VwGH vom 28.02.2019, Ra 2018/07/0427
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Gemeinderates der Stadt B, vertreten durch DDr. Karl Robert Hiebl und Mag. Alexander Lirk, Rechtsanwälte in 5280 Braunau, Stadtplatz 50/2, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-151262/16/RK/FE-151263/2, betreffend Aufhebung eines Bescheides und Zurückverweisung an die Behörde i. A. des Oö. Wasserversorgungsgesetzes 2015 (mitbeteiligte Parteien: 1. A B und 2. A B, beide in B, beide vertreten durch Dr. Walter Ratt, Rechtsanwalt in 5270 Mauerkirchen, Obermarkt 26), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Begründung
I.
1 1. Mit Schreiben vom stellten die Mitbeteiligten einen Antrag gemäß § 6 Oö. Wasserversorgungsgesetz 2015 (Oö. WasserversorgungsG) auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von der (mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde B. vom ausgesprochenen) Verpflichtung zum Anschluss des in ihrem Eigentum stehenden Objektes H. 34 an die öffentliche Wasserversorgungsanlage. Darin machten sie im Wesentlichen geltend, dass die Anschlusskosten für das Objekt H. 34 mindestens doppelt so hoch wären wie die durchschnittlichen Anschlusskosten in der Gemeinde.
2 Der Bürgermeister der Stadtgemeinde B. führte in weiterer Folge einen Lokalaugenschein durch und holte einen Kostenvoranschlag der S.-Bau-GmbH ein, dem zufolge sich die Anschlusskosten für das Objekt H. 34 auf EUR 7.892,65 beliefen.
3 Die durchschnittlichen Anschlusskosten in der Gemeinde betragen laut einer im Akt ersichtlichen Ermittlung der I.-GmbH vom gerundet EUR 5.000,--. Diese Berechnung geht "auf Basis der Auswertung vorhandener Anschlussdaten bei der Stadtgemeinde (B.)" von einer mittleren Leitungslänge von 30 m über öffentliches und privates Gut (längenmäßig aufgegliedert auf die Oberflächen Straße, Wiese und Pflaster sowie auf die Installation im Haus) aus.
4 2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde B. vom wurde der Antrag der Mitbeteiligten mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dass die für den Anschluss des Objektes der Mitbeteiligten zu erwartenden Kosten in Höhe von rund EUR 8.900,-- (rund EUR 7.900,-- S.-Bau-GmbH und rund EUR 1.000,-- Wasserwerk) nicht - wie in § 6 Abs. 2 Z 4 Oö. WasserversorgungsG gefordert - doppelt so hoch seien wie die durchschnittlichen Anschlusskosten in der Gemeinde in der Höhe von EUR 5.000,--.
5 3. Die gegen den genannten Bescheid erhobene Berufung der Mitbeteiligten wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde B. (im Folgenden: Gemeinderat) vom mit im Wesentlichen inhaltsgleicher Begründung abgewiesen.
6 4. Dagegen erhoben die Mitbeteiligten Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.
7 Dieses holte eine gutachterliche Stellungnahme ein, in welcher der Amtssachverständige ausführte, dass der auf einer Kostenschätzung der I.-GmbH beruhende Betrag von rund EUR 5.000,-- für die durchschnittlichen Anschlusskosten in der Gemeinde fachlich nachvollziehbar erscheine, aber Annahmen - wie etwa die Aufteilung der Leitungslängen in unterschiedliche Oberflächen - enthalte, die auf keiner erkennbaren Datenbasis beruhten.
8 Nach Durchführung einer Verhandlung hob das Verwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss den Bescheid des Gemeinderates gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Gemeinderat zurück.
9 Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - aus, im vorliegenden Fall stünden die (aktualisierten und indexierten) Anschlusskosten für das Objekt der Mitbeteiligten von EUR 8.842,03 (für die vom Verwaltungsgericht festgestellte Gesamtleitungslänge von 40 m) den von der I.-GmbH ermittelten durchschnittlichen (indexierten) Anschlusskosten der Gemeinde in Höhe von EUR 5.139,13 gegenüber.
10 Hinsichtlich letzterer Anschlusskosten habe der Amtssachverständige in seiner Stellungnahme von ausgeführt, dass die Berechnung Annahmen - wie etwa die Aufteilung der Leitungslänge in unterschiedliche Oberflächen - enthalte, die auf keiner erkennbaren Datenbasis beruhten. Dem habe die Behörde (der Gemeinderat) entgegen gehalten, dass die Aufteilung der heranzuziehenden Flächen auf Basis der vorliegenden Daten nicht vorgenommen werden könne, weil der Private mit dem beauftragten Unternehmen selbst abrechne. Die Aufteilung auf die einzelnen Oberflächen sei aufgrund langjähriger Erfahrung durch das technische Ingenieurbüro I.-GmbH erfolgt.
11 Angesichts der klar ermittelten Aufwände für den konkreten Wasseranschluss der Mitbeteiligten - so das Verwaltungsgericht weiter - sei von der Behörde zu fordern, nähere Ermittlungen darüber zu führen, wie sich das durchschnittliche Verhältnis der einzelnen Oberflächenarten gestalte, weil die betragsmäßigen Werte - gegliedert nach einzelnen Oberflächenarten - entscheidende Relevanz für die durchschnittlichen Kosten der Gemeinde entwickelten und das Ergebnis massiv beeinflussen könnten. Im gegebenen Zusammenhang sei dies umso bedeutender, weil eine längenmäßige Differenz von 25 % und eine betragsmäßige Differenz in der Nähe von 100 % zwischen den Kosten für die Mitbeteiligen und den durchschnittlichen Anschlusskosten in der Gemeinde hervorgekommen sei. In Fällen, in denen die Kostendifferenz unzweifelhaft ein im Sinn des Gesetzes "kritisches Maß" erreiche, liege es im Interesse der Behörde, ihre durchschnittlichen Kosten auf eine möglichst umfangreiche Datenbasis zu stützen.
12 Der Gemeinderat werde im weiteren Verfahren "möglichst umfangreiches Datenmaterial und möglichst viele Anschlussfälle, und zwar aufgegliedert nach den einzelnen Bereichen wie Asphalt, Wiese, Schotter, Pflaster und andere Anschlussumstände" in seine Betrachtung miteinzubeziehen haben, um so eine umfangreiche Rechtfertigung der sich aufteilenden Detailkosten je nach Oberflächenart zu erhalten, welche sodann als Basis für eine nachvollziehbare Durchschnittsrechnung dienen solle.
13 Die Revision gegen dieses Erkenntnis ließ das Verwaltungsgericht unter formelhaftem Hinweis auf die Bestimmung des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zu.
14 5. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision des Gemeinderates, die das Verwaltungsgericht samt den Akten des Verfahrens vorgelegt hat.
15 Die Mitbeteiligten und die Oberösterreichische Landesregierung brachten jeweils eine Revisionsbeantwortung ein.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
16 1. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
17 Nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden.
18 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19 2. In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird im Wesentlichen - näher begründet und unter konkreten Hinweisen auf hg. Judikatur - eine Abweichung des angefochtenen Beschlusses von der hg. Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der in § 28 Abs. 3 VwGVG vorgesehenen Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung geltend gemacht.
20 3. Die Revision ist zulässig und auch begründet. 21 3.1. Gemäß § 6 Abs. 2 Z 4 Oö. WasserversorgungsG, LGBl. Nr. 35/2015, hat die Gemeinde für Objekte mit zum Zeitpunkt des Entstehens der Anschlusspflicht bestehender eigener Wasserversorgungsanlage auf Antrag eine Ausnahme von der Anschlusspflicht zu gewähren, wenn (bei Vorliegen bestimmter weiterer Voraussetzungen) die Kosten der Herstellung der Anschlussleitung und sämtlicher dazugehörender Einrichtungen, wie insbesondere Drucksteigerungseinrichtungen, Wasserzähler und Hauptabsperrventil, einschließlich der Kosten für die Wiederherstellung von Anlagen, die im Zug der Anschlusserrichtung beeinträchtigt werden würden, sowie einschließlich der Leistung von Entschädigungszahlungen im Sinn des § 8 Abs. 1 Oö. WasserversorgungsG für die Anschlussverpflichtete bzw. den Anschlussverpflichteten mindestens doppelt so hoch wären wie die durchschnittlichen Anschlusskosten in der Gemeinde.
22 § 28 VwGVG in der hier maßgeblichen Fassung, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:
"Erkenntnisse
§ 28. (...)
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das
Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(...)"
23 3.2. Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.
24 Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa , sowie , mwN).
25 3.3. Diese Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt:
26 So konnte der Gemeinderat seiner Entscheidung bereits den nach Durchführung eines Lokalaugenscheins zur Ermittlung der für die Mitbeteiligten anfallenden Anschlusskosten eingeholten Kostenvoranschlag der S.-Bau-GmbH sowie die von der I.-GmbH erstellte, die durchschnittlichen Anschlusskosten in der Gemeinde ermittelnde Berechnung zugrunde legen.
27 Ob die von der I.-GmbH vorgenommene Kostenberechnung der durchschnittlichen Anschlusskosten in der Gemeinde mangelhaft im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist, kann für die vorliegende Revisionssache dahin gestellt bleiben.
28 Nach der hg. Rechtsprechung hat nämlich das Verwaltungsgericht selbst die Ergänzung eines unvollständigen Gutachtens zu veranlassen; auch die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens rechtfertigt im Allgemeinen die Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht (vgl. wiederum VwGH Ro 2015/07/0005 sowie , jeweils mwN).
29 Selbst wenn man daher mit dem Verwaltungsgericht davon ausginge, dass die Kostenaufstellung der I.-GmbH ergänzungsbedürftig sei, berechtigte dies allein das Verwaltungsgericht noch nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung. Die nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes erforderliche Einbeziehung "umfangreichen Datenmaterials" hätte vielmehr bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgen müssen.
30 4. Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Beschluss als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018070427.L00 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.