VwGH vom 11.11.2013, 2012/22/0126

VwGH vom 11.11.2013, 2012/22/0126

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2011/22/0332 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der Bundespolizeidirektion Innsbruck gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2011/30/2899-2, betreffend Zurückweisung einer Berufung in der Angelegenheit einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes (mitbeteiligte Partei: M), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

Mit Bescheid vom erließ die Bundespolizeidirektion Innsbruck, die nunmehrige Beschwerdeführerin, gegen den Mitbeteiligten, einen marokkanischen Staatsangehörigen, eine als Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot benannte Erledigung. Diese Erledigung ist mit dem Stempel der Bundespolizeidirektion Innsbruck, dem maschinschriftlich beigefügten Namen des "Für den Polizeidirektor" Genehmigenden und einer unleserlichen Signierung versehen. Mit Fax vom ersuchte die Beschwerdeführerin die Justizanstalt Innsbruck um "eigenhändige Ausfolgung" des beiliegenden Schriftstücks an den Mitbeteiligten. Angeschlossen war eine als Fax übermittelte Kopie der Urschrift, die dem Mitbeteiligten dann auch ausgefolgt wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol (die belangte Behörde) die Berufung des Mitbeteiligten gegen die genannte Erledigung mit der - zusammengefassten - Begründung zurück, dass kein den Vorgaben des AVG entsprechender Bescheid vorliege, weil die in Fernkopie zugestellte Ausfertigung keine (originale) Unterschrift, sondern nur die Kopie einer Unterschrift enthalte. Gemäß § 18 Abs. 4 AVG idF BGBl. I Nr. 111/2010 hätten alle schriftlichen Ausfertigungen mit Ausnahme jener, die mit einer Amtssignatur versehen sind, die Unterschrift des Genehmigenden oder den Beglaubigungsvermerk der Kanzlei zu enthalten. Folglich hätte auch die der mitbeteiligten Partei übermittelte Ausfertigung die (Original )Unterschrift des Genehmigenden enthalten müssen, die bloß kopierte Unterschrift reiche in diesem Zusammenhang nicht aus. Die Übergangsregelung des § 82a Z 1 AVG (idF BGBl. I Nr. 5/2008), welche vorgesehen habe, dass Ausfertigungen von Erledigungen, die wie im Beschwerdefall unter Verwendung eines Textverarbeitungsprogramms erstellt worden seien, weder einer Unterschrift, Beglaubigung oder Amtssignatur bedurften, und damit Faxzustellungen in der von der Erstinstanz gewählten Form zulässig gemacht hätte, sei mit Ablauf des außer Kraft getreten.

Der genannten Erledigung komme keine Bescheidqualität zu, weshalb die dagegen erhobene Berufung als unzulässig zurückzuweisen sei.

II.

Gegen diese Zurückweisung der Berufung des Mitbeteiligten richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

II.1. Die hier maßgebliche Bestimmung des § 18 Abs. 4 AVG idF BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:

"Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt."

Im Unterschied dazu lautete § 18 Abs. 4 AVG in der bis zum geltenden Fassung BGBl. I Nr. 137/2001:

"Jede schriftliche Erledigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, haben schriftliche Erledigungen auch die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten. An die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Erledigung mit dem Erledigungstext des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die Genehmigung im Sinne des Abs. 2 aufweist; das Nähere wird durch Verordnung geregelt. Werden schriftliche Erledigungen vervielfältigt, so bedarf nur das Original der Unterschrift oder der Beglaubigung. Schriftliche Erledigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt worden sind oder die telegraphisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise übermittelt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung."

Nach der zuletzt angeführten Fassung des § 18 Abs. 4 AVG war somit die von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommene Ausfertigung im Wege einer Faxkopie jedenfalls zulässig. Die vereinfachten Anforderungen an eine im Faxwege übermittelte Ausfertigung wurden aber mit der im Zuge der Einführung des E-Government-Gesetzes, BGBl. I Nr. 10/2004, erfolgten Änderung des § 18 AVG abgeschafft:

§ 18 Abs. 4 AVG idF BGBl. I Nr. 10/2004 lautete:

"Externe Erledigungen haben schriftlich zu ergehen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist oder von einer Partei verlangt wird oder wenn ihre Zustellung erforderlich ist. Die Ausfertigung der Erledigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Sie kann ferner entweder vom Genehmigenden eigenhändig unterzeichnet oder als von der Kanzlei beglaubigte Ausfertigung ergehen. Die Verwendung einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) entfaltet jedenfalls die Wirkung einer Beglaubigung durch die Kanzlei."

Diese Änderung trat zwar mit in Kraft, allerdings wurde mit § 82 Abs. 14 AVG idF dieser Novelle auch eine Übergangszeit festgelegt, bis zu deren Ende () die "privilegierte" (dh. ohne Unterschrift oder Beglaubigungsvermerk versehene) Ausfertigung bei Faxzustellung weiterhin zulässig war:

§ 82 Abs. 14 AVG idF BGBl. I Nr. 10/2004 lautete:

"Die elektronische Beurkundung interner Erledigungen darf bis zum auch durch andere geeignete Verfahren als die elektronische Signatur geschehen, wenn diese durch technische und organisatorische Maßnahmen mit hinlänglicher Sicherheit gewährleisten, dass die Nachweisbarkeit der eindeutigen Identität des Genehmigenden und der Authentizität des Genehmigungsvorgangs sowie die Unverfälschbarkeit des genehmigten Inhalts gegeben sind. Bis zum bedürfen Ausfertigungen schriftlicher Erledigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt, aber nicht elektronisch signiert worden sind, und Ausfertigungen, die telegraphisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise übermittelt werden, weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung; bei vervielfältigten schriftlichen Erledigungen bedarf nur das Original der Unterschrift oder der Beglaubigung."

Die Erläuterungen zur AVG-Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 (RV 252 BlgNR 22. GP 13) führen dazu aus:

"Zu Art. 2 Z 11 (§ 18 AVG):

(…) Im Hinblick auf die fortschreitende Einführung elektronischer Aktenbearbeitungs- und -verwaltungssysteme wird das Ziel, nämlich der Einsatz der elektronischen Signatur zur Genehmigung, festgeschrieben. Die für eine Übergangszeit von 4 Jahren noch zulässigen anderen technischen Verfahren der Fertigung sind in der Übergangsbestimmung des § 82 Abs. 14 beschrieben (…).

Zu Art. 2 Z 14 (§ 82 Abs. 14):

Die breitflächige Anwendung der elektronischen Signatur zur elektronischen Fertigung von Erledigungen wird naturgemäß nicht sofort umsetzbar sein. Es bedarf daher eines Übergangszeitraums, innerhalb dessen auch andere hinreichend sichere Verfahren zugelassen sind. Auch die weitere Anwendbarkeit des bisher geltenden § 18 Abs. 4 letzter Satz soll für diesen Übergangszeitraum gesichert sein."

Mit der nächstfolgenden Novelle des AVG, BGBl. I Nr. 5/2008, wurde diese Übergangsfrist durch die Übergangsbestimmung des § 82a bis zum verlängert:

Diese Bestimmung lautete:

"Bis zum Ablauf des bedürfen keiner

Unterschrift, Beglaubigung oder Amtssignatur:

1. schriftliche Ausfertigungen von elektronisch erstellten Erledigungen;

2. schriftliche Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten."

Die Erläuterungen (RV 294 BlgNR 23. GP 14) führen dazu aus, dass die mit der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 geschaffene Rechtslage einen umfassenden Einsatz der Amtssignatur vorsehe, weil aber die dafür nötigen Umstellungsmaßnahmen noch nicht abgeschlossen seien, solle die in § 82 Abs. 14 zweiter Satz AVG vorgesehene Übergangsfrist um drei weitere Jahre verlängert werden.

II.2. Die der Bundespolizeidirektion Innsbruck zuzurechnende Erledigung ist nicht mit einer Amtssignatur, sondern mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen. Es wurde keine Ausfertigung im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG mittels Beglaubigung durch die Kanzlei hergestellt. Die Erledigung wurde an die Justizanstalt Innsbruck gefaxt.

Auch wenn diese Faxkopie den Namen des Genehmigenden sowie dessen Unterschrift (in Fotokopie) aufweist, erfüllt diese Ausfertigung nicht die Voraussetzung des § 18 Abs. 4 AVG, dass sonstige Ausfertigungen "die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten" haben. Darunter kann nämlich aus nachstehenden Überlegungen nur eine originale und nicht eine bloß im Faxwege kopierte Unterschrift verstanden werden.

Es bedarf mit Blick auf die genannte Novelle aus 2004 keiner weiteren Erörterungen, dass die Intention des Gesetzgebers auf eine umfassende Einführung der elektronischen Signatur gerichtet war und diese Fertigungsart mit einer "Nachweisbarkeit der eindeutigen Identität des Genehmigenden und der Authentizität des Genehmigungsvorgangs sowie der Unverfälschbarkeit des genehmigten Inhalts" (siehe diesbezüglich die oben wiedergegebene Bestimmung des § 82 Abs. 14 AVG idF dieser Novelle) verbunden ist. Demnach war die dem Adressaten übermittelte nicht mit einer Amtssignatur versehene schriftliche Ausfertigung der Erledigung in Papierform entweder vom Genehmigenden eigenhändig zu unterzeichnen oder von der Kanzlei zu beglaubigen (vgl. dazu auch Hengstschläger/Leeb , AVG § 18 Rz 26).

Es ist kein Grund für eine Annahme ersichtlich, dass der Novelle aus 2008 diese aufgezeigte Intention nicht (mehr) zugrunde gelegen wäre. Es war damals erforderlich, wegen der noch offenen Umstellungsmaßnahmen für die umfassende Einführung der Amtssignatur die Übergangsregelung des damals geltenden § 82 Abs. 14 AVG in Form der neuen Bestimmung des § 82a AVG zu verlängern. Dem Gesetzgeber kann aber mangels diesbezüglicher Erläuterungen nicht unterstellt werden, dass er mit der Änderung der Formulierung anlässlich der Neufassung des § 18 Abs. 4 AVG (statt: "... vom Genehmigenden eigenhändig unterzeichnet ..." auf "... die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten ...") das Ziel (auch) der Fälschungssicherheit der Ausfertigung verlassen und in Bezug auf die Anforderungen an eine Bescheidausfertigung zur Rechtslage vor 2004 zurückkehren wollte.

Vollends klar wird dies durch einen Blick auf die Erläuterungen zur AVG-Novelle 2008 (RV 294 BlgNR 23. GP 14), wenn dort davon die Rede ist (Hervorhebung nicht im Original) :

"Der vorgeschlagene Abs. 4 unterscheidet grundsätzlich zwischen Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten und Ausfertigungen, die in Papierform ergehen. Während erstere immer mit einer Amtssignatur zu versehen sind, stehen bei einer Papierausfertigung zwei Wege offen: Die Ausfertigung kann jedenfalls vom Genehmigenden unterschrieben bzw. von der Kanzlei beglaubigt werden. Ausdrucke von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten (oder Kopien solcher Ausdrucke) werden hingegen privilegiert behandelt: sie bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung."

Letztlich verlangt auch eine Ausfertigung durch Beglaubigung (u.a.) die eigenhändige Unterschrift des beglaubigenden Kanzleiorgans auf einer (nicht mit einer Amtssignatur versehenen) Ausfertigung (vgl. § 4 Beglaubigungsverordnung idF BGBl. II Nr. 151/2008). Es sind keine sachgerechten Gründe für die Annahme ersichtlich, dass zwar ausdrücklich der Beglaubigende eigenhändig unterschreiben müsse, hingegen die Unterschrift des Genehmigenden in Kopie gesetzt werden dürfte.

II.3. Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass die aus der Amtsbeschwerde ersichtliche Meinung - die "Ausfertigungsunterschrift" könne entweder eine Originalunterschrift oder aber auch eine "Kopienunterschrift" sein -, gesetzlich nicht gedeckt ist. Die angesprochenen "Komplikationen in der Arbeitserledigung" sind für die Beurteilung der Rechtslage nicht relevant.

Die mit BGBl. I Nr. 5/2008 eingefügte Bestimmung des § 82a AVG, wonach bis zum Ablauf des unter bestimmten Voraussetzungen schriftliche Ausfertigungen keiner Unterschrift, Beglaubigung oder Amtssignatur bedurften, war im vorliegenden Fall nicht (mehr) anzuwenden.

II.4. Da einem behördlichen Schriftstück, das keine ordnungsgemäße Fertigung im Sinn des § 18 Abs. 4 AVG enthält, keine Bescheidqualität zukommt, hat die belangte Behörde zu Recht die Berufung zurückgewiesen.

Zum diesbezüglichen Einwand der beschwerdeführenden

Bundespolizeidirektion Innsbruck, wonach "möglicherweise ... ein

Nichtbescheid" der belangten Behörde vorliege, ist auszuführen, dass der angefochtene Zurückweisungsbescheid die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und in Maschinschrift den Namen des Genehmigenden enthält; die Ausfertigung dieses Bescheides wurde von der Kanzlei mit einer unleserlichen Unterschrift beglaubigt. Die Leserlichkeit der Unterschrift, mit der die Richtigkeit der Ausfertigung bestätigt wird, ist für die Bescheidqualität einer Erledigung einer Verwaltungsbehörde nicht von Bedeutung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/11/0277). Diese Ausfertigung wurde in der Folge dem Mitbeteiligten im Postwege zugestellt und erfüllte somit die gesetzlichen Vorgaben.

Nach dem oben Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am