VwGH vom 16.09.2010, 2010/12/0033
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khorramdel, über die Beschwerde der H E in L, vertreten durch Dr. Wolfgang Dellhorn, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gölsdorfgasse 2, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. LAD2-DR-39/51-2010, betreffend Zurückweisung einer Berufung i. A. Ruhestandsversetzung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die im Jahre 1952 geborene Beschwerdeführerin stand bis zu ihrer mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom verfügten Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des als Volksschuloberlehrerin in einem öffentlichrechtlichen (Aktiv )Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich.
Die - unstrittig - dem Rechtsfreund der Beschwerdeführerin am zugestellte Ausfertigung dieses Bescheides lautete (Schreibung im Original, Anonym. durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Frau
Beschwerdeführerin
z. H. Dr. W. D.
G.gasse 2
1010 Wien
...
Betrifft: Beschwerdeführerin
Versetzung in den Ruhestand gem. § 12 Abs. 1 LDG 1984
Bescheid
Gemäß § 12 Abs. 1 und Abs. 3 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes - LDG 1984, BGBl. Nr. 302/1984 (LDG 1984), werden Sie mit Ablauf des in den Ruhestand versetzt.
Begründung
Gem. § 12 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes
LDG 1984 ...
Nach Abs. 3 ...
Laut amtsärztlichem Gutachten vom sind Sie zur Führung einer Klasse gesundheitlich nicht geeignet. Dazu kommen habituelle Gründe, die den Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt haben. Die für einen einwandfreien Dienstbetrieb unabdingbare Fähigkeit, mit Vorgesetzten und Kolleginnen zusammen zu arbeiten und Konflikte zu bereinigen, war nicht mehr vorhanden ( Z. 2006/12/0035).
Die in Aussicht genommene Versetzung in den Ruhestand wurde Ihnen mit ha. Schreiben vom , Zl. ..., mitgeteilt.
In Ihren dagegen fristgerecht eingebrachten Einwendungen haben Sie das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht entkräften können.
Sie ersuchten um Zuerkennung von 2 Biennalvorrückungen, für deren Zuerkennung keine Rechtsgrundlage vorhanden ist. Für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage reicht Ihre ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit aus.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung
...
Sonstige Hinweise
Über die Höhe des Ruhebezuges und einer allfälligen
Nebengebührenzulage ergehen gesonderte Bescheide.
Beilage: 1 Amtsärztliches Gutachten
1 Merkblatt
Der Amtsführende Präsident
H.
Hofrat
Für die Richtigkeit
der Ausfertigung"
In einer Eingabe vom an den Landesschulrat für Niederösterreich brachte der Rechtsfreund der Beschwerdeführerin vor, am 30. November d.J. sei ihm obiger Bescheid betreffend Versetzung in den Ruhestand seiner Mandantin zugestellt worden. Dieser beziehe sich auf ein amtsärztliches Gutachten vom 26. "Februar" 2009 und zitiere dieses amtsärztliche Gutachten als Beilage am Ende des Bescheides. Dieses entscheidende Gutachten sei dem Bescheid nicht angeschlossen gewesen und daher sei eine inhaltliche Überprüfung des Bescheides nicht möglich. Wie bereits am ersuche er nunmehr ein weiteres Mal, ihm dieses amtsärztliche Gutachten zur Verfügung zu stellen. Er halte fest, dass die Berufungsfrist gegen den Bescheid vom nicht zu laufen beginnen könne, solange ihm nicht dieses Gutachten zur Verfügung gestellt werde. Der Einlauftag des Gutachtens in seiner Kanzlei setze die Berufungsfrist erst ins Laufen.
Hierauf übermittelte der Landesschulrat für Niederösterreich dem Rechtsfreund das in Rede stehende Amtsgutachten am .
Mit der am im Wege der Telekopie eingebrachten Eingabe erhob die Beschwerdeführerin Berufung gegen den Bescheid vom . Die rechtswirksame Zustellung des bekämpften Bescheides sei erst durch Übersendung des amtsärztlichen Gutachtens am 7. Dezember d.J. erfolgt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als verspätet zurück. Begründend stellte sie aus rechtlicher Sicht unter Zitierung des § 63 Abs. 5 und § 64 Abs. 4 AVG fest, dass in der Begründung des bekämpften Bescheides (vom ) zwar ein amtsärztliches Gutachten vom 26. Juni d.J. erwähnt sei, ein Hinweis darauf, dass dieses Gutachten untrennbarer Bescheidbestandteil wäre, ergebe sich jedoch nicht. Insbesondere sei im Spruch des bekämpften Bescheides ein Ausspruch dahingehend, dass das Gutachten als Bescheidbestandteil gelte, nicht enthalten. Die Prüfung der Rechtzeitigkeit der Berufung habe daher unabhängig vom Zeitpunkt der Zustellung des genannten Gutachtens zu erfolgen. Der Bescheid sei nachweislich am rechtswirksam zugestellt worden. Die Berufungsfrist habe somit am geendet. Die Berufung sei am 21. Dezember d.J. per Telefax an den Landesschulrat für Niederösterreich gerichtet worden. Sie sei somit außerhalb der Berufungsfrist erhoben worden. Die Berufung vom sei daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückzuweisen gewesen. Angemerkt werde, dass das erwähnte Schreiben vom keinesfalls als (rechtzeitige) Berufung angesehen werden könne, da es weder als solche inhaltlich gemeint gewesen sei noch einen begründeten Berufungsantrag nach § 63 Abs. 3 AVG enthalte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet unter Zuerkennung von Aufwandersatz beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, "gegen diesen Bescheid rechtzeitig Berufung einzubringen". Sie sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, es sei zweifellos die Integration des amtsärztlichen Gutachtens in dem Bescheid vom gegeben. Der angefochtene Bescheid leide daher unter der rechtsirrigen Annahme der rechtswirksamen Zustellung vom und nicht erst am 7. Dezember d.J.
Nach § 1 Abs. 1 DVG ist auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienst-, Ruhe- oder Versorgungsverhältnisses zum Bund, den Ländern, den Gemeinden und Gemeindeverbänden das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG mit - im Beschwerdefall nicht in Betracht kommenden - Abweichungen anzuwenden.
Gemäß § 58 Abs. 1 AVG ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.
Nach Abs. 2 leg. cit. sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. gilt im Übrigen auch für Bescheide § 18 Abs. 4.
Nach § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Nach § 63 Abs. 5 zweiter Satz AVG beginnt die Frist (zur Einbringung der Berufung) für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser.
Der dem Rechtsfreund der Beschwerdeführerin am zugestellten Erledigung vom 24. d.M. kam schon im Hinblick auf die ausdrückliche Titulierung als "Bescheid" sowie den erkennbaren Spruch und die Begründung Bescheidcharakter zu.
Somit begann mit der am unstrittig erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung eines Bescheides gemäß § 63 Abs. 5 zweiter Satz AVG die Frist zur Einbringung der Berufung.
Wenn die zugestellte Bescheidausfertigung am Ende als Beilagen ein amtsärztliches Gutachten sowie ein Merkblatt zitierte, nahm dies - selbst wenn diese Schriftstücke der Bescheidausfertigung nicht angeschlossen gewesen sein sollten - der Erledigung vom nicht den Charakter einer die Berufungsfrist auslösenden Bescheidausfertigung. Auch die Beschwerde zieht nicht in Betracht, dass der normative Gehalt dieses Bescheides, nämlich die Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin mit Ablauf des , durch eine allfällige Unterlassung des Anschlusses der Beilagen in irgendeiner Weise eine Veränderung erfahren hätte (zur - im Beschwerdefall nicht vorliegenden - Konstellation eines Verweises im Spruch des Bescheides auf eine einen "integrierenden" Bestandteil bildende Beilage vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 88/12/0048 = Slg. 12.712/A, oder vom , Zl. 2002/07/0141).
Soweit schließlich die Begründung des Ruhestandsversetzungs-Bescheides auf das in Rede stehende amtsärztliche Gutachten Bezug nahm, tat auch diesbezüglich eine allfällige fehlende Ausfertigung dieses Gutachtens dem Charakter einer Bescheidausfertigung keinen Abbruch.
Sollte jedoch aus der Sicht der Beschwerdeführerin die Nachvollziehbarkeit der Begründung ihrer Ruhestandsversetzung daran gescheitert sein, dass das zitierte amtsärztliche Gutachten nicht angeschlossen gewesen sei, hätte eine mangelnde Nachvollziehbarkeit der Bescheidbegründung allenfalls einen Verfahrensmangel und damit eine Mangelhaftigkeit des Ruhestandsversetzungsbescheides bedingt, jedoch nichts am Bescheidcharakter der ihr zugestellten Ausfertigung geändert.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-77158