VwGH vom 26.06.2012, 2012/22/0081
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 320.880/2-III/4/11, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den am gestellten Antrag des Beschwerdeführers, eines mazedonischen Staatsangehörigen, auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 und § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG zurück.
Den Antrag habe der Beschwerdeführer damit begründet, dass er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, und er habe einen Staatsbürgerschaftsnachweis seiner Ehefrau und seiner Tochter beigelegt.
Begründend stellte die belangte Behörde darauf ab, dass die am geborene Ehefrau des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet gehabt habe und somit keine Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG sei. Damit sei die besondere Voraussetzung "für eine ordnungsgemäße Antragstellung" nicht erfüllt.
Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer Gelegenheit geboten, Umstände geltend zu machen, ob im Sinn des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom , C-256/11, eine österreichische Ankerperson des drittstaatsangehörigen Antragstellers de facto gezwungen wäre, Österreich und das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Ein entsprechendes Vorbringen habe der Beschwerdeführer nicht erstattet. Rechtlich führte die belangte Behörde dazu mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Zambrano, C- 34/09, aus, der Kernbestand der Unionsbürgerrechte sei jedenfalls dann beeinträchtigt, wenn ein minderjähriger Unionsbürger aus dem Gebiet der Europäischen Union ausreisen müsste, um seinen beiden drittstaatsangehörigen Elternteilen zu folgen. Nach der Aktenlage ergäben sich keine Hinweise, dass sich die Ehefrau des Beschwerdeführers in einer Ausnahmesituation befinde, die bei Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer bedeuten würde, dass sie de facto gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Vielmehr sei von einem bloßen Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben in Österreich auszugehen oder lägen diesem Begehren bloße wirtschaftliche Überlegungen zu Grunde.
Der Verwaltungsgerichthof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Im vorliegenden Beschwerdefall kommt das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011 zur Anwendung.
Gemäß § 47 Abs. 2 NAG ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von (u.a.) Österreichern sind, ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen. § 2 Abs. 1 Z 9 FPG definiert als Familienangehörigen u.a. den Ehegatten, welcher das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben muss.
Der Beschwerdeführer macht dazu geltend, mit der zuletzt genannten Bestimmung sollen nur Zwangsehen verhindert werden. Die am in Mazedonien geschlossene Ehe des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau sei rechtmäßig zu Stande gekommen und in Österreich anzuerkennen. Wenn sich die belangte Behörde auf § 2 Abs. 1 Z 9 NAG stütze, negiere sie die allumfassende Wirkung der Ehe und es sei ihr eine unsachliche Ungleichbehandlung ein und desselben Rechtsinstituts vorzuwerfen.
Auch wenn die Regelung des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG als Schutzmaßnahme für Betroffene vor arrangierten (Kinder)Ehen dienen und dem Phänomen von Zwangsehen entgegenwirken soll, erkannte der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , B 711/10, die dort vorgesehene Altersgrenze als sachlich gerechtfertigt und zu keinem verfassungsrechtlich relevanten Systembruch führend, weil der Gesetzgeber verschiedene Rechtsinstitute und Verwaltungsmaterien nicht gleichartig regeln muss.
Davon ausgehend stellte die belangte Behörde bei der Prüfung der Familienangehörigeneigenschaft zutreffend nach der verfassungskonformen Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG nur auf das Alter der Ehegattin bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung ab (vgl. in diesem Sinn auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0509). Da die Ehefrau des Beschwerdeführers unstrittig damals das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, war die nach § 47 Abs. 2 NAG erforderliche (besondere) Erteilungsvoraussetzung nicht erfüllt.
Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, die Verweigerung des Aufenthaltstitels verwehre seiner österreichischen Ehefrau den Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihr der Unionsbürgerstatus verleihe, weil eine Trennung des Ehepaars nicht zumutbar sei und "das Institut der Ehe abgeschafft und lächerlich gemacht" würde. Das Ermittlungsverfahren habe nicht ergeben, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers bei Verweigerung des Aufenthaltsrechts an den Beschwerdeführer gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen, was sie auch nicht wolle und nicht machen werde, weil sie die mazedonische zu Gunsten der österreichischen Staatsbürgerschaft aufgegeben habe und das gemeinsame Kind Österreicher sei.
Zutreffend ging die belangte Behörde auch auf den sich aus dem , ergebenden Prüfungsmaßstab ein, indem sie den Beschwerdeführer zu entsprechendem Vorbringen aufforderte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0212). Der Beschwerdeführer befand es jedoch nach eigener Darstellung "nicht für Wert" zu antworten, weil dazu bereits entsprechendes Vorbringen ausreichend und eindeutig erstattet worden sei, dass es seiner österreichischen Ehefrau weder rechtlich noch tatsächlich zuzumuten sei, ihr Heimatland zu verlassen, was "notorisch zur Vernichtung und faktischen Ehetrennung" führe. Damit zeigt der Beschwerdeführer keinen spezifischen Sachverhalt auf, der dadurch gekennzeichnet wäre, dass sich eine Unionsbürgerin de facto gezwungen sehe, das Gebiet der Europäischen Union als Ganzes zu verlassen, und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltsrecht ausnahmsweise nicht verweigert werden dürfe. Dem Beschwerdeführer ist durchaus einzuräumen, dass es aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Gebiet der Union wünschenswert erscheinen könnte, sich mit seiner Ehefrau in Österreich aufhalten zu können, doch reicht dies für die Gewährung eines aus Art. 20 AEUV hergeleiteten Aufenthaltsrechts nicht aus (vgl. das schon zitierte Rz 68). Kann sich der Beschwerdeführer auf Unionsrecht nicht berufen, so stellt sich die Frage, ob anhand sich aus dem Unionsrecht ergebender Maßstäbe die Trennung des Beschwerdeführers von seinen Angehörigen hinzunehmen wäre, nicht.
Soweit die Beschwerde auf das gemeinsame Kind verweist, wurde auf dieses im angefochtenen Bescheid insofern Bedacht genommen, als ein Hinweis auf den Staatsbürgerschaftsnachweis der Tochter erfolgte und auf das (Rs Zambrano), Bedacht genommen wurde. Mit dieser Konstellation ist der vorliegende Fall allerdings insofern nicht vergleichbar, als hier nicht beide Elternteile gezwungen wären, das Gebiet der Union zu verlassen; im Gegenteil wird in der Beschwerde dargestellt, die Ehefrau des Beschwerdeführers und Mutter des Kindes wolle und werde Österreich nicht verlassen. Eine Gewährung von Unterhalt durch den Beschwerdeführer an das Kind ergibt sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch stützte sich die Beschwerde darauf. In dieser wird auch auf eine mögliche Auswirkung einer Versagung des Aufenthaltstitels auf die Rechte des Kindes nach Art. 20 AEUV nicht weiter eingegangen, sodass auch hier durch die Weigerung, dem Beschwerdeführer den Aufenthalt in Österreich zu gewähren, eine Verletzung von Unionsbürgerrechten dem angefochtenen Bescheid nicht angelastet werden kann.
Das als Verfahrensfehler geltend gemachte Ignorieren der Gesetzesmaterialien und die behauptete unrichtige Gesetzesauslegung sind vielmehr der - oben schon behandelten - Rechtsrüge zuzuordnen, sodass es keinen "in diesem Punkt" aktenwidrigen Sachverhalt gibt, der einer Ergänzung bedürfte.
Dass die belangte Behörde rechtsirrig den Antrag zurück- und nicht abgewiesen hat, bewirkt keine Rechtsverletzung, weil sie den Antrag inhaltlich geprüft hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0284).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am