Fotscherbach sei für die Schutzgüter Landschaftsbild und Erholungswert von sehr hoher Bedeutung. Durch den Wasserentzug werde die Naturnähe und damit die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Bachstrecke in einem erheblichen Ausmaß abgemindert. Ein hochrangiges Landschaftselement werde zu einem Restwasserabfluss abgewertet. Es käme daher zu starken Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und des damit verbundenen Erholungswertes. Durch die Errichtung der Wasserfassung (Tiroler Wehr) mit den dazugehörigen Anlagenteilen (Entsander, Flügelwand, Schlitzpassanlage) käme es zu starken und nachhaltigen Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und des damit verbundenen Erholungswertes, da massive Betonbauwerke und technische Anlagen mit einer stark linearen Formgebung in eine äußerst strukturreiche und naturnahe Gewässerstrecke eingebracht würden. Der attraktive Landschaftsteil werde in ein technisch stark genutztes Gebiet umgewandelt. Von der Errichtung der Druckrohrleitung und des Krafthauses seien bei entsprechender Bauausführung nur geringe oder kurzfristige Beeinträchtigungen von Schutzgütern zu erwarten. Aus gewässerökologischer Sicht sei die Beeinträchtigung des guten ökologischen Zustandes nicht so groß, dass eine schwerwiegende Störung bzw. Verschlechterung des betroffenen Oberflächenwasserkörpers zu erwarten sei. Es sei mit der Erhaltung des guten ökologischen Zustandes zu rechnen.

Als Ziele des geplanten Kraftwerksvorhabens nenne die Antragsstellerin die Versorgung von ca. 3.900 Haushalten mit sauberer Energie, den verstärkten Ausbau der heimischen Wasserkraft und die damit verbundene Erhöhung des Anteiles an erneuerbaren Energieträgern, die Entlastung der finanziellen Situation der Gemeinde Sellrain sowie die Vermeidung des umweltschädigenden Stromimports. Die Behörde erkenne grundsätzlich das langfristige öffentliche Interesse an der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Daraus könne aber nicht der grundsätzliche Schluss gezogen werden, dass "die Errichtung jeglichen Kleinwasserkraftwerkes an sich schon auf Grund der zitierten Bestimmungen im langfristigen öffentlichen Interesse gelegen" sei. Im gegenständlichen Fall sei nicht dargetan worden, dass "genau die Errichtung des Kraftwerkes am Fotscherbach diesem Ziel dezidiert zum Durchbruch verhelfen wird". Das beantragte Laufkraftwerk nutze das vorhandene Potential am Fotscherbach nicht erschöpfend aus. Einem Speicherkraftwerk wäre wasserwirtschaftlich der Vorzug zu geben. Beim vorliegenden Vorhaben bestehe ein sehr schlechtes Verhältnis zwischen Winter- und Sommerwasserdargebot. Insgesamt sei daher ein öffentliches Interesse an der Verwirklichung der Wasserkraftanlage nicht gegeben.

Unter der Überschrift "Beweiswürdigung" legte die belangte Behörde nach wörtlicher Wiedergabe von Befund und Gutachten der Amtssachverständigen sowie deren ergänzender Stellungnahme zu den fachkundig untermauerten Äußerungen der beschwerdeführenden Partei dar, die Entgegnungen der Beschwerdeführerin seien nicht geeignet, die Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit der Ausführungen der naturkundefachlichen Amtssachverständigen in Zweifel zu ziehen. Es handle sich um ein fachlich fundiertes, in sich schlüssiges und auch für einen Laien nachvollziehbares naturkundefachliches Gutachten samt Ergänzung, dem die erkennende Behörde die zu erwartenden Beeinträchtigungen, die äußerst detailliert angeführt seien, zweifelsfrei habe entnehmen können. Es sei daher davon auszugehen, dass starke und nachhaltige bzw. mittelstarke Beeinträchtigungen durch die Verwirklichung des geplanten Vorhabens zu erwarten seien.

Unter Hinweis auf die §§ 7 Abs. 1 und 2 und 29 Abs. 1 TirNatSchG 2005 legte die Behörde sodann dar, die Verwirklichung des Kraftwerks am Fotscherbach hätte Beeinträchtigungen der Schutzgüter Lebensgemeinschaften heimischer Tiere und Pflanzen, des Naturhaushaltes sowie des Landschaftsbildes und des Erholungswertes zur Folge. Demgegenüber sei zwar ein grundsätzliches öffentliches Interesse an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen sowie an der Sicherstellung der Stromversorgung zu attestieren. Auf Grund der obigen Erwägungen sowie auf Grund des Protokolls "Energie" sei jedoch davon auszugehen, dass für das geplante Kraftwerk kein langfristiges öffentliches Interesse vorliege. Jedenfalls sei nicht von einem Überwiegen eines solchen langfristigen öffentlichen Interesses zu sprechen. Die Bewilligung sei daher gemäß § 29 Abs. 8 TirNatSchG 2005 zu versagen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des TirNatSchG 2005 in der Fassung LGBl. Nr. 57/2007 lauten (auszugsweise) wie folgt:

"1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

§ 1

Allgemeine Grundsätze

(1) Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, dass


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a)
ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,
b)
ihr Erholungswert,
c)
der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und
d)
ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet (Naturlandschaft) oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft). Der ökologisch orientierten und der die Kulturlandschaft erhaltenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Natur darf nur so weit in Anspruch genommen werden, dass ihr Wert auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.
...
2. Abschnitt
Landschaftsschutz
...
§ 7
Schutz der Gewässer

(1) Außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen im Bereich von fließenden natürlichen Gewässern und von stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m2 folgende Vorhaben einer naturschutzrechtlichen Bewilligung:


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a)
das Ausbaggern;
b)
die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen;
c)
die Ableitung oder Entnahme von Wasser zum Betrieb von Stromerzeugungsanlagen;
d)
die Änderung von Anlagen nach lit. b und c, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden.

(2) Außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen im Bereich

a) der Uferböschung von fließenden natürlichen Gewässern und eines fünf Meter breiten, von der Uferböschungskrone landeinwärts zu messenden Geländestreifens ...

...

1. die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden, und

2. Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke einer naturschutzrechtlichen Bewilligung.

...

4. Abschnitt

Schutz der Pflanzen- und Tierwelt und der unbelebten Natur

...

§ 29

Naturschutzrechtliche Bewilligungen, aufsichtsbehördliche

Genehmigungen

(1) ...

(2) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung


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a)
... für Vorhaben nach den §§ 7 Abs. 1 und 2 ...
b)
für Vorhaben, für die in Verordnungen nach den §§ 10 Abs. 1 oder 11 Abs. 1 eine Bewilligungspflicht festgesetzt ist,
...
darf nur erteilt werden,
1.
wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder
2.
wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen. ...
...

(5) Eine Bewilligung ist befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, um Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1, in den Fällen des Abs. 2 Z. 2 und Abs. 3 insbesondere unter Berücksichtigung des betreffenden Schutzzweckes, zu vermeiden oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken.

...

(8) Eine Bewilligung ist zu versagen, wenn eine Voraussetzung für ihre Erteilung nicht vorliegt.

..."

Die Beschwerde ist begründet.

Im Verfahren über eine Bewilligung gemäß § 29 Abs. 2 TirNatSchG 2005 ist in einem ersten Schritt zu prüfen, welches Gewicht der Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 TirNatSchG 2005 - Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur, Erholungswert, Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume, möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt - durch das Vorhaben zukommt. Dem sind die langfristigen öffentlichen Interessen, denen die Verwirklichung des Vorhabens dienen soll, gegenüberzustellen. Den Anforderungen an eine gesetzmäßige Begründung entspricht ein auf Grund dieser Interessenabwägung ergangener Bescheid nur dann, wenn er in qualitativer und quantitativer Hinsicht nachvollziehbare Feststellungen über jene Tatsachen enthält, von denen Art und Ausmaß der verletzten Interessen im Sinne des § 1 Abs. 1 TirNatSchG 2005 abhängt, über jene Auswirkungen des Vorhabens, in denen eine Verletzung dieser Interessen zu erblicken ist, und über jene Tatsachen, die das langfristige öffentliche Interesse ausmachen, dessen Verwirklichung die beantragte Maßnahme dienen soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0062, mwN).

Der angefochtene Bescheid beruht auf der Annahme, die Verwirklichung des Kraftwerksvorhabens hätte Beeinträchtigungen der Schutzgüter "Lebensgemeinschaften heimischer Tiere und Pflanzen", des Naturhaushaltes sowie (des) Landschaftsbildes und (des) Erholungswertes zur Folge.

Mit dem Begriff "Lebensgemeinschaften heimischer Tiere und Pflanzen" bezieht sich die belangte Behörde offenbar auf den Gesetzesbegriff "Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürlicher Lebensräume" (§ 1 Abs. 1 lit. c TirNatSchG 2005).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu entsprechenden Gesetzesbegriffen setzt die gesetzmäßige Beurteilung eines solchen Tatbestandsmerkmales nachvollziehbare, auf die Lebensbedingungen konkreter Tiere und Pflanzen bezugnehmende, naturwissenschaftliche, auf die qualitativen und quantitativen Aspekte des konkreten Falles, auf die Art der beantragten Maßnahme und die von dieser ausgehenden Auswirkungen auf die geschützten Güter Bedacht nehmende Feststellungen voraus (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 2004/10/0096 mwN, und das Erkenntnis vom , Zl. 2005/10/0023).

Entsprechende Feststellungen fehlen im angefochtenen Bescheid zur Gänze. Dieser beschränkt sich im gegebenen Zusammenhang vielmehr auf die Aussage, es käme auf Grund der flächenmäßigen Reduktion des wertvollen Lebensraumes "Fließgewässer", dem Verlust von gewässerspezifischen Strukturen, von Änderungen im Bereich der Uferzonen und des lokalen Kleinklimas bzw. der geringeren Ausdehnung der vom Kleinklima des Fließgewässers geprägten Lebensräume sowie der Folgewirkungen für die Fauna zu starken und nachhaltigen Beeinträchtigungen der Lebensgemeinschaften heimischer Tiere und Pflanzen sowie des Naturhaushaltes. Diese Darlegungen entsprechen den soeben dargelegten Anforderungen an die gesetzmäßige Begründung eines solchen Bescheides in keiner Weise. Im Übrigen könnten auch die im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenen Darlegungen der Amtssachverständigen dem Gesetz entsprechende Feststellungen nicht tragen, weil lediglich allgemein auf die Folgen einer Reduktion der Wassermenge verwiesen wird. Befundfeststellungen zu spezifischen, auf die Gegebenheiten der Lebensräume bestimmter, im Einzelnen anzuführender Tier- und Pflanzenarten und die konkreten Auswirkungen des in Rede stehenden Vorhabens auf diese Lebensräume sowie Bestand und Entwicklung der betreffenden Tier- und Pflanzenarten fehlen hingegen völlig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon mehrfach ausgesprochen, dass es sich beim Hinweis auf die allgemeinen Folgen einer Verringerung der vom Wasser eines Fließgewässers benetzten Fläche angesichts des Fehlens konkreter, auf die qualitativen und quantitativen Aspekte des Einzelfalles bezogener Darlegungen, denen sowohl Art als auch Ausmaß der angenommenen Beeinträchtigungen nachvollziehbar entnommen werden kann, nicht um eine Begründung handelt, die die Annahme einer Beeinträchtigung des Naturhaushaltes bzw. des Artenreichtums und der Lebensräume der heimischen Tier- und Pflanzenwelt tragen könnte (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0062 mwN, und das Erkenntnis vom , Zl. 2003/10/0266).

In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass die in der Bescheidbegründung mehrfach enthaltenen Hinweise auf die in einer Studie enthaltene Bezeichnung von Teilen des in Rede stehenden Gewässers als "empfindlich" bzw. "naturnah" und die Hervorhebung, dass das Gewässer einen "sehr seltenen Gewässernaturraumtyp" enthalte - abgesehen davon, dass ein maßgeblicher Teil der so bezeichneten Abschnitte des Fließgewässers oberhalb der Ausleitungsstrecke liegt - keinen Beitrag zu einer den oben dargelegten Anforderungen entsprechenden Begründung zu leisten vermag.

Entsprechendes gilt, soweit die belangte Behörde ihre Annahme, es käme zu einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und des Erholungswertes, (wiederum) mit dem "Wasserentzug" begründet, durch den die Naturnähe und damit die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Bachstrecke in einem erheblichen Ausmaß abgemindert und ein hochrangiges Landschaftselement zu einem Restwasserabfluss abgewertet werde. Um Darlegungen, denen nachvollziehbar entnommen werden könnte, inwiefern die das Bild der Landschaft prägenden Elemente die Errichtung der Wasserkraftanlage optisch verändern würden, handelt es sich dabei nicht. Dies gilt auch für den Hinweis, durch die Errichtung der Wasserfassung (Tiroler Wehr) mit den dazugehörigen Anlagenteilen (Entsander, Flügelwand, Schlitzpassanlage) käme es zu starken und nachhaltigen Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und des damit verbundenen Erholungswertes, da massive Betonbauwerke und technische Anlagen mit einer stark linearen Formgebung in eine äußerst strukturreiche und naturnahe Gewässerstrecke eingebracht würden. Der attraktive Landschaftsteil würde in ein technisch stark genutztes Gebiet umgewandelt (vgl. auch dazu das oben erwähnte Erkenntnis vom , sowie das Erkenntnis vom , Zl. 99/10/0222). Auch der Befund der Amtssachverständigen enthält im vorliegenden Zusammenhang lediglich nicht aussagekräftige Hinweise darauf, dass die infolge der Ausleitung verminderte Wasserführung zu einer "deutlichen Abwertung der Naturnähe des Gewässers" führe.

Eine auf die Annahme der Beeinträchtigung des Erholungswertes bezogene Begründung enthält der angefochtene Bescheid nicht; vielmehr spricht die Begründung - im Kontext mit den soeben erörterten, auf die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes bezogenen Elementen der Begründung - von einer "Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und des damit verbundenen Erholungswertes". Schon aus den soeben zur Frage einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes dargelegten Gründen entspricht somit der angefochtene Bescheid auch in der Annahme einer Beeinträchtigung des Erholungswertes nicht dem Gesetz. Auch die in der Bescheidbegründung wiedergegebenen Aussagen des Befundes der Amtssachverständigen könnten eine solche Annahme nicht tragen, kommen doch diese unter dem Titel "Auswirkungen auf den Erholungswert" wiederum lediglich auf die - in keiner Weise quantifizierten und zu den maßgeblichen Parametern der geschützten Güter in Beziehung gesetzten - Auswirkungen des "Wasserentzuges" zurück, die "vor allem durch die deutliche Dämpfung der akustischen (Rauschen, Getöse, Gurgeln) und optischen Eindrücke (Reduktion der Weißwasserbildung, Abnahme des Abflusses in den breiteren Bachstrecken, Trockenfallen von Bachästen) wahrgenommen würden (zu entsprechenden Darlegungen vgl. wiederum das bereits mehrfach erwähnte Erkenntnis vom und das Erkenntnis vom , Zl. 2001/10/0092).

Die Annahme der belangten Behörde, durch das Vorhaben der Beschwerdeführerin würden Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 TirNatSchG 2005 beeinträchtigt, beruht somit nicht auf einem mängelfreien Verfahren. Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind auch relevant, weil nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei deren Vermeidung zum Ergebnis gelangt wäre, eine Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes durch das Vorhaben sei - gegebenenfalls bei Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen - nicht zu erwarten.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Auf das übrige Beschwerdevorbringen, wonach das langfristige öffentliche Interesse an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes überwiege, war daher nicht mehr einzugehen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am