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VwGH vom 19.02.2014, 2012/22/0076

VwGH vom 19.02.2014, 2012/22/0076

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2012/22/0077

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden

1. der K und 2. der R, beide geboren am , beide vertreten durch Mag. Erik Steinhofer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Joanneumring 6/III, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres je vom , Zl. 157.284/9-III/4/11 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin, hg. Zl. 2012/22/0076) und Zl. 157.284/10-III/4/11 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin, hg. Zl. 2012/22/0077), jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerinnen sind Zwillingsschwestern und ägyptische Staatsangehörige. Mit den inhaltlich gleichlautenden angefochtenen Bescheiden wies die Bundesministerin für Inneres (in der Folge kurz als "Behörde" bezeichnet) ihre Anträge auf Erteilung jeweils eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 21a Abs. 1 und § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, die im Jahr 1987 geborenen Beschwerdeführerinnen hätten die Familienzusammenführung mit ihrem Vater, einem österreichischen Staatsbürger, beantragt. Die Erstinstanz habe erkannt, dass die bereits volljährigen Beschwerdeführerinnen eine "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" zu beantragen gehabt hätten. Eine Belehrung im Sinn des § 23 Abs. 1 NAG wäre jedoch unterblieben, weil der fehlende Nachweis von Deutschkenntnissen in jedem Fall einen Versagungsgrund darstelle.

In der Berufung hätten die Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen eingewendet, dass sie ein Zertifikat der "British Academy Hurghada" vorgelegt hätten, welches den gesetzlichen Anforderungen an ein Sprachdiplom gerecht werde.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die Behörde in den angefochtenen Bescheiden weiter aus, dass gemäß § 9b Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinn des § 21a Abs. 1 NAG allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse von folgenden Einrichtungen gelten würden: Österreichisches Sprachdiplom Deutsch, Goethe-Institut e.V., Telc GmbH, Österreichischer Integrationsfonds.

Die Beschwerdeführerinnen hätten vorgebracht, dass der Besuch eines solchen Instituts wegen "weitgehender Ermangelung öffentlicher Verkehrsmittel" im Heimatland unzumutbar erscheine. Eine solche Unzumutbarkeit könne aber nicht erkannt werden, weil zur Absolvierung einer Deutschprüfung bloß eine einmalige Reise nach Kairo bzw. Alexandria erforderlich wäre. Die allgemein anerkannten Sprachinstitute böten regelmäßig stattfindende eintägige schriftliche und mündliche Deutschprüfungen an, zu denen man sich bis zu drei Wochen im Voraus anmelden könne. Die Teilnahme an einer solchen Prüfung mit der damit verbundenen Reise könne für den beabsichtigten Zweck jedenfalls zugemutet werden. Laut Auskunft des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten bestehe keine Verordnung gemäß § 21a Abs. 7 NAG für den örtlichen Wirkungsbereich der Österreichischen Botschaft Kairo. Somit entspreche das Zertifikat des betreffenden Sprachinstituts nicht den gesetzlichen Anforderungen und könne für das gegenständliche Verfahren nicht anerkannt werden.

Letztlich wird in den angefochtenen Bescheiden eine Ausnahmesituation im Sinn des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-256/11 "Dereci u.a." mit der Begründung verneint, dass die Beschwerdeführerinnen Töchter eines erwachsenen österreichischen Staatsbürgers und selbst volljährig seien und sich aus der Aktenlage keine Hinweise darauf ergäben, dass im Fall der Verweigerung des Aufenthaltstitels der Vater gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbundenen Rechtssachen nach Aktenvorlage erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Weiters sind angesichts der Erlassung der angefochtenen Bescheide im März 2012 die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 112/2011 maßgeblich.

§ 21a NAG lautet auszugsweise:

"§ 21a. (1) Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms oder Kurszeugnisses einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom oder das Kurszeugnis darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

...

(6) Durch Verordnung des Bundesministers für Inneres sind jene Einrichtungen zu bestimmen, deren Sprachdiplome und Kurszeugnisse als Nachweis gemäß Abs. 1 gelten.

(7) Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres für den örtlichen Wirkungsbereich einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Ausland durch Verordnung auch andere als in der Verordnung gemäß Abs. 6 genannte Einrichtungen bestimmen, deren Sprachdiplome und Kurszeugnisse als Nachweis gemäß Abs. 1 gelten, wenn diese Einrichtungen mit den in der Verordnung gemäß Abs. 6 genannten Einrichtungen vergleichbare Standards einhalten. Solche Verordnungen sind durch Anschlag an der Amtstafel der jeweiligen Berufsvertretungsbehörde kundzumachen und gelten für den Zeitraum eines Jahres ab Kundmachung."

Die Beschwerdeführerinnen bestreiten nicht, dass die "British Academy" in Hurghada keine iSd § 21a Abs. 6 oder Abs. 7 NAG mit Verordnung bestimmte Einrichtung ist, deren Sprachdiplome und Kurszeugnisse als Nachweis im Sinn des § 21a Abs. 1 NAG über Kenntnisse der deutschen Sprache gelten. Somit durfte die Behörde eine besondere Erteilungsvoraussetzung für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels verneinen, wobei anzumerken ist, dass die Beschwerdeführerinnen eine "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 NAG und nicht einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" nach § 47 Abs. 2 NAG benötigen würden, handelt es sich bei ihnen doch um bereits volljährige Personen. In beiden Fällen sind aber gemäß § 21a Abs. 1 (iVm § 8 Abs. 1 Z 6 bzw. Z 8) NAG Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen.

Der Ansicht der Beschwerdeführerinnen, sie wären im verfassungsrechtlich verankerten Recht auf Gleichbehandlung verletzt worden, kann schon deswegen nicht gefolgt werden, weil sie die behördliche Feststellung nicht konkret bekämpfen, dass die Ablegung einer Prüfung bei einem allgemein anerkannten Sprachinstitut in Kairo oder Alexandria zugemutet werden könne. Diese Ansicht wird dadurch bestätigt, dass die Beschwerdeführerinnen vorbringen, mittlerweile eine Prüfung zum weiteren Nachweis der Deutschkenntnisse beim Goetheinstitut in Kairo am abgelegt zu haben.

Letztlich treten die Beschwerdeführerinnen der Ansicht der Bundesministerin für Inneres nicht entgegen, dass kein Ausnahmefall im Sinn des zitierten Urteils "Dereci u.a." vorliegt.

Da somit den angefochtenen Bescheiden die behauptete Rechtsverletzung nicht anhaftet, waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am