VwGH vom 09.11.2009, 2008/09/0346

VwGH vom 09.11.2009, 2008/09/0346

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des T I in L, vertreten durch Mag. Harald Schuh, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 12, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. LGSOÖ/Abt.1/08115/039/2008, betreffend Verlängerung einer Arbeitserlaubnis, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, beantragte mit Eingabe vom die Verlängerung seiner bis gültigen Arbeitserlaubnis.

Mit undatiertem Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice wurde dieser Antrag mit der Begründung abgewiesen, der Beschwerdeführer sei nicht im Besitze eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz

(NAG).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er diesen Umstand zwar nicht bestritt, jedoch behauptete, im Hinblick auf seine nachhaltige Integration sei von Amts wegen ein Verfahren zur Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung anhängig gemacht worden, worüber bisher nicht entschieden worden sei.

In seiner Stellungnahme zu den Ermittlungsergebnissen vom beantragte er die Aussetzung des Verfahrens nach § 38 AVG bis zum Abschluss dieses Verfahrens. Darüber hinaus berief sich der Beschwerdeführer in diesem Schriftsatz erstmals auf Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses ARB 1/80.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 14a und § 14e AuslBG keine Folge und gab dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens nicht statt.

Die Nichtstattgabe der beantragten Aussetzung des Verfahrens begründete die belangte Behörde damit, unter "Vorfrage" im Sinne des § 38 AVG sei eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von einer anderen Verwaltungsbehörde oder von Gerichten zu entscheiden sei. Die Entscheidung über die Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung sei aber für die Entscheidung über die Berufung wegen Nichtverlängerung einer Arbeitserlaubnis keine unabdingbare Grundlage. Dass der Beschwerdeführer über keinen Aufenthaltstitel nach dem NAG verfüge, sei unbestritten, sodass die belangte Behörde über den Antrag selbst entscheiden könne, weil keine präjudizielle Vorfrage vorliege.

Die Nichtverlängerung der Arbeitserlaubnis begründete die belangte Behörde im Wesentlichen gleichlautend mit der Behörde erster Instanz, fügte jedoch hinzu, das Asylverfahren des Beschwerdeführers sei am rechtskräftig beendet worden, die Behandlung der Beschwerde dagegen vom Verwaltungsgerichtshof abgelehnt. Gegen den folgenden Ausweisungs(Berufungs-)bescheid der Sicherheitsdirektion habe der Beschwerdeführer an den Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhoben, der aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Dadurch werde aber lediglich die Ausweisung aufgeschoben, jedoch kein Aufenthaltstitel nach dem NAG gewährt. Zur Frage der durch das Assoziationsabkommen mit der Türkei gewährten Rechte stellte sich die belangte Behörde auf den Standpunkt, Voraussetzung der Anwendbarkeit des Art. 6 ARB 1/80 sei die "Ordnungsgemäßheit" der zurückgelegten Beschäftigung. Diese sei aber dann nicht gegeben, wenn die Beschäftigung nur im Rahmen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung wie etwa nach dem AsylG ausgeübt worden sei. Insbesondere im Hinblick auf die ausgesprochene Ausweisung könne von einem unbestrittenen Aufenthaltsrecht nicht gesprochen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Aussetzung des Verfahrens:

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Im vorliegenden Verfahren nach dem AuslBG hatte die belangte Behörde jedoch keine Vorfrage zu entscheiden, sondern lediglich im Sinne des § 14a AuslBG das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Tatbestandsmerkmales, nämlich eines Aufenthaltstitels nach dem NAG, zu prüfen. Ob der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Titels erfüllt oder nicht, war daher nicht Gegenstand des von der belangten Behörde zu entscheidenden Falles (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0233), weshalb keine Rechtsgrundlage dafür besteht, das Verfahren nach § 14a AuslBG bis zur Erlassung eines konstitutiven, rechtsgestaltenden Bescheides über die Erteilung eines Aufenthaltstitels auszusetzen.

2. Zur Abweisung des Verlängerungsantrages:

Gemäß § 14a Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2005, ist einem Ausländer auf Antrag eine Arbeitserlaubnis auszustellen, wenn er

1. in den letzten 14 Monaten insgesamt 52 Wochen im Bundesgebiet im Sinne des § 2 Abs. 2 mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war und rechtmäßig niedergelassen ist oder

2. Ehegatte oder unverheiratetes minderjähriges Kind (einschließlich Stief- und Adoptivkind) eines Ausländers gemäß

Z. 1 und bereits zwölf Monate rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist.

Gemäß § 14e Abs. 1 AuslBG ist die Arbeitserlaubnis gemäß § 14a zu verlängern, wenn


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1.
die Anspruchsvoraussetzungen nach § 14a gegeben sind oder
2.
der Ausländer während der letzten zwei Jahre mindestens 18 Monate nach diesem Bundesgesetz beschäftigt war und rechtmäßig niedergelassen ist.
Gemäß § 8 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005 (NAG), werden Aufenthaltstitel erteilt als:
1. "Niederlassungsbewilligung" für eine nicht bloß vorübergehende befristete Niederlassung im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck (Abs. 2) mit der Möglichkeit, anschließend einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" (Z. 3) zu erlangen;
2. Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" für die befristete Niederlassung mit der Möglichkeit, anschließend einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" (Z. 4) zu erhalten;
3. Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments;
4. Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments.
Sowohl für die (erstmalige) Erteilung einer Arbeitserlaubnis als auch für jede Verlängerung ist nach den oben wiedergegebenen Gesetzesbestimmungen u.a. Voraussetzung, dass der Ausländer "rechtmäßig niedergelassen" ist. Zur Auslegung dieses Rechtsbegriffes reicht es, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/09/0070, zu verweisen. Dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde tatsächlich über keinen Aufenthaltstitel nach dem NAG bzw. vor dem nach dem damals noch in Geltung gestandenen FrG verfügte, ist unbestritten. Damit lag eine der Tatbestandsvoraussetzungen des § 14a AuslBG nicht vor. Daran ändert auch nichts, dass der Beschwerde gegen die mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom gemäß § 34 Abs. 1 FrG 1997 ausgesprochene Ausweisung des Beschwerdeführers aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, weil damit zwar alle mit dem die Ausweisung aussprechenden rechtskräftigen Bescheid verbundenen Wirkungen aufgeschoben worden sind und der Beschwerdeführer solcherart vor einem Vollzug der verfügten Ausweisung bis zur Entscheidung des hierüber noch beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens (protokolliert unter hg. Zl. 2005/18/0724) geschützt ist, das Fehlen einer rechtmäßigen Niederlassung wird aber dadurch nicht berührt, weil der Beschwerdeführer auch vor Erlassung des Ausweisungsbescheides über ein für die Verlängerung der Arbeitserlaubnis erforderliches Aufenthaltsrecht nicht verfügt hat.
Der Beschwerdeführer beruft sich auch auf Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80); diese Bestimmung hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"Art. 6 (1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat
-
nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
-
nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorranges - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
-
nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis."
Die belangte Behörde hat in Anwendung dieser Bestimmung allerdings bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die "Ordnungsgemäßheit" der zurückgelegten Beschäftigung dann nicht gegeben sei, wenn die Beschäftigung nur im Rahmen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung wie etwa nach dem AsylG ausgeübt wurde. Die Voraussetzungen dafür, sich hinsichtlich des Rechts zur Fortsetzung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung sowie des diesem Zweck dienenden Rechts auf Aufenthalt mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 berufen zu können, erfüllen Fremde, die eine - wenn auch allenfalls im Einklang mit den Bestimmungen des AuslBG stehende - Beschäftigung ausüben, dann nicht, wenn ihr Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet bloß auf Grund einer asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung besteht. Die letztgenannte Berechtigung vermittelt nämlich keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/18/0402, und vom , Zl. 97/09/0202, mwN).
Aus diesen Gründen war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere dessen § 3 Abs. 2. Wien, am