VwGH vom 30.01.2018, Ra 2018/08/0009

VwGH vom 30.01.2018, Ra 2018/08/0009

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des O H in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W162 2164815-1/4E, betreffend Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Schloßhofer Straße), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht dem am geborenen Revisionswerber ab Notstandshilfe in der Höhe von EUR 36,60 täglich zu. Dabei kam die Deckelungsregelung des § 36 Abs. 6 AlVG zur Anwendung, weil die Notstandshilfe an einen Arbeitslosengeldbezug in der Dauer von 30 Wochen anschloss und dem Revisionswerber auch davor nie eine längere Bezugsdauer zuerkannt worden war.

2 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

3 Der Revisionswerber macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG geltend, dass die Deckelungsregelung des § 36 Abs. 6 AlVG im Fall des Revisionswerbers nach dem letzten Satz dieser Bestimmung keine Anwendung finde, weil er bereits das 45. Lebensjahr vollendet habe. Zu dieser Frage liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

4 Die Revision ist wegen des Fehlens von Rechtsprechung

zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

5 § 36 Abs. 6 AlVG lautet:

"(6) Abweichend von Abs. 1 ist bei der Festsetzung des Betrages der Notstandshilfe für Zuerkennungen auf Notstandshilfe bzw. Verlängerungen der Notstandshilfe ab wie folgt vorzugehen:

Wenn die Notstandshilfe an einen Bezug des Arbeitslosengeldes in der Dauer von 20 Wochen (§ 18 Abs. 1 erster Satz) anschließt, darf der Grundbetrag der Notstandshilfe nach Einkommensanrechnung mit keinem höheren Betrag als dem Ausgleichszulagenrichtsatz (§ 293 Abs. 1 lit. a lit. bb ASVG) festgelegt werden; wenn die Notstandshilfe an einen Bezug des Arbeitslosengeldes in der Dauer von 30 Wochen (§ 18 Abs. 1 zweiter Satz) anschließt, darf der Grundbetrag der Notstandshilfe nach Einkommensanrechnung mit keinem höheren Betrag als dem Existenzminimum gemäß § 291a Abs. 2 Z 1 der Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896, festgelegt werden. Bei Anschluss von Notstandshilfe an Karenzgeld oder Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 8 ist jenes Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgeblich, das gebührt hätte, wenn anstelle des Karenzgeldes Arbeitslosengeld oder anstelle des Arbeitslosengeldes gemäß § 18 Abs. 8 Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 1 beantragt worden wäre. Bei erstmaligen Anträgen auf Notstandshilfe im Anschluß an den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Karenzgeld ist diese Bestimmung erst ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Zeitraum von sechs Monaten nach dem Anfallstag folgt, anzuwenden. Der Beurteilung der Bezugsdauer des zugrundeliegenden Arbeitslosengeldes ist § 18 Abs. 1 bis 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 364/1989 zugrunde zu legen. Hat der Arbeitslose das 45. Lebensjahr vollendet, so ist der Bemessung der Notstandshilfe die längste zuerkannte Bezugsdauer von Arbeitslosengeld zu Grunde zu legen."

6 Dem Revisionswerber wurde unstrittig nie eine längere als dreißigwöchige Bezugsdauer von Arbeitslosengeld zuerkannt. Er vertritt aber den Standpunkt, dass § 36 Abs. 6 letzter Satz AlVG nicht auf die längste konkret zuerkannte, sondern auf die längste abstrakt mögliche Bezugsdauer abstelle. Diese betrage im Fall des Revisionswerbers gemäß § 18 Abs. 2 lit. a AlVG 39 Wochen, sodass eine Deckelung - die nur bei einer Anspruchsdauer von 20 oder 30 Wochen vorgesehen sei - nicht vorzunehmen sei.

7 Gegen diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut des § 36 Abs. 6 letzter Satz AlVG, der an die "längste zuerkannte Bezugsdauer von Arbeitslosengeld" anknüpft. Es wird damit ausdrücklich auf eine "zuerkannte" - und eben nicht auf eine abstrakt mögliche - Bezugsdauer abgestellt.

8 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers spricht auch eine teleologische Interpretation nicht für, sondern gegen das von ihm gewünschte Ergebnis. Im Ausschussbericht 254 BlgNR 21. GP 11 wird zum durch das SRÄG 2000 eingefügten § 36 Abs. 6 letzter Satz AlVG Folgendes ausgeführt:

"Durch die vorgeschlagene Bestimmung soll als Ergänzung zum bereits bestehenden Lohnklassenschutz für den Fall, dass ältere Arbeitslose nach dem Erwerb einer neuen Anwartschaft auf eine kürzere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld neuerlich arbeitslos werden, ein Absinken der Notstandshilfe durch die nach sechs Monaten wirksam werdende Deckelung in Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes (nach einer Bezugsdauer von Arbeitslosengeld von 20 Wochen) oder des Existenzminimums (nach einer Bezugsdauer von Arbeitslosengeld von 30 Wochen) verhindert werden. Dadurch soll die Motivation zur Arbeitsaufnahme und die Schulungsbereitschaft erhöht und eine - als ungerechtfertigte soziale Härte empfundene - Benachteiligung gegenüber jenen Arbeitslosen, die im Leistungsbezug verbleiben, vermieden werden."

9 Es geht also darum, bei älteren Arbeitslosen einen Nachteil zu vermeiden, der daraus entstünde, dass ein Arbeitsloser, der auf Grund einer mehr als dreißigwöchigen Bezugsdauer von Arbeitslosengeld Anspruch auf eine nicht gedeckelte (oder auf Grund einer mehr als zwanzigwöchigen Bezugsdauer eine mit dem Existenzminimum anstelle des Ausgleichszulagenrichtsatzes gedeckelte) Notstandshilfe hat, auf Grund einer neu aufgenommenen Beschäftigung die Anwartschaft für eine kürzere Bezugsdauer erwerben könnte, die dann zu einem gemäß § 36 Abs. 6 AlVG (unter Umständen: mit dem Ausgleichszulagenrichtsatz) gedeckelten und somit geminderten Notstandshilfeanspruch führen würde (vgl. dazu auch schon ) . Dieser im Verhältnis zu einem früheren Anspruch zu beurteilende Nachteil kann für eine Person, der noch nie eine günstigere (hier: mehr als dreißigwöchige) Bezugsdauer zuerkannt wurde und die daher - unabhängig vom Erwerb einer neuen Anwartschaft - stets der jeweiligen Deckelungsregelung unterfiel, von vornherein nicht entstehen.

10 Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Revisionswerber daher frei von Rechtsirrtum Notstandshilfe nur in der Höhe des Existenzminimums zuerkannt.

11 Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018080009.L00

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.