VwGH 25.04.2019, Ra 2018/07/0464
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Die Vorschreibung einer Baubeginns- oder Bauvollendungsfrist ist nicht etwa als Auflage zur erteilten Baubewilligung und damit auch nicht als eine Vorschreibung zu werten, an deren Zustandekommen oder an deren Abänderung anderen Parteien des wasserrechtlichen Verfahrens als dem Bewilligungswerber ein rechtliches Interesse zukommen könnte. Die Auferlegung oder auch Verlängerung dieser Fristen ist vielmehr nach § 112 Abs. 1 WRG 1959 zugleich mit der Bewilligung, dh als ein dem eigentlichen Bewilligungsverfahren nicht zuzurechnender Rechtsakt zu setzen, auf dessen Gestaltung mit Ausnahme des Bewilligungswerbers mangels einer dahin weisenden positiven Bestimmung des WRG 1959 niemandem ein rechtliches Interesse zusteht (vgl. E , 92/07/0128). Darauf, ob den Bf im Verfahren betreffend Duldungsverpflichtung nach § 72 WRG 1959 im eigentlichen Bewilligungsverfahren Parteistellung zukam oder nicht, kommt es daher nicht an. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2013/07/0243 E RS 2
(ohne den letzten Satz) |
Norm | WRG 1959 §112 Abs1 |
RS 2 | § 112 Abs 1 WRG 1959 verpflichtet die Wasserrechtsbehörde, für die Bauvollendung eine angemessene Frist zu bestimmen. Erfüllt die von der Wasserrechtsbehörde bestimmte Frist das Kriterium der Angemessenheit nicht, hat der Bewilligungswerber die Möglichkeit, sich dagegen mit Rechtsmitteln zur Wehr zu setzen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2005/07/0165 E VwSlg 16909 A/2006 RS 2 |
Normen | AVG §58 Abs2 AVG §60 VwGG §42 Abs2 Z3 litb VwGG §42 Abs2 Z3 litc VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §29 Abs1 VwRallg WRG 1959 §112 |
RS 3 | Die Behörde bzw. das VwG ist verpflichtet, die Festlegung von Bauvollendungsfristen nach § 112 WRG 1959 im Bescheid bzw. im Erkenntnis entsprechend zu begründen und die Angemessenheit der vorgeschriebenen Frist darzulegen. |
Normen | AVG §59 Abs1 VwGG §42 Abs2 Z3 litb VwGG §42 Abs2 Z3 litc VwGVG 2014 §17 VwRallg WRG 1959 §112 Abs1 WRG 1959 §112 Abs5 |
RS 4 | Mit der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung (als Hauptinhalt des Bescheides) ist die Vorschreibung einer Bauvollendungsfrist untrennbar verbunden; die wasserrechtliche Bewilligung hätte daher ohne die Vorschreibung einer Bauvollendungsfrist iSd § 112 Abs. 1 WRG 1959 nicht erteilt werden dürfen (vgl. § 112 Abs. 5 WRG 1959). Der Spruch des Bewilligungsbescheides wäre nach Aufhebung der gesetzwidrigen Festlegung der Bauvollendungsfrist in nicht rechtmäßiger Weise unvollständig. Der Ausspruch über die Bauvollendungsfrist stellt wegen des engen sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges mit dem Hauptinhalt des Spruches eine notwendige, nicht trennbare Einheit mit diesem dar. Seine Rechtswidrigkeit zieht daher die Rechtswidrigkeit des gesamten Erkenntnisses nach sich, sodass lediglich die Aufhebung des gesamten Erkenntnisses in Betracht kommt (vgl. ; , 2005/10/0047). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. N. Bachler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der T GmbH in A, vertreten durch MMag. Dr. Verena Rastner, Rechtsanwältin in 9900 Lienz, Johannesplatz 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , Zl. KLVwG- 1377/39/2016, betreffend eine wasserrechtliche Bewilligung (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau (BH) vom wurde der revisionswerbenden Partei nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Einholung von Gutachten die beantragte wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Bootshütte im öffentlichen Wassergut, Grundstück Nr. 2062/2 KG T., (Wsee), versagt.
2 Die revisionswerbende Partei erhob Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Kärnten (LVwG).
3 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis vom gab das LVwG der Beschwerde Folge, änderte den Bescheid der BH vom ab und erteilte der revisionswerbenden Partei die begehrte wasserrechtliche Bewilligung unter Auflagen. Nach Auflage 12) ist das Vorhaben bis zum fertigzustellen und abzuschließen. 4 Die ordentliche Revision wurde mit Formelbegründung nicht zugelassen.
5 Die revisionswerbende Partei macht in ihrer allein gegen die Auflage 12) gerichteten außerordentlichen Revision Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
6 Die BH erstattete eine Revisionsbeantwortung vom .
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
10 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 2. Die revisionswerbende Partei macht geltend, die Auflage 12) weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil die notwendige und gebotene Begründung für die Bemessung der damit vorgeschriebenen Bauvollendungsfrist nach § 112 WRG 1959 fehle (VwGH 95/07/0129; 89/07/0105). Dem Erkenntnis sei an keiner Stelle zu entnehmen, aus welchen Gründen das LVwG die Frist kalendermäßig mit einem bestimmten Datum festgesetzt habe und wieso diese Frist angemessen sein solle. Auch die Vorschreibung als Auflage entspreche nicht dem Gesetz (). Schließlich sei in diesem Zusammenhang auch das Parteiengehör verletzt worden, weil das LVwG - im Unterschied zur Vorschreibung der Auflagen 1) bis 11) - diese Frist ohne Befassung von Verfahrensparteien oder Sachverständigen völlig eigenständig kalendermäßig festgesetzt habe.
12 Die Revision ist zulässig und begründet.
13 3. Nach § 112 Abs. 1 WRG 1959 sind zugleich mit der Bewilligung angemessene Fristen für die Bauvollendung der bewilligten Anlage kalendermäßig zu bestimmen; erforderlichenfalls können auch Teilfristen für wesentliche Anlagenteile festgesetzt und Fristen für den Baubeginn bestimmt werden. Nach § 112 Abs. 5 WRG 1959 ist die Ergänzung unterlassener Befristungen jederzeit möglich.
14 3.1. Es trifft zu - worauf auch die revisionswerbende Partei verweist -, dass die Vorschreibung einer Baubeginns- oder Bauvollendungsfrist nicht als Auflage zur erteilten Bewilligung und damit auch nicht als eine Vorschreibung zu werten ist, an deren Zustandekommen oder an deren Verlängerung anderen Parteien des wasserrechtlichen Verfahrens als dem Bewilligungswerber ein rechtliches Interesse zukommen könnte. Die Auferlegung oder auch Verlängerung dieser Fristen ist vielmehr nach § 112 Abs. 1 WRG 1959 zugleich mit der Bewilligung, dh als ein dem eigentlichen Bewilligungsverfahren nicht zuzurechnender Rechtsakt zu setzen, auf dessen Gestaltung mit Ausnahme des Bewilligungswerbers mangels einer dahin weisenden positiven Bestimmung des WRG 1959 niemandem ein rechtliches Interesse zusteht (; , 92/07/0128).
15 Allerdings liegt in der im vorliegenden Fall - entgegen der gerade dargelegten Rechtsansicht - im Spruch des Erkenntnisses vorgenommenen Zuordnung der Vorschreibung der Bauvollendungsfrist zu den Auflagen keine zur Aufhebung des Erkenntnisses führende Rechtsverletzung der revisionswerbenden Partei.
16 3.2. Die revisionswerbende Partei macht als Rechtsverletzung in erster Linie das Fehlen jeglicher Begründung für die kalendermäßige Festlegung des Fertigstellungstermins nach § 112 Abs. 1 WRG 1959 und - damit im Zusammenhang stehend - das Fehlen der Prüfung der Angemessenheit dieser Befristung geltend. 17 § 112 Abs 1 WRG 1959 verpflichtet die Wasserrechtsbehörde, für die Bauvollendung eine angemessene Frist zu bestimmen. Erfüllt die von der Wasserrechtsbehörde bestimmte Frist das Kriterium der Angemessenheit nicht, hat der Bewilligungswerber die Möglichkeit, sich dagegen mit Rechtsmitteln zur Wehr zu setzen (). Die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht ist daher verpflichtet, die Festlegung von Bauvollendungsfristen nach § 112 WRG 1959 im Bescheid bzw. im Erkenntnis entsprechend zu begründen und die Angemessenheit der vorgeschriebenen Frist darzulegen.
18 Nach § 29 Abs. 1 VwGVG sind Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Wird das Verwaltungsgericht den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (; , Ro 2014/04/0068). Ein Begründungsmangel führt zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert (; , Ra 2014/17/0009, 0010).
19 Das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts wird den Begründungserfordernissen (§ 29 Abs. 1 VwGVG iVm §§ 58, 60 AVG) dann gerecht, wenn sich die seine Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie der rechtlichen Beurteilung in den wesentlichen Punkten aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben (; , Ra 2015/03/0027). 20 Diesen Voraussetzungen wird das angefochtene Erkenntnis in Bezug auf die Vorschreibung der Baufertigstellungsfrist des § 112 Abs. 1 WRG 1959 nicht gerecht, fehlt doch dort eine auf die datumsmäßige Festlegung der Bauvollendungsfrist bezogene Begründung zur Gänze. Es ist daher auch nicht erkennbar, von welchen Feststellungen oder Überlegungen zu dem hier auch maßgeblichen Aspekt der Angemessenheit der Fristsetzung das Verwaltungsgericht ausging, sodass der Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit gehindert ist.
21 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher in diesem Punkt als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
22 4. Die revisionswerbende Partei begehrt die Aufhebung allein der Auflage 12) des angefochtenen Erkenntnisses. 23 Mit der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung (als Hauptinhalt dieses Bescheides) ist die Vorschreibung einer Bauvollendungsfrist aber untrennbar verbunden; der revisionswerbenden Partei hätte die wasserrechtliche Bewilligung ohne die Vorschreibung einer Bauvollendungsfrist iSd § 112 Abs. 1 WRG 1959 nicht erteilt werden dürfen (vgl. dazu auch § 112 Abs. 5 WRG 1959). Der Spruch des Bewilligungsbescheides wäre nach Aufhebung der gesetzwidrigen Festlegung der Bauvollendungsfrist in nicht rechtmäßiger Weise unvollständig.
24 Der Ausspruch über die Bauvollendungsfrist stellt daher wegen des engen sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges mit dem Hauptinhalt des Spruches eine notwendige, nicht trennbare Einheit mit diesem dar. Seine Rechtswidrigkeit zieht daher die Rechtswidrigkeit des gesamten Erkenntnisses nach sich, sodass lediglich die Aufhebung des gesamten Erkenntnisses in Betracht kommt (vgl. in diesem Sinn ; , 2005/10/0047).
25 5. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Zum beantragten Vorgehen nach § 42 Abs. 4 VwGG sah sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst.
26 6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20 14, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
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Normen | AVG §58 Abs2 AVG §59 Abs1 AVG §60 AVG §8 VwGG §42 Abs2 Z3 litb VwGG §42 Abs2 Z3 litc VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §29 Abs1 VwRallg WRG 1959 §102 WRG 1959 §112 WRG 1959 §112 Abs1 WRG 1959 §112 Abs5 |
Schlagworte | Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Trennbarkeit gesonderter Abspruch Wasserrecht |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018070464.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAE-77195