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VwGH vom 30.03.2011, 2010/12/0048

VwGH vom 30.03.2011, 2010/12/0048

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des WB in G, vertreten durch Dr. Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Brockmanngasse 91/I, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. Präs.28887/2009-2, betreffend amtswegige Versetzung in den Ruhestand nach § 47 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956 (DO Graz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1957 geborene Beschwerdeführer steht seit seiner durch den angefochtenen Bescheid mit Ablauf des bewirkten Ruhestandsversetzung in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zur Landeshauptstadt Graz.

Am ersuchte die erstinstanzliche Dienstbehörde den Sachverständigen für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. H, ein Gutachten zur Frage des Ausmaßes der Beeinträchtigung des körperlichen Leistungsvermögens des Beschwerdeführers zu erstellen.

Dieses Gutachten wurde am erstellt und gelangte zu folgender Diagnose:

"1. Unteres Cervikalsyndrom bei mittelgradigen

degenerativen Veränderungen der unteren HWS-Segmente C5 - C7 -

ohne manifeste Neurologie

2. Schultersteife bds. mäßigen Grades rechts betont,

bei gelenksnaher Kalkanlagerung der Supraspinatussehne bds. - belastungsabhängige Beschwerden"

Auf Grund dieser Diagnose gelangte der Sachverständige zur Beurteilung, der Beschwerdeführer sei (lediglich) in der Lage, Arbeiten leichten und mittelschweren Charakters, nicht aber Arbeiten schweren Charakters mit Heben und Tragen schwerer Lasten sowie Überkopfarbeiten zu verrichten. Insbesondere könne auch das ruckartige Anziehen mit den Armen von Lasten zu einer Zunahme der Beschwerdesymptomatik führen.

Die belangte Behörde gewährte dem Beschwerdeführer daraufhin rechtliches Gehör zu ihrer Absicht, ihn gemäß § 47 Abs. 1 und 2 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957 (im Folgenden: DO Graz), in den Ruhestand zu versetzen.

In einer Stellungnahme vom sprach sich der Beschwerdeführer gegen die beabsichtigte Ruhestandsversetzung aus. Er behauptete, er sei - auch ausgehend vom Leistungskalkül Dris. H - in der Lage, die ihm übertragenen Aufgaben als Bediensteter der Müllabfuhr zu verrichten und berief sich zum Beweis dieses Vorbringens auf die Einvernahme dreier näher genannter Zeugen. Darüber hinaus vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, dass - davon unabhängig - taugliche Verweisungsarbeitsplätze zur Verfügung stünden.

Die erstinstanzliche Behörde holte daraufhin eine Stellungnahme des Personalamtes betreffend freie Dienstposten der Verwendungsgruppe I 3/3a vom (Stand: ) ein und hielt diese dem Beschwerdeführer vor.

In der dazu erstatteten Stellungnahme vom rügte der Beschwerdeführer u.a., dass nachvollziehbare Sachverhaltsfeststellungen, die das medizinische Leistungskalkül zu den Anforderungen eines Verweisungsarbeitsplatzes, für den er vom Personalamt in seiner Stellungnahme als gesundheitlich ungeeignet eingestuft wurde, in Relation setzten, fehlten. Hiezu wäre ein berufskundlicher Sachverständiger zu hören.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom wurde der Beschwerdeführer sodann wegen Dienstunfähigkeit von Amts wegen mit Ablauf des in den Ruhestand versetzt. Weiters wurde ausgesprochen, dass eine Zurechnung von Jahren für die Ruhegenussbemessung nicht erfolge und der Ruhegenuss mit Wirksamkeit vom mit EUR 1.049,66 (brutto) monatlich festgesetzt werde.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, dem Beschwerdeführer seien nach den Ergebnissen des Gutachtens Dris. H Arbeiten schweren Charakters mit Heben und Tragen schwerer Lasten sowie Überkopfarbeiten nicht mehr zumutbar. Nach den Begriffsbestimmungen der Berufskunde sei die Tätigkeit eines Müllarbeiters als schwere Tätigkeit einzustufen, welche im Akkordsystem durchgeführt werde.

Auch ein zumindest gleichwertiger Arbeitsplatz, dessen Aufgaben der Beschwerdeführer nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande sei und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden könne, sei nicht zuweisbar. Es liege daher dauernde Dienstunfähigkeit vor.

Weiters enthält der erstinstanzliche Bescheid Ausführungen zur Frage der Ruhegenussbemessung und der Zurechnung.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, wobei er insbesondere rügte, dass die Annahme, die von ihm zu verrichtenden Arbeiten seien "schwer" im Verständnis der Berufskunde und des medizinischen Sachverständigengutachtens Dris. H nicht auf einem auf den konkreten Fall zugeschnittenen Gutachten beruhe.

Ähnliches gelte für die angenommene medizinische Untauglichkeit des Beschwerdeführers zur Verrichtung von Arbeiten auf einem bestimmten in der Stellungnahme des Personalamtes vom genannten Verweisungsarbeitsplatz. Schließlich sei diese Stellungnahme auch unvollständig; eben sei im Bereich der Wirtschaftsbetriebe die Stelle eines Portiers ausgeschrieben worden, um die sich der Beschwerdeführer beworben habe.

Im Berufungsverfahren holte die belangte Behörde sodann das Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen X vom ein, welches sich ausschließlich mit der Frage auseinander setzte, ob auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Verweisungsarbeitsplätze für den Beschwerdeführer bestehen. Diese Frage wurde vom Sachverständigen in Ansehung von Tätigkeiten als Wächter, Bürohilfskraft, Eintritts-, Fahrkarten- oder Parkgaragenkassier, Botengänger im innerbetrieblichen Bereich "u.ä.m." bejaht.

Mit Eingabe vom legte der Beschwerdeführer schließlich das Gutachten eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B vor, welcher ausgehend von Angaben des Beschwerdeführers in der Anamnese über die ihm an seinem Arbeitsplatz abverlangte Tätigkeit zum Ergebnis gelangte, der Beschwerdeführer sei gesundheitlich in der Lage, diese Tätigkeiten (als Müllarbeiter) auszuüben.

Zu diesem Gutachten holte die belangte Behörde schließlich eine neuerliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr. H vom ein, in welcher dieser die Auffassung vertrat, der Beschwerdeführer sei - ausgehend von seinen Angaben in der von Dr. B erhobenen Anamnese - gesundheitlich nicht in der Lage, seine Aufgaben als Beamter der Müllabfuhr auszuüben.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde in teilweiser Stattgebung der Berufung des Beschwerdeführers der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer gemäß § 47 Abs. 1 und 2 DO Graz nunmehr mit Ablauf des in den Ruhestand versetzt werde. Weiters wurde ausgesprochen, der Stadtsenat habe entsprechend dem Termin der Zustellung dieses Bescheides die Höhe des Ruhegenusses neu festzusetzen.

In der Begründung des Bescheides wird der bisherige Verfahrensstand geschildert sowie ausgeführt, der Beschwerdeführer sei auf einem "Dienstposten I/3/3a eingesetzt", insbesondere ging die belangte Behörde davon aus, dass die Auskunft des Personalamtes vom folgendes Ergebnis erbracht habe:

"Das Personalamt hat bei allen Ämtern, in denen Bedienstete der Verwendungsgruppe I 3/3a (entsprechend der Verwendung des Berufungswerbers) verwendet werden, Erhebungen durchgeführt.

Dies ergab folgendes:

Zentralküche: Soll-Stand 7, Ist-Stand 12, kein Dienstposten frei.

Geriatrische Gesundheitszentren: Soll-Stand 9, Ist-Stand 12, kein Dienstposten frei.

Geriatrische Gesundheitszentren/Wirtschaft: Soll-Stand 2, Ist-Stand 2. Kein Dienstposten frei.

Liegenschaftsverwaltung: Soll-Stand 13, Ist-Stand 11.5, der freie Dienstposten ist für eine weibliche Mitarbeiterin aus dem Reinigungsbereich vorgesehen .

Liegenschaftsverwaltung/Werkstätten: Soll-Stand 2, Ist-Stand 2: Kein Dienstposten frei.

Kanalbauamt: Soll-Stand 10, Ist-Stand 10, kein Dienstposten frei.

Stadtschulamt: Soll-Stand 12, Ist-Stand 9, für einen Dienstposten im Stadtschulamt ist die volle gesundheitliche Eignung erforderlich, daher kein Dienstposten frei."

Sodann begründete die belangte Behörde, weshalb sie dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. H erhöhte Glaubwürdigkeit gegenüber jenem des Sachverständigen Dr. B zubillige und gelangte - ausgehend von den gutachtlichen Äußerungen des erstgenannten Sachverständigen vom und vom - zum Ergebnis, der Beschwerdeführer sei auf dem ihm aktuell zugewiesenen Arbeitsplatz dauernd dienstunfähig.

Zur Frage tauglicher Verweisungsarbeitsplätze führte die belangte Behörde ausgehend von der oben wiedergegebenen Auskunft des Personalamtes vom in rechtlicher Hinsicht Folgendes aus (Hervorhebungen im Original):

"Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des VwGH (zb , GZ 2001/12/0026) ist nach §§ 37 und 39 Abs 2 AVG iVm mit § 8 DVG von Amtswegen zu klären, ob unter Zugrundelegung der Restarbeitsfähigkeit des Berufungswerbers überhaupt Arbeitsplätze der gleichwertigen Verwendungsgruppe im Bereich der Dienstbehörde vorhanden sind, die nach ihrem Anforderungsprofil noch wahrgenommen werden könnten (Prüfung der Verweisungstauglichkeit).

Aus dieser Rechtssprechung ergibt sich aber auch, dass kein Recht eines Bediensteten darauf besteht, eventuell vorhandene Arbeitsplätze freizuhalten oder freizumachen. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die in Frage kommenden Arbeitsplätze bereits besetzt sind oder wie im Fall des Dienstpostens in der Liegenschaftsverwaltung, dafür bereits eine weibliche Mitarbeiterin aus dem Reinigungsbereich entsprechend des Anforderungsprofils (inklusive Bewerbung und Eignung der Mitarbeiterin) vorgesehen ist. Es besteht daher im Rahmen des medizinischen Restleistungskalküls keine Verweisungsmöglichkeit im Magistrat Graz.

Zu den Angaben in der Berufung, der Berufungsweber wäre jederzeit zB als Bürobote, Portier, Parkraumüberwacher geeignet und bereit, diese Tätigkeiten sofort auszuüben, wird ausgeführt, dass § 20 Abs. 2 DO Versetzungen aus Dienstesrücksichten zulässig sind. Ein subjektives Recht auf eine Versetzung besteht jedoch nicht, eine eventuelle Versetzung wurde im gegenständlichen Zusammenhang umfassend im Rahmen der Suche nach einem möglichen Verweisungsarbeitsplatz geprüft."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zur maßgeblichen Rechtslage wird auf deren Wiedergabe im hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2010/12/0049-5, verwiesen. Aus den in diesem Erkenntnis dargelegten Entscheidungsgründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, erweist sich auch der hier angefochtene Bescheid als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, zumal auf Basis der von der belangten Behörde getroffenen Bescheidfeststellungen im Zeitpunkt der Versetzung des Beschwerdeführers in den Ruhestand (auch unter Berücksichtigung des § 48 Abs. 1 DO Graz) nicht alle in Frage kommenden Verweisungsarbeitsplätze besetzt waren, weil allein der Umstand, dass für einen freien Dienstposten eine andere Mitarbeiterin "vorgesehen" sei, der Dienstbehörde noch nicht die Verfügbarkeit über diesen Dienstposten nahm. Eine solche Verfügbarkeit wäre grundsätzlich erst dann genommen, wenn der Dienstposten durch einen konstitutiven Rechtsakt auch besetzt wäre.

Da die belangte Behörde die Frage des Verweisungsaspektes unrichtig beurteilte, belastete sie den angefochtenen Bescheid insoweit mit - prävalierender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Bei diesem Ergebnis musste auf das weitere Beschwerdevorbringen im Einzelnen nicht eingegangen werden. Für das folgende Verfahren ist aber festzuhalten, dass der Beschwerdeführer jedenfalls folgende Umstände zu Recht als relevante Verfahrensmängel geltend gemacht hat:

1. Die Ausführungen, dass der freie Dienstposten im Stadtschulamt die volle gesundheitliche Eignung erfordere, der Beschwerdeführer daher auf Grund seines eingeschränkten Leistungskalküls nicht in der Lage sei, die Aufgaben dieses Arbeitsplatzes zu verrichten, entbehren jeder Begründung.

2. Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, dass die von der belangten Behörde zur Prüfung freier Verweisungsarbeitsplätze erteilte Auskunft des Personalamtes vom im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (zugestellt am ) nicht mehr rezent war.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen, weil dem Standpunkt des Beschwerdeführers ohnedies Rechnung getragen wurde und der belangten Behörde auch keine für den Beschwerdeführer nachteiligen Aussagen überbunden wurden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
SAAAE-77209