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VwGH vom 11.11.2013, 2012/22/0115

VwGH vom 11.11.2013, 2012/22/0115

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 129.772/5- III/4/11, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 69a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) iVm § 46a Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei erstmals am illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe unter dem Namen Walter B einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt, der rechtskräftig abgewiesen worden sei. Daraufhin habe die Bundespolizeidirektion Wien im Oktober 1995 gegen den Beschwerdeführer ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Auf das Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates habe die Botschaft der Russischen Föderation mitgeteilt, dass eine Überprüfung der Personendaten des Walter B ergeben habe, dass diese Angaben nicht stimmten, weshalb die Ausstellung eines Heimreisezertifikates mangels Identität bzw. Staatszugehörigkeit nicht möglich wäre.

Nachdem der Beschwerdeführer in weiterer Folge zunächst das Bundesgebiet verlassen habe, sei er im April 1996 neuerlich illegal eingereist. Nach dem Aufgriff habe er angegeben, russischer Staatsbürger mit dem Namen Andrey-Petrovic Jakubj(...) zu sein. Ein neuer Antrag auf Gewährung von Asyl unter dem Familiennamen Jakurj(...), auch Jakob(...) sei "ebenfalls rechtskräftig negativ entschieden" worden. Nachdem es trotz mehrfacher schriftlicher Bemühungen nicht gelungen sei, bei der Botschaft der Russischen Föderation ein Heimreisezertifikat zu erwirken, sei dem Beschwerdeführer ein Abschiebungsaufschub bis gewährt worden.

In der Folge sei anhand der in beiden Asylverfahren abgenommenen Fingerabdrücke festgestellt worden, dass es sich bei den angegebenen Personendaten Walter B sowie Andrey-Petrovic Jakurj(...), auch Jakob(...), um ein und dieselbe Person handle. Die Botschaft der Russischen Föderation habe am mitgeteilt, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates auf den Namen Walter B nicht möglich wäre. Ein Schreiben mit demselben Inhalt sei betreffend die Namen Jakubj(...) bzw. Jakob(...) ergangen.

In den folgenden Jahren habe sich die erstinstanzliche Behörde weiterhin bei der Botschaft der Russischen Föderation bemüht, ein Heimreisezertifikat zu erhalten, zumal der Beschwerdeführer der Behörde gegenüber den Wunsch geäußert habe, nach Russland zurückzukehren. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates sei seitens der russischen Behörden weiterhin verweigert worden. Da eine Abschiebung in die Heimat des Beschwerdeführers somit nicht möglich gewesen sei, seien in der Folge laufend Abschiebungsaufschübe gewährt worden. Ein mit Bescheid vom neuerlich auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot sei mangels Heimreisezertifikat nicht durchsetzbar gewesen, weshalb Abschiebungsaufschübe gewährt worden seien. Mit Bescheid vom sei der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Über weitere Anträge seien auch in weiterer Folge Abschiebungsaufschübe, letztmalig bis , gewährt worden.

Am habe der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 69a NAG (besonderer Schutz) eingebracht.

Die belangte Behörde sehe keine Veranlassung, die Richtigkeit der Feststellungen der russischen Behörden bzw. der russischen Vertretungsbehörden anzuzweifeln. Es bestehe kein Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer seit seiner Einreise nach Österreich versucht habe, seine Identität zu verschleiern. So habe er bei der zweiten Einreise nach Österreich im April 1996 unter dem Namen Jakubj(...) (Jakub(...)) einen Asylantrag gestellt und vehement bestritten, schon einmal in Österreich gewesen zu sein. Daraus und aus dem gesamten Verwaltungsakt seien keinerlei Bemühungen des Beschwerdeführers ersichtlich, zur Klärung der Identität beizutragen, weshalb letztendlich die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die russischen Behörden gescheitert sei. Mangels Mitwirkung des Beschwerdeführers sei es trotz intensiver Bemühungen mehrerer Bundespolizeidirektionen nicht gelungen, die Identität des Beschwerdeführers zu klären und ein Heimreisezertifikat zu erlangen.

Somit seien die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels gemäß § 69a NAG iVm § 46a FPG nicht gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im März 2012 die Bestimmungen des NAG sowie des FPG idF BGBl. I Nr. 112/2011 anzuwenden sind.

Gemäß § 69a Abs. 1 Z 1 NAG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 bis 6 NAG sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 leg. cit. von Amts wegen oder auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine Aufenthaltsbewilligung für besonderen Schutz u.a. dann zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn der Fremde stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

Gemäß § 46a Abs. 1a FPG ist (mit hier nicht vorliegenden Ausnahmen) der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet dann geduldet, wenn die Behörde von Amts wegen feststellt, dass die Abschiebung des Betroffenen aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

§ 46a Abs. 1b FPG nennt als vom Fremden zu vertretende Gründe, wenn er seine Identität verschleiert, einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

Gemäß der Vorgängerbestimmung des § 46 Abs. 3 FPG in der Stammfassung war die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben, wenn sie unzulässig war (§ 50 FPG) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich schien. Dazu sprach der Verwaltungsgerichtshof schon unter Hinweis auf die Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1997 aus, dass eine tatsächliche Unmöglichkeit einer Abschiebung dann nicht vorliegt, wenn der einer Abschiebung entgegenstehende Grund vom Fremden selbst auf zumutbare Weise beseitigt werden kann (vgl. das Erkenntnis vom , 2006/21/0375).

Im Kern argumentiert die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dahin, dass der Beschwerdeführer letztendlich die Ausstellung eines Heimreisezertifikates dadurch unmöglich gemacht habe, indem er zur Klärung seiner Identität nicht beigetragen, also seine wahre Identität nicht bekanntgegeben habe. Dies schließt die belangte Behörde daraus, dass unter der angefragten Identität die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die russischen Behörden mit der Begründung verweigert wurde, dass der Beschwerdeführer nicht Staatsbürger der Russischen Föderation sei.

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass er ab dem jedenfalls die Wahrheit betreffend seine Identität, seine Herkunft und seine persönlichen und familiären Verhältnisse gesagt habe. Die belangte Behörde verweist zwar auf die bei der Asylantragstellung getätigten unterschiedlichen Angaben des Beschwerdeführers, wirft ihm aber nicht vor, dass er später unterschiedliche Angaben über seine Identität gemacht habe.

In diesem Zusammenhang ist hingegen den Behörden vorzuwerfen, dass aus dem Verwaltungsakt in keiner Weise ein Bestreben dahin erkennbar ist, die korrekte Schreibweise des Namens des Beschwerdeführers etwa durch gezieltes Befragen, allenfalls mit Hilfe eines Dolmetschers, festzustellen. So wurde etwa von der Bundespolizeidirektion Salzburg am der Familienname des Beschwerdeführers im Kopf der Niederschrift mit "Jakubj(...)" angeführt, obwohl die Unterschrift eindeutig mit "Jakob(...)" zu identifizieren ist. Sie unterließ auch Ermittlungen dazu, warum das Generalkonsulat der Russischen Föderation in S im Antwortschreiben vom den Namen des Beschwerdeführers mit "Jakov(...)" genannt hat. In der Niederschrift vom der Bundespolizeidirektion Salzburg wird der Name des Beschwerdeführers mit "Jakubj(...)" angeführt, im späteren Bescheid vom jedoch mit "Jakob(...)".

Dazu kommt, dass die Behörden den Beschwerdeführer einerseits als staatenlos bezeichnen, andererseits als russischen Staatsangehörigen. Wenn die österreichischen Behörden - wie etwa in der Fremdeninformation vom - annehmen, dass der Beschwerdeführer staatenlos sei, darf die Weigerung der russischen Behörden, ein Heimreisezertifikat auszustellen, schon deswegen nicht ohne Weiteres zum Nachteil des Beschwerdeführers gewertet werden.

Letztlich weist der Beschwerdeführer zu Recht darauf hin, dass die nunmehrige Entscheidung im Widerspruch zu der jahrelangen Gewährung von Abschiebungsaufschüben steht, hätte doch ein solcher - wie schon zitiert - nicht erteilt werden dürfen, wenn der der Abschiebung entgegenstehende Grund vom Fremden selbst auf zumutbare Weise beseitigt werden könnte.

Wegen der aufgezeigten Verfahrensmängel war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
BAAAE-77190