VwGH 03.10.2018, Ra 2018/07/0359
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | 12010E267 AEUV Art267; 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art13 Abs1; 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art23 Abs1; 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art6; 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art7; AVG §38; VwGG §62 Abs1; |
RS 1 | Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Vorabentscheidungsansuchen der Rechtbank van eerste aanleg te Brussel (Belgien) vom , Craynest (Rechtssache C- 723/17), vorgelegten Fragen ausgesetzt. |
Normen | EURallg IG-L 1997 §9a VwGG §42 Abs2 Z1 VwRallg 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Anh11 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art13 Abs1 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art22 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art23 Abs1 62007CJ0237 Janecek VORAB 62013CJ0404 ClientEarth VORAB |
RS 1 | Für die Einhaltung des Grenzwertes von NO2 gilt, dass es dem zwingenden Charakter der Luftqualitäts-RL widerspricht, wenn es grundsätzlich ausgeschlossen ist, dass eine mit ihr auferlegte Verpflichtung von den betroffenen Personen geltend gemacht werden kann. Natürliche Personen, die unmittelbar von der Überschreitung der Grenzwerte betroffen sind, müssen bei den nationalen Behörden erwirken können, dass ein Luftqualitätsplan im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Luftqualitäts-RL erstellt wird, wenn durch die Behörde die Einhaltung der sich aus Art. 13 Abs. 1 Unterabsatz 1 iVm Anhang XI der Luftqualitäts-RL ergebenden Anforderungen nicht gewährleistet wurde und es auch zu keiner Fristverlängerung nach Art. 22 der Luftqualitäts-RL gekommen ist (vgl. , Client Earth; C- 237/07). |
Normen | EURallg IG-L 1997 §9a VwGG §42 Abs2 Z1 VwRallg 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art13 Abs1 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art22 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art23 Abs1 |
RS 2 | Im Zusammenhang mit der unmittelbaren Betroffenheit als Voraussetzung für die Antragsbefugnis auf Abänderung eines Luftqualitätsplanes sind dann, wenn Grenzwerte in einem Gebiet überschritten werden, alle in diesem Gebiet lebenden Personen unmittelbar davon betroffen. Für die Annahme eines Unterschieds zwischen dem Interesse einzelner Betroffener an der Luftqualität gegenüber dem der "Allgemeinheit" besteht - generell gesprochen - keine erkennbare Rechtsgrundlage. Dass es einer "besonderen Betroffenheit" einer antragstellenden Partei im Gegensatz zur Allgemeinheit bedürfte, um die Einhaltung von Grenzwerten iSd Art. 13 Abs. 1 der Luftqualitäts-RL als subjektives Recht geltend machen zu können, ist weder dieser Richtlinie noch der Rechtsprechung des EuGH oder des VwGH zu entnehmen. Die unmittelbare Betroffenheit hat einen räumlichen und einen zeitlichen Aspekt. Leben und arbeiten die Antragsteller nicht nur vorübergehend in ihrem Wohnort und pflegen sie dort auch ihre sozialen Kontakte, so erscheinen die Messwerte jedenfalls in der Nähe des Wohnorts und des Arbeitsplatzes relevant. Der zeitliche Bezug der Beurteilung der Betroffenheit lässt sich aus dem Umstand ableiten, dass sich die Grenzwerte für die Überschreitungstage auf das Kalenderjahr beziehen. Dies setzt einen Überblick über ein Kalenderjahr voraus, um beurteilen zu können, ob eine Überschreitung vorliegt oder nicht. Für eine erfolgreiche Antragstellung hat der Antragsteller seine konkrete persönliche Betroffenheit zu behaupten (Vvgl. ), andernfalls läuft er Gefahr, sich die mangelnde Konkretheit der Auswirkungen auf ihn selbst vorwerfen lassen zu müssen (vgl. ). |
Normen | EURallg IG-L 1997 §9a VwGG §42 Abs2 Z1 VwRallg 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art13 Abs1 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art23 Abs1 |
RS 3 | Bei der Gewährleistung guter Luftqualität geht es vorrangig um die Gesundheit der gesamten Bevölkerung eines Gebietes. Die dort lebenden Menschen halten sich aber in der Regel nicht nur an ihrer Wohnadresse auf. Die Orte des Wohnens, des Arbeitens und der regelmäßigen Pflege der sozialen Kontakte am Wohnort stellen das örtliche Umfeld dar, in dem sich Menschen typischerweise im Alltag bewegen, wo sie sich regelmäßig aufhalten; diese drei Komponenten grenzen daher in der Regel das Gebiet ab, in dem ihre unmittelbare Betroffenheit zu bewerten ist (vgl. 28.5.202015, Ro 2014/07/0096). |
Normen | EURallg IG-L Messkonzept 2012 Anl2 IG-L 1997 §4 IG-L 1997 §5 VwGG §42 Abs2 Z1 VwRallg 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art13 Abs1 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art23 Abs1 62017CJ0723 Craeynest VORAB |
RS 4 | Es ist Aufgabe der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe zu regeln, die den Schutz der den Bürgern aus einem Unionsrechtsakt wie der Richtlinie 2008/50 erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Diese Modalitäten dürfen jedoch nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die entsprechender innerstaatlicher Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. , Craeynest). Auch nach der innerstaatlichen Rechtslage (§§ 4 und 5 IG-L 1997 und der IG-L-Messkonzeptverordnung 2012) entscheidet die Behörde über die Anzahl der Messstellen, ihre regionale Verteilung, ihre Verlegung und Auflassung, ihre Ausstattung, die Qualitätssicherung der Messdaten, etc.; Anlage 2 IG-L-Messkonzeptverordnung 2012 legt dazu detailliert die Standortkriterien von Messstellen fest. Angesichts dessen stellt die - auf Unionsrecht fußende - Ermöglichung der Antragstellung eines unmittelbar Betroffenen bei der zur Vollziehung des IG-L 1997 bzw. der IG-L-Messkonzeptverordnung 2012 zuständigen Behörde (statt unmittelbar beim VwG) die sachgerechtere und verfahrensökonomischere Lösung zur Herstellung eines unionsrechtskonformen Zustandes dar. Dabei wird dem vom EuGH genannten Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz jedenfalls Rechnung getragen. Gegen abschlägige Bescheide der Behörde über solche Anträge steht dem Antragsteller ein Rechtsmittel an das VwG zu, dem diesfalls die Möglichkeit der Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtungen aus der Luftqualitäts-RL eröffnet ist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Dipl.- Ing. H R in S, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom , Zl. 405- 2/88/1/27-2018, betreffend Zurückweisung von Anträgen auf Maßnahmen nach dem IG-L bzw. der EU-Luftqualitätsrichtlinie (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landeshauptmann von Salzburg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Vorabentscheidungsansuchen der Rechtbank van eerste aanleg te Brussel (Belgien) vom , Craynest (Rechtssache C-723/17), vorgelegten Fragen ausgesetzt.
Begründung
1 Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Salzburg (LH) u.a. den Antrag des Revisionswerbers vom , "mit dem gefordert wird ‚Probenahmestellen in der Stadt Sbg. RL-konform zu errichten' damit die europaweite Vergleichbarkeit von Luftschadstoffbelastungen nicht unterlaufen bzw. Grenzwerte nicht ihres Sinns beraubt werden", ebenso zurück (Spruchpunkt I.c.) wie hinsichtlich NO2 dessen Antrag vom , "den für die Stadt Salzburg geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der in der Richtlinie und in der IG-Luft geregelten Grenzwerte für PM10/PM2,5/NO2 im Bereich meines Wohnsitzes, der Liegenschaft H.-weg 22 enthält" (Spruchpunkt II.a.).
2 Das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) wies die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis vom als unbegründet ab.
3 Zu Spruchpunkt I.c. des Bescheides des LH vom führte das LVwG begründend aus, dem Revisionswerber komme kein subjektiv-öffentliches Recht auf eine derartige Antragstellung zu. Abgesehen davon werde im Bundesland Salzburg ein entsprechendes Netz von Messstellen betrieben und habe der Amtssachverständige ausgeführt, dass die Trendmessstelle in der Stadt Salzburg am R.- platz den Standortkriterien gemäß den einschlägigen Richtlinien entspreche.
4 Zu Spruchpunkt II.a. des Bescheides des LH vom hielt das LVwG fest, der Revisionswerber wohne im Stadtgebiet von S. und im Nahbereich der A1. Zur Beurteilung der Messwerte seien daher die Ergebnisse der Messstellen des Gebietes, wo sich der Revisionswerber aufhalte, heranzuziehen. Die nächstgelegenen Messstellen wären demnach R.-platz und A1. Laut diesen Messstellen sei im Jahr 2016 der Jahresgrenzwert der EU-Richtlinie überschritten worden, weshalb auch eine unmittelbare Betroffenheit des Revisionswerbers vorgelegen sei. Der ursprüngliche Antrag des Revisionswerbers wegen Überschreitung des NO2-Grenzwertes wäre unter diesem Gesichtspunkt im Beurteilungszeitraum 2016 (laut Luftgütebericht 2016) zulässig gewesen. Um aussagekräftige Messdaten über eine mögliche Betroffenheit des Revisionswerbers zu erhalten, habe die zuständige Fachabteilung direkt auf dem Grundstück des Revisionswerbers und mit dessen Zustimmung und Abstimmung vom bis eine mobile Messstation zur Erhebung der NO2-Belastung betrieben. Zudem würden die Daten einer NO2-Langzeitbelastung auf dem Grundstück des Revisionswerbers seit mittels Passivsammler erhoben. Laut Auswertung dieser Messdaten sei der NO2-Mittelwert der Messstation (ca. 6 Monate betrieben) bei 39,2 µg/m3 und der NO2- Jahresmittelwert des Passivsammlers (für das Jahr 2017) bei 34,3 µg/m3 gelegen. Es sei daher zulässig, die am Aufenthaltsort des Revisionswerbers erhobenen Messergebnisse zur Beurteilung einer unmittelbaren Betroffenheit heranzuziehen. Der Beurteilungszeitraum sei in diesem Fall das gesamte Jahr 2017 gewesen, woraus auch eine aussagekräftige Beurteilung zum erhobenen Jahresmittelwert für eine NO2-Grenzwertüberschreitung gewonnen habe werden können. Aufgrund der Tatsache, dass die NO2- Monatsmittelwerte am H.-weg 22 um mehr als 20 % niedriger als an der autobahnnahen Messstelle Salzburg A1 gelegen seien, habe eine Überschreitung des EU-Grenzwertes für NO2 am H.-weg 22 für das Jahr 2017 ausgeschlossen werden können. Im Ergebnis habe eine unmittelbare Betroffenheit des Revisionswerbers bezüglich der Grenzwertüberschreitung von NO2 an der Wohnadresse nicht festgestellt werden können.
5 Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. 6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende
außerordentliche Revision, die zum einen ins Treffen führt, es sei aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere ) verfehlt, für die unmittelbare Betroffenheit von einer Grenzwertüberschreitung einer einzelnen natürlichen Person und damit deren Antragslegitimation (nach der EU-Luftqualitätsrichtlinie auf Erlassung/Ergänzung, Abänderung von Luftqualitätsplänen und Setzung konkreter Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität und Herabsetzung der Grenzwerte) nur auf Messdaten abzustellen, die auf Grund von Messungen unmittelbar bei der Wohn- und Grundstücksadresse gewonnen worden seien. Dies würde voraussetzen, dass sich der Revisionswerber ständig unmittelbar neben der Messeinrichtung auf seinem Grundstück aufhalte. Tatsächlich lebe und halte er sich im Stadtgebiet von Salzburg und im Nahbereich der A1 auf. Es wären daher weitere Messstellen miteinzubeziehen gewesen. Da der Luftgütebericht für das Jahr 2017 zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das LVwG noch nicht vorgelegen sei, wäre Beurteilungszeitraum das Jahr 2016 gewesen und hätte sich unter Einbeziehung der anderen Messstellen die unmittelbare Betroffenheit und damit Antragslegitimation des Revisionswerbers gezeigt.
7 Zum anderen fehle bislang Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwieweit dem Einzelnen das Recht zukomme, dass zur Kontrolle der Einhaltung der nach der EU-Luftqualitätsrichtlinie geforderten Nichtüberschreitung der Grenzwerte bzw. Alarmschwellen für den Schutz der menschlichen Gesundheit richtlinienkonforme Probenahmestellen/Messstellen vorlägen. Bei der Prüfung der unmittelbaren Betroffenheit seien alle relevanten Messstellen einzubeziehen und müssten diese Messstellen auch der EU-Luftqualitätsrichtlinie entsprechen.
8 Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Verfügung vom das Vorverfahren ein; der Landeshauptmann von Salzburg erstattete eine Revisionsbeantwortung; der Revisionswerber replizierte.
9 Der Verwaltungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass sich die außerordentliche Revision, jedenfalls insoweit sie die Frage aufwirft, ob aus der EU-Richtlinie ein durchsetzbares subjektives Recht auf Errichtung von dieser Richtlinie entsprechenden Probenahmestellen für den Einzelnen ableitbar ist und ihm daher ein entsprechendes Antragsrecht zukommt, als zulässig erweist.
10 Diese Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gleicht nun in den maßgeblichen Punkten den im Vorabentscheidungsansuchen der Rechtbank van eerste aanleg te Brussel (Belgien) vom , Craynest (Rechtssache C-723/17), aufgeworfenen Fragen:
"Sind die Art. 4 Abs. 3 und 19 Abs. 1 Unterabs. 2 des Vertrags über die Europäische Union in Verbindung mit Art. 288 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und den Art. 6 und 7 der Richtlinie 2008/50/EG vom über Luftqualität und saubere Luft für Europa1. dahin auszulegen, dass es, wenn angeführt wird, dass ein Mitgliedstaat die Probenahmestellen in einem Gebiet nicht im Einklang mit den in Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a des Anhangs III der Richtlinie genannten Kriterien eingerichtet habe, den nationalen Gerichten zusteht, auf Antrag Einzelner, die von der Überschreitung der in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie genannten Grenzwerte unmittelbar betroffen sind, zu prüfen, ob die Probenahmestellen im Einklang mit diesen Kriterien eingerichtet wurden, und, wenn dies nicht der Fall ist, gegenüber der nationalen Behörde alle erforderlichen Maßnahmen, wie etwa eine Anordnung, zu ergreifen, damit die Probenahmestellen im Einklang mit diesen Kriterien eingerichtet werden?
Wird ein Grenzwert im Sinne von Art. 13 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG vom über Luftqualität und saubere Luft für Europa schon dann überschritten, wenn eine Überschreitung eines Grenzwerts im Mittelungszeitraum eines Kalenderjahrs, wie in Anhang XI dieser Richtlinie vorgeschrieben, aufgrund der Messergebnisse nur einer Probenahmestelle im Sinne von Art. 7 der Richtlinie festgestellt wird, oder liegt eine solche Überschreitung nur dann vor, wenn sie sich aus dem Durchschnitt der Messergebnisse aller Probenahmestellen in einem bestimmten Gebiet im Sinne der Richtlinie ergibt?
1. Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. 2008, L 152, S. 1)."
11 Dieses Vorabentscheidungsersuchen langte am beim Gerichtshof der Europäischen Union ein (Rechtssache C-723/17).
12 Der Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt auch für die Behandlung der vorliegenden Revision Bedeutung zu. Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor.
13 Das gegenständliche Revisionsverfahren war daher bis zur Entscheidung über das genannte Vorabentscheidungsersuchen auszusetzen.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Dipl.-Ing. H R in S, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. 405-2/88/1/27-2018, betreffend Zurückweisung von Anträgen auf Maßnahmen nach dem IG-L bzw. der EU-Luftqualitätsrichtlinie (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landeshauptmann von Salzburg), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Spruchpunkte I.c. und II.a. des Bescheides des Landeshauptmanns von Salzburg vom wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Salzburg (LH) u.a. den Antrag des Revisionswerbers vom , "Probenahmestellen in der Stadt Sbg. RL-konform zu errichten, damit die europaweite Vergleichbarkeit von Luftschadstoffbelastungen nicht unterlaufen bzw. Grenzwerte nicht ihres Sinns beraubt werden", ebenso zurück (Spruchpunkt I.c.) wie dessen Antrag vom , "den für die Stadt Salzburg geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der in der Richtlinie und in der IG-Luft geregelten Grenzwerte für PM10/PM2,5/NO2 im Bereich meines Wohnsitzes, der Liegenschaft H-Weg ..., enthält" (Spruchpunkt II.a.).
2 Das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) wies die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis vom als unbegründet ab. 3 Zur Zurückweisung des Antrags auf Errichtung richtlinienkonformer Probeentnahmestellen (Spruchpunkt I.c. des Bescheides des LH vom ) führte das LVwG begründend aus, dem Revisionswerber komme kein subjektiv-öffentliches Recht auf eine derartige Antragstellung zu. Abgesehen davon werde im Bundesland Salzburg ein entsprechendes Netz von Messstellen betrieben und habe der Amtssachverständige ausgeführt, dass die Trendmessstelle in der Stadt Salzburg am Rudolfsplatz den Standortkriterien gemäß den einschlägigen Richtlinien entspreche. 4 Zur Zurückweisung des Antrags auf Änderung des für die Stadt Salzburg geltenden Luftreinhalteplans (Spruchpunkt II.a. des Bescheides des LH vom ) stellte das LVwG fest, der Revisionswerber wohne an der Adresse H-Weg in Salzburg und habe dort auch seinen Hauptwohnsitz amtlich gemeldet. Das Gebäude liege ca. 60 Meter südöstlich der Autobahn A1 (Bereich Anschlussstelle S). Festgestellt werde, dass mit Zustimmung des Revisionswerbers auf dessen Liegenschaft im Zeitraum vom bis eine mobile Messstation (Messwagen) betrieben und an dieser Messstelle die Luftqualität in Bezug auf PM2,5 Feinstaub sowie Stickstoffdioxid (NO2) gemessen worden sei. Zudem sei mit Zustimmung des Revisionswerbers auf dieser Liegenschaft am ein Passivsammler zur Erfassung der Langzeitbelastung von NO2 aufgestellt und in Betrieb genommen worden, wobei für den Messzeitraum im Jahr 2017 ein NO2- Jahresmittelwert von 34,3 µg/m3 gemessen worden sei. 5 Eine Überschreitung des EU-Grenzwertes für NO2 (40 µg/m3) am Grundstück H-Weg sei aufgrund der vorliegenden Messergebnisse (39,2 µg/m3) im Zeitraum vom bis nicht gegeben gewesen; der strengere Grenzwert des Bundesgesetzes zum Schutz vor Immissionen durch Luftschadstoffe (IG-L) von 35 µg/m3 sei zumindest in diesem Zeitraum aber überschritten worden. Aufgrund der Ergebnisse im Messbericht vom über die NO2-Passivsammlermessung am Standort H-Weg für das Jahr 2017 (NO2-Jahresmittelwert von 34,3 µg/m3) könne eine Überschreitung des EU-Grenzwertes (40 µg/m3) am H-Weg für diesen Messzeitraum (2017) ausgeschlossen werden; aufgrund der durchgeführten Messungen habe weiterhin ein leicht sinkender Trend der NO2-Belastung nachgewiesen werden können.
6 Festgestellt habe werden können, dass im September 2008 vom LH aufgrund der in der Vergangenheit aufgetretenen IG-L-Grenzwertüberschreitungen ein Luftreinhalteprogramm gemäß § 9a IG-L für den Salzburger Zentralraum erlassen, im Jahr 2012 evaluiert und im Jahr 2014 fortgeschrieben worden sei (Luftreinhalteprogramm 2013). Kernmaßnahme dieses Programms sei unter anderem die Einführung der Westautobahn-Geschwindigkeitsbeschränkungs-Verordnung ("flexibles Tempo-80- Limit") gewesen, die am in Kraft gesetzt worden sei. Die Evaluierung des Luftreinhalteprogramms 2013 sei im August 2017 veröffentlicht worden.
7 Was den Einwand des Revisionswerbers bezüglich der Verwendung der Passivsammler zur Messung der NO2-Belastung betreffe, so habe der Amtssachverständige für Immissionsschutz fundiert darlegen können, dass diese Messmethode geeignet sei, die NO2-Langzeitbelastung zu beurteilen. Die dabei ermittelte Messunsicherheit (Parallelmessung von Passivsammler mit der EU-Referenzmethode an vier Messstellen) sei im Jahr 2016 bei 11,2% gelegen. Damit sei das Kriterium gemäß der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Luftqualität und saubere Luft für Europa (Luftqualitäts-RL) von 15% für stationäre Messstationen bezüglich Datenqualität erfüllt.
8 Das Gericht erachte es auch als zulässig und schlüssig, dass der Amtssachverständige für Immissionsschutz in seinen Ausführungen zum Messbericht vom für den NO2- Passivsammler am H-Weg für das Jahr 2017 den erhobenen Jahresmittelwert für NO2 (34,3 µg/m3) in Relation zum Messwert für den Standort Salzburg A1 setze, weil die Röhrchen des Passivsammlers am H-Weg in den Monaten August und Dezember von unbekannten Personen mutwillig entfernt worden und somit die Datenverfügbarkeit für das Jahr 2017 bei 82% gelegen sei. Aufgrund der Tatsache, dass die NO2-Monatsmittelwerte am H Weg um mehr als 20% niedriger gelegen seien als an der autobahnnahen Messstelle Salzburg A1, sei auch die Schlussfolgerung des Amtssachverständigen, dass aufgrund der Messdaten des NO2- Passivsammlers eine Überschreitung des EU-Grenzwertes für NO2 am H-Weg ausgeschlossen werden könne, zutreffend.
9 Bezüglich der an der Adresse des Revisionswerbers vorherrschenden Windströmungsverhältnisse habe der Amtssachverständige in schlüssiger Weise und gestützt auf die Ergebnisse im Messbericht während der Luftgütemessung (Dezember 2016 bis Juni 2017) die gegebenen lokalen Windverhältnisse darlegen und mittels sogenannter Windrose graphisch darstellen können. Aus dieser Abbildung im Messbericht sei die lokal am Messstandort vorherrschende Hauptwindrichtung (NW) deutlich ersichtlich.
10 Bezüglich der wiederkehrenden Kritik des Revisionswerbers an der Messstelle Rudolfsplatz habe der Amtssachverständige für Immissionsschutz diese Kritikpunkte ausräumen können, in dem er ausgeführt habe, dass die "Hotspot"-Messstelle Rudolfsplatz seit 35 Jahren bestehe und seit 1982 wertvolle Trend-Daten für diesen verkehrsnahen Standort liefere. Dem Vorhandensein dieser langen Trendreihen werde auch in der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Messkonzept zum Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L-Messkonzept-Verordnung 2012) Rechnung getragen, die die Messstelle Rudolfsplatz in Anlage 3 als österreichische Trendmessstelle für die Komponenten PM10, PM2,5, NO2, CO, Benzol und Benzo(a)Pyren festgelegt habe. Der Amtssachverständige habe auch die gemäß Anlage 2 Teil III der IG-L-Messkonzept-Verordnung geregelte Abweichung von den lokalen Standortkriterien (zB. durch Messungen im Nahebereich, wo sich verstärkt Fußgänger aufhalten) plausibel begründen können.
11 Im Rahmen seiner rechtlichen Erwägungen wies das LVwG darauf hin, dass sich der C- 237/07, Janecek, und im Urteil vom , C-404/13, Client Earth, mit der Frage der Zulässigkeit eines Antrags eines Einzelnen mit dem Ziel der Verbesserung der Luftqualität auf der Rechtsgrundlage unionsrechtlicher Normen beschäftigt habe. 12 Bestehe ein Anspruch eines unmittelbar betroffenen Einzelnen auf die Anordnung erforderlicher Maßnahmen iSd § 10 Abs. 1 IG-L, die die Einhaltung von Grenzwerten sicherstellten, dann bestehe der Anspruch ungeachtet dessen, ob die Behörde gar keine oder nur unzureichende Schritte in diese Richtung gesetzt habe. Der Einzelne müsse sich gegebenenfalls damit begnügen, dass Maßnahmen gesetzt würden, die die Überschreitung des Grenzwertes nicht verhinderten, sondern (nur) so gering wie möglich hielten. Dieser inhaltliche Aspekt habe aber mit der Frage der Zulässigkeit eines Antrags auf Setzung von Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele (der Einhaltung der Emissionsgrenzwerte für Feinstaub in einem bestimmten Gebiet) nichts zu tun; ebenso der Umstand, dass die Behörde bereits Schritte zur Verbesserung der Luftqualität gesetzt habe.
13 Daraus folge auch im vorliegenden Fall, dass natürliche Personen wie der Revisionswerber, wenn er unmittelbar von der Überschreitung der Grenzwerte betroffen sei, bei den nationalen Behörden erwirken können müsse, dass ein Luftqualitätsplan im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Luftqualitäts-RL erstellt werde, wenn durch die Behörde die Einhaltung der sich aus Art. 13 Abs. 1 Unterabsatz 1 in Verbindung mit Anhang XI der Luftqualitäts-RL ergebenden Anforderungen nicht gewährleistet worden und es auch zu keiner Fristverlängerung nach Art. 22 der Luftqualitäts-RL gekommen sei. Für die Zulässigkeit eines Antrags auf Erstellung oder Ergänzung eines Luftqualitätsplans sei demnach Voraussetzung, dass keine Fristverlängerung nach Art. 22 der Luftqualitäts-RL vorliege, weil diesfalls Grenzwerte (noch) nicht einzuhalten wären; liege aber keine Fristverlängerung vor, sei es für die Zulässigkeit eines Antrags notwendig, dass die Grenzwerte überschritten worden und die antragstellenden Parteien unmittelbar von dieser Überschreitung betroffen seien. Eine Fristverlängerung nach Art. 22 der Luftqualitäts-RL liege im gegenständlichen Fall nicht vor.
14 Eine weitere Voraussetzung für die Ableitung und Durchsetzung eines subjektiven Rechts auf Erlassung oder Ergänzung eines Luftqualitätsplans sei die unmittelbare Betroffenheit des Antragstellers durch die Nichteinhaltung der Grenzwerte. Darauf habe bereits der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2010/07/0161, hingewiesen.
15 Die unmittelbare Betroffenheit habe einen räumlichen und einen zeitlichen Aspekt. Unstrittig sei, dass der Revisionswerber nicht nur vorübergehend an der Adresse H-Weg in Salzburg lebe. Angesichts dessen erschienen die Messwerte jedenfalls in der Nähe des Wohnorts relevant. Im konkreten Fall seien mit Zustimmung des Revisionswerbers auf dessen Grundstück eine mobile Messstation errichtet sowie Passivsammler aufgestellt worden, weshalb auch die Ergebnisse dieser relevanten Messstelle für dieses Verfahren herangezogen werden könnten.
16 Für NO2 seien die Grenzwerte als Jahresmittelwerte (JMW) relevant. Für die Beurteilung seien zum einen die JMW für das Jahr 2016 (siehe Luftgütebericht 2016) und zusätzlich die Ergebnisse der Messung der mobilen Messstation sowie des NO2- Passivsammlers am H-Weg für das Jahr 2017 herangezogen worden. 17 Der Revisionswerber wohne im Stadtgebiet von Salzburg und im Nahebereich der A1. Zur Beurteilung der Messwerte seien daher die Ergebnisse der Messstellen des Gebietes, wo sich der Revisionswerber aufhalte, heranzuziehen. Die nächstgelegenen Messstellen wären demnach Rudolfsplatz und A1. Laut diesen Messstellen sei im Jahr 2016 der Jahresgrenzwert der EU-Richtlinie überschritten worden, weshalb auch eine unmittelbare Betroffenheit des Revisionswerbers vorgelegen sei. Der ursprüngliche Antrag des Revisionswerbers wegen Überschreitung des NO2-Grenzwertes wäre im Beurteilungszeitraum 2016 (laut Luftgütebericht 2016) unter diesem Gesichtspunkt zulässig gewesen. Um aussagekräftige Messdaten über eine mögliche Betroffenheit des Revisionswerbers zu erhalten, habe die zuständige Fachabteilung beim Amt der Salzburger Landesregierung direkt am Grundstück des Revisionswerbers und mit dessen Zustimmung und Abstimmung eine mobile Messstation zur Erhebung ua der NO2-Belastung betrieben. Zudem würden seit auf dem Grundstück des Revisionswerbers die Daten einer NO2-Langzeitbelastung mittels Passivsammler erhoben. Laut Auswertung dieser Messdaten sei der NO2-Mittelwert der Messstation (ca. 6 Monate betrieben) bei 39,2 µg/m3 und der NO2- Jahresmittelwert des Passivsammlers (für das Jahr 2017) bei 34,3 µg/m3 gelegen. Es sei daher zulässig, zur Beurteilung einer unmittelbaren Betroffenheit die erhobenen Messergebnisse am Aufenthaltsort des Revisionswerbers heranzuziehen. Der Beurteilungszeitraum sei in diesem Fall das gesamte Jahr 2017 gewesen, woraus auch eine aussagekräftige Beurteilung zum erhobenen Jahresmittelwert (JMW) für eine NO2- Grenzwertüberschreitung gewonnen habe werden können. Aufgrund der Tatsache, dass die NO2-Monatsmittelwerte am H-Weg um mehr als 20% niedriger gelegen seien als an der autobahnnahen Messstelle Salzburg A1, habe aufgrund der Messdaten des NO2-Passivsammlers eine Überschreitung des EU-Grenzwertes für NO2 am H-Weg für das Jahr 2017 ausgeschlossen werden können.
18 Zum Einwand des Revisionswerbers, dass die NO2-Messung am H-Weg mit festgestellten 39,2 µg/m3 (6 Monatswert) lediglich eine geringe Unterschreitung des EU-Grenzwertes darstelle und dieses Ergebnis bereits durch geringe Änderungen verschiedener Einflussfaktoren abgeändert werden könne, weise das Gericht darauf hin, dass zwar auch eine "knappe" oder "nur teilweise" Überschreitung eines Grenzwertes eine Überschreitung darstelle und die Verpflichtungen des Art. 23 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Luftqualitäts-RL auslöse, jedoch im Umkehrschluss auch eine "knappe" Unterschreitung eine solche Verpflichtung eben nicht auszulösen vermöge. Im Übrigen habe durch den Messbericht zur NO2- Passivsammlermessung für das Jahr 2017 belegt werden können, dass der EU-Grenzwert (40 µg/m3) deutlich und der IG-L-Grenzwert (35 µg/m3) gering unterschritten worden sei. 19 Im Ergebnis habe eine unmittelbare Betroffenheit des Revisionswerbers bezüglich Grenzwertüberschreitungen von NO2 an der Wohnadresse H-Weg nicht festgestellt werden können, weshalb auch die Zurückweisung des Antrags bezüglich Grenzwertüberschreitungen von NO2 (Spruchpunkt II.a.) durch die belangte Behörde zu Recht erfolgt sei.
20 Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass wegen der Relevanz der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auch der Fall eintreten könne, dass ein ursprünglich zulässiger Antrag durch eine Änderung der Sachlage unzulässig werde und zurückgewiesen werden müsse. 21 Wie sich aus den Messergebnissen am Wohnort des Revisionswerbers ableiten lasse, seien die Maßnahmen des Luftreinhalteplans derart erfolgreich gewesen, dass die Grenzwerte im unmittelbaren Aufenthaltsbereich des Revisionswerbers eingehalten worden seien, weshalb es dem Antragsteller an der unmittelbaren Betroffenheit fehlte, woraus sich wiederum die Unzulässigkeit seiner Anträge ergeben habe.
22 Die ordentliche Revision wurde mit Formelbegründung nicht zugelassen.
23 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zum einen ins Treffen führt, es sei aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere ) verfehlt, für die unmittelbare Betroffenheit von einer Grenzwertüberschreitung einer einzelnen natürlichen Person und damit deren Antragslegitimation (nach der EU-Luftqualitätsrichtlinie auf Erlassung/Ergänzung, Abänderung von Luftqualitätsplänen und Setzung konkreter Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität und Herabsetzung der Grenzwerte) nur auf Messdaten abzustellen, die auf Grund von Messungen unmittelbar bei der Wohn- und Grundstücksadresse gewonnen worden seien. Dies würde voraussetzen, dass sich der Revisionswerber ständig unmittelbar neben der Messeinrichtung auf seinem Grundstück aufhalte. Tatsächlich lebe und halte er sich im Stadtgebiet von Salzburg und im Nahbereich der A1 auf. Es wären daher weitere Messstellen miteinzubeziehen gewesen. Da der Luftgütebericht für das Jahr 2017 zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das LVwG noch nicht vorgelegen sei, wäre Beurteilungszeitraum das Jahr 2016 gewesen und hätte sich unter Einbeziehung der anderen Messstellen die unmittelbare Betroffenheit und damit Antragslegitimation des Revisionswerbers gezeigt.
24 Zum anderen fehle bislang Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwieweit dem Einzelnen das Recht zukomme, dass zur Kontrolle der Einhaltung der nach der EU-Luftqualitätsrichtlinie geforderten Nichtüberschreitung der Grenzwerte bzw. Alarmschwellen für den Schutz der menschlichen Gesundheit richtlinienkonforme Probenahmestellen/Messstellen vorlägen. Bei der Prüfung der unmittelbaren Betroffenheit seien alle relevanten Messstellen einzubeziehen und daher müssten diese Messstellen auch der EU-Luftqualitätsrichtlinie entsprechen. 25 Der LH erstattete eine Revisionsbeantwortung; der Revisionswerber replizierte und legte der Replik den zwischenzeitig veröffentlichten Luftgüte-Jahresbericht 2017 bei. 26 Mit Beschluss vom setzte der Verwaltungsgerichtshof das gegenständliche Revisionsverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Fall Craynest (Rs C-723/17) aus, weil eine der geltend gemachten Rechtsfragen des Revisionswerbers in den maßgeblichen Punkten der ersten in diesem Vorabentscheidungsansuche n (der Rechtbank van eerste aanleg te Brussel) vom aufgeworfenen Frage glich.
27 Mit Urteil vom , C-723/17 (Craynest), entschied der EuGH über die ihm vorgelegten Fragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
28 1. Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der Luftqualitäts-RL haben folgenden Wortlaut:
"Artikel 6
Beurteilungskriterien
(1) Die Mitgliedstaaten beurteilen die Luftqualität in Bezug auf die in Artikel 5 genannten Schadstoffe in allen ihren Gebieten und Ballungsräumen anhand der in den Absätzen 2, 3 und 4 sowie in Anhang III festgelegten Kriterien.
(2) In allen Gebieten und Ballungsräumen, in denen der Wert der in Absatz 1 genannten Schadstoffe die für diese Schadstoffe festgelegte obere Beurteilungsschwelle überschreitet, sind zur Beurteilung der Luftqualität ortsfeste Messungen durchzuführen. Über diese ortsfesten Messungen hinaus können Modellrechnungen und/oder orientierende Messungen durchgeführt werden, um angemessene Informationen über die räumliche Verteilung der Luftqualität zu erhalten.
(3) In allen Gebieten und Ballungsräumen, in denen der Wert der in Absatz 1 genannten Schadstoffe die für diese Schadstoffe festgelegte obere Beurteilungsschwelle unterschreitet, kann zur Beurteilung der Luftqualität eine Kombination von ortsfesten Messungen und Modellrechnungen und/oder orientierenden Messungen angewandt werden.
(4) In allen Gebieten und Ballungsräumen, in denen der Wert der in Absatz 1 genannten Schadstoffe die für diese Schadstoffe festgelegte untere Beurteilungsschwelle unterschreitet, genügen zur Beurteilung der Luftqualität Modellrechnungen, Techniken der objektiven Schätzung oder beides.
(5) ...
Artikel 7
Probenahmestellen
(1) Für die Festlegung des Standorts von Probenahmestellen zur Messung von Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxiden, Partikeln (PM10, PM2,5), Blei, Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft gelten die Kriterien des Anhangs III.
(2) In Gebieten und Ballungsräumen, in denen ortsfeste Messungen die einzige Informationsquelle für die Beurteilung der Luftqualität darstellen, darf die Anzahl der Probenahmestellen für jeden relevanten Schadstoff nicht unter der in Anhang V Abschnitt A festgelegten Mindestanzahl von Probenahmestellen liegen.
(3) Für Gebiete und Ballungsräume, in denen die Informationen aus Probenahmestellen für ortsfeste Messungen durch solche aus Modellrechnungen und/oder orientierenden Messungen ergänzt werden, kann die in Anhang V Abschnitt A festgelegte Gesamtzahl der Probenahmestellen um bis zu 50 % verringert werden, sofern
a) die zusätzlichen Methoden ausreichende Informationen für die Beurteilung der Luftqualität in Bezug auf Grenzwerte und Alarmschwellen sowie angemessene Informationen für die Öffentlichkeit liefern;
b) die Zahl der einzurichtenden Probenahmestellen und die räumliche Auflösung anderer Techniken ausreichen, um bei der Ermittlung der Konzentration des relevanten Schadstoffs die in Anhang I Abschnitt A festgelegten Datenqualitätsziele zu erreichen, und Beurteilungsergebnisse ermöglichen, die den in Anhang I Abschnitt B festgelegten Kriterien entsprechen. Die Ergebnisse von Modellrechnungen und/oder orientierenden Messungen werden bei der Beurteilung der Luftqualität in Bezug auf die Grenzwerte berücksichtigt.
(4) Die Anwendung der Kriterien für die Auswahl der Probenahmestellen in den Mitgliedstaaten wird von der Kommission überwacht, um die harmonisierte Anwendung dieser Kriterien in der gesamten Europäischen Union zu erleichtern.
Artikel 13
Grenzwerte und Alarmschwellen für den Schutz der menschlichen
Gesundheit
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für Schwefeldioxid, PM10, Blei und Kohlenmonoxid in der Luft die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten.
Die in Anhang XI festgelegten Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Benzol dürfen von dem dort festgelegten Zeitpunkt an nicht mehr überschritten werden.
Die Einhaltung dieser Anforderungen wird nach Anhang III beurteilt.
Die in Anhang XI festgelegten Toleranzmargen sind gemäß
Artikel 22 Absatz 3 und Artikel 23 Absatz 1 anzuwenden.
(2) Die Alarmschwellen für die Schwefeldioxid- und Stickstoffdioxidkonzentrationen in der Luft sind in Anhang XII Abschnitt A festgelegt.
Artikel 23
Luftqualitätspläne
(1) Überschreiten in bestimmten Gebieten oder Ballungsräumen die Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert oder Zielwert zuzüglich einer jeweils dafür geltenden Toleranzmarge, sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass für diese Gebiete oder Ballungsräume Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden in den Anhängen XI und XIV festgelegten Grenzwerte oder Zielwerte einzuhalten.
Im Falle der Überschreitung dieser Grenzwerte, für die die Frist für die Erreichung bereits verstrichen ist, enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann. Die genannten Pläne können zusätzlich gezielte Maßnahmen zum Schutz empfindlicher Bevölkerungsgruppen, einschließlich Maßnahmen zum Schutz von Kindern, vorsehen.
Diese Luftqualitätspläne müssen mindestens die in Anhang XV Abschnitt A aufgeführten Angaben umfassen und können Maßnahmen gemäß Artikel 24 umfassen. Diese Pläne sind der Kommission unverzüglich, spätestens jedoch zwei Jahre nach Ende des Jahres, in dem die erste Überschreitung festgestellt wurde, zu übermitteln.
Müssen für mehrere Schadstoffe Luftqualitätspläne ausgearbeitet oder durchgeführt werden, so arbeiten die Mitgliedstaaten gegebenenfalls für alle betreffenden Schadstoffe integrierte Luftqualitätspläne aus und führen sie durch.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen, soweit machbar, die Übereinstimmung mit anderen Plänen sicher, die aufgrund der Richtlinie 2001/80/EG, der Richtlinie 2001/81/EG oder der Richtlinie 2002/49/EG zu erstellen sind, um die entsprechenden Umweltziele zu erreichen."
29 Anhang III der Luftqualitäts-RL legt zahlreiche Kriterien für die Beurteilung der Luftqualität und die Lage der Probenahmestellen für Messungen ua von NO2 fest. Anhang V der Luftqualitäts-RL nennt detailliert Kriterien für die Festlegung der Mindestzahl der Probenahmestellen für ortsfeste Messungen der Konzentration ua von NO2.
30 § 9a IG-L lautet auszugsweise:
"Erstellung von Programmen
§ 9a. (1) Zur Erreichung der Ziele dieses Bundesgesetzes (§ 1) hat der Landeshauptmann unter Bedachtnahme auf nationale Programme gemäß § 6 des Emissionshöchstmengengesetzes -Luft, BGBl. I Nr. 34/2003, Pläne und Programme gemäß § 13 des Ozongesetzes, BGBl. Nr. 210/1992 und erarbeiteten Maßnahmen gemäß § 3 des Klimaschutzgesetzes, BGBl. I Nr. 106/2011, sowie unter Nutzung von Synergieeffekten mit lokalen, regionalen und bundesweiten Energie- und Klimaschutzmaßnahmen
1. auf Grundlage der Statuserhebung (§ 8) und eines allenfalls erstellten Emissionskatasters (§ 9),
2. unter Berücksichtigung der Stellungnahmen gemäß § 8 Abs. 5 und 6,
unter Berücksichtigung der Grundsätze gemäß § 9b,
unter Heranziehung der Zeitpunkte, bis zu denen die Grenz- und Zielwerte gemäß der Richtlinie 2008/50/EG eingehalten werden müssen und
5. auf Grundlage des Programms für die Erreichung des nationalen Ziels für die Reduzierung des AEI gemäß § 19
ein Programm zu erstellen. Darin sind jene Maßnahmen festzulegen, die ergriffen werden, um die Emissionen, die zur Überschreitung des Immissionsgrenzwerts gemäß Anlage 1 oder 2 oder einer Verordnung nach § 3 Abs. 5 oder des AEI geführt haben, in einem Ausmaß zu reduzieren, dass die Einhaltung folgender Grenzwerte,
...
des um 10 µg/m3 erhöhten Jahresmittelwertes für Stickstoffdioxid gemäß Anlage 1a,
...
des Halbstundenmittelwertes für Stickstoffdioxid gemäß Anlage 1a,
...
gewährleistet wird oder im Fall des § 8 Abs. 1a der Verpflichtung in Bezug auf den AEI nachgekommen wird. Bei Überschreitung des AEI hat der Landeshauptmann Maßnahmen festzulegen, die in dem Programm gemäß § 19 enthalten sind. ...
(3) Das Programm kann insbesondere folgende Maßnahmen umfassen:
Maßnahmen gemäß Abschnitt 4,
Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Beschaffung,
Förderungsmaßnahmen im Bereich von Anlagen, Haushalten und Verkehr für emissionsarme Technologien und Verhaltensweisen, die Emissionen reduzieren,
Maßnahmen hinsichtlich des Betriebs von mobilen Motoren,
Maßnahmen zur Optimierung des Winterdienstes und
sonstige Maßnahmen in der Zuständigkeit des Bundes.
Im Programm sind für jede Maßnahme das Gebiet, in dem sie gilt, sowie eine Umsetzungsfrist festzulegen. In das Programm sind Angaben gemäß Anhang XV Z 7 bis 9 der Richtlinie 2008/50/EG aufzunehmen. Im Programm ist die Auswahl der festgelegten Maßnahmen zu begründen. Weiters ist in einem Anhang zum Programm auf im selbständigen Wirkungsbereich der Länder und Gemeinden getroffene Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen jener Schadstoffe, für die das Programm erstellt wird, zu verweisen.
(4) Wenn hinsichtlich mehrerer der in Anlage 1 und 2 oder einer Verordnung gemäß § 3 Abs. 5 genannten Schadstoffe eine Grenzwertüberschreitung vorliegt, kann der Landeshauptmann ein integriertes Programm für alle betroffenen Schadstoffe erstellen. Dies gilt sinngemäß für Programme gemäß Abs. 2. Programme für PM10 müssen auch auf die Verringerung der PM2,5-Konzentration abzielen.
(5) ...
(6) Das Programm ist alle drei Jahre insbesondere in Bezug auf seine Wirksamkeit zur Erreichung der Ziele dieses Bundesgesetzes zu evaluieren und erforderlichenfalls zu überarbeiten.
(7) ...
(8) Das Programm ist spätestens 21 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem die Grenz- oder Zielwertüberschreitung gemessen oder die Überschreitung des AEI durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ausgewiesen wurde, auf der Internetseite des Landes und auf der Internetseite des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kundzumachen. Der Landeshauptmann bzw. der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in den Fällen des Abs. 7 hat die Informationen über das Programm gemäß den Bestimmungen der Richtlinie 2008/50/EG zu erstellen. Diese Informationen sind vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gesammelt gemäß den Bestimmungen der Richtlinie 2008/50/EG an die Europäische Kommission zu übermitteln.
..."
31 2. Mit der für die Zulässigkeit eines Antrags auf Abänderung des Luftgüteplanes notwendigen unmittelbaren Betroffenheit des Antragstellers beschäftigt sich die erste Rechtsfrage der vorliegenden Revision. Sie richtet sich gegen die Bestätigung des Spruchpunktes II.a. des Bescheides des LH durch das LVwG; dies unter Hinweis auf den durch das LVwG zu eng verstandenen örtlichen Aspekt der unmittelbaren Betroffenheit und auf die deshalb unrichtig herangezogene zeitliche Komponente dieser Beurteilung.
32 2.1. Vorauszuschicken ist, dass aus den im , Client Earth, unter Hinweis auf das Urteil Janecek (vom , C-237/07) näher dargelegten Gründen für die Einhaltung des Grenzwertes von NO2 gilt, dass es dem zwingenden Charakter der Luftqualitäts-RL widerspräche, wenn es grundsätzlich ausgeschlossen wäre, dass eine mit ihr auferlegte Verpflichtung von den betroffenen Personen auch geltend gemacht werden kann. Natürliche Personen, die unmittelbar von der Überschreitung der Grenzwerte betroffen sind, müssen bei den nationalen Behörden erwirken können, dass ein Luftqualitätsplan im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Luftqualitäts-RL erstellt wird, wenn durch die Behörde die Einhaltung der sich aus Art. 13 Abs. 1 Unterabsatz 1 in Verbindung mit Anhang XI der Luftqualitäts-RL ergebenden Anforderungen nicht gewährleistet wurde und es auch zu keiner Fristverlängerung nach Art. 22 der Luftqualitäts-RL gekommen ist.
33 Unstrittig liegt eine solche Fristverlängerung nicht vor. Damit ist es für die Zulässigkeit eines Antrags auf Abänderung eines Luftqualitätsplanes notwendig - wie auch das LVwG zutreffend erkannte -, dass die Grenzwerte überschritten werden und die antragstellende Partei unmittelbar von dieser Überschreitung betroffen ist.
34 2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom , Ro 2014/07/0096, mit der Frage der unmittelbaren Betroffenheit als Voraussetzung für die Antragsbefugnis näher beschäftigt und ausgeführt, dass dann, wenn Grenzwerte in einem Gebiet überschritten würden, alle in diesem Gebiet lebenden Personen unmittelbar davon betroffen seien. Für die Annahme eines Unterschieds zwischen dem Interesse einzelner Betroffener an der Luftqualität gegenüber dem der "Allgemeinheit" bestehe - generell gesprochen - keine erkennbare Rechtsgrundlage. Dass es einer "besonderen Betroffenheit" einer antragstellenden Partei im Gegensatz zur Allgemeinheit bedürfte, um die Einhaltung von Grenzwerten im Sinn des Art. 13 Abs. 1 der Luftqualitäts-RL als subjektives Recht geltend machen zu können, sei weder dieser Richtlinie noch der Rechtsprechung des EuGH oder des Verwaltungsgerichtshofes zu entnehmen.
35 Die unmittelbare Betroffenheit habe einen räumlichen und einen zeitlichen Aspekt. Unstrittig sei, dass die damals revisionswerbenden Parteien nicht nur vorübergehend in ihrem Wohnort lebten und arbeiteten und auch dort ihre sozialen Kontakte pflegten. Angesichts dessen erschienen die Messwerte jedenfalls in der Nähe des Wohnorts und des Arbeitsplatzes relevant. Der zeitliche Bezug der Beurteilung der Betroffenheit lasse sich aus dem Umstand ableiten, dass sich die Grenzwerte für die Überschreitungstage auf das Kalenderjahr bezögen. Dies setze einen Überblick über ein Kalenderjahr voraus, um beurteilen zu können, ob eine Überschreitung vorliege oder nicht.
36 2.3. Das LVwG bezog sich bei der Beurteilung der örtlichen Komponente der unmittelbaren Betroffenheit des Revisionswerbers im angefochtenen Erkenntnis letztlich lediglich auf die Situation an seiner Wohnadresse ("im unmittelbaren Aufenthaltsbereich"). 37 Der LH verwies in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass der Antrag des Revisionswerbers ausdrücklich auf die Verbesserung der Luftqualität nur an seiner Wohnadresse am H-Weg gerichtet gewesen sei, es also deshalb auch nur auf die dortige Situation ankommen könne.
38 Der LH übersieht damit aber, dass der Revisionswerber für eine erfolgreiche Antragstellung seine konkrete persönliche Betroffenheit zu behaupten hat (siehe auch dazu das mehrfach zitierte hg. Erkenntnis Ro 2014/07/0096), was fallbezogen durch die Nennung des Mittelpunkts seiner Lebensinteressen erfolgt ist. Andernfalls wäre er Gefahr gelaufen, sich die mangelnde Konkretheit der Auswirkungen auf ihn selbst vorwerfen lassen zu müssen (vgl. in diesem Sinn ). Dass es ihm nicht isoliert um eine punktuelle Verbesserung der Luftqualität allein auf seiner Liegenschaft ging, ergibt sich auch aus der Begründung des Antrags und aus dem weiteren Verfahrensgang.
39 Das LVwG ging auch nicht von einem derart eingeschränkten Antragsverständnis aus; die (implizite) Annahme des LVwG, es gehe dem Revisionswerber nicht nur um die isolierte Verbesserung der Luftqualität auf seiner Liegenschaft am H-Weg, sondern um die Verbesserung der Situation zumindest auch im Gebiet rund um seinen Wohnsitz, ist nicht zu beanstanden.
40 2.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis Ro 2014/07/0096 für den örtlichen Aspekt der unmittelbaren Betroffenheit ausdrücklich nicht nur auf den Wohnsitz der damals revisionswerbenden Parteien abgestellt, sondern auch auf den Arbeitsplatz und auf die Pflege der sozialen Kontakte im Wohnort. Dies deshalb, weil es bei der Gewährleistung guter Luftqualität vorrangig um die Gesundheit der gesamten Bevölkerung eines Gebietes geht. Die dort lebenden Menschen halten sich aber in der Regel nicht nur an ihrer Wohnadresse auf. Die Orte des Wohnens, des Arbeitens und der regelmäßigen Pflege der sozialen Kontakte am Wohnort stellen das örtliche Umfeld dar, in dem sich Menschen typischerweise im Alltag bewegen, wo sie sich regelmäßig aufhalten; diese drei Komponenten grenzen daher in der Regel das Gebiet ab, in dem ihre unmittelbare Betroffenheit zu bewerten ist. 41 Dies hat das LVwG eingangs seiner Begründung auch zutreffend erkannt, wenn es ausführte, dass - angesichts dessen, dass der Revisionswerber im Stadtgebiet von Salzburg und im Nahebereich der A1 wohne - zur Beurteilung der Messwerte daher die Ergebnisse der Messstellen des "Gebietes, wo sich der Revisionswerber aufhält", heranzuziehen seien, wobei die nächstgelegenen Messstellen Rudolfsplatz und A1 wären. Dies hätte - angesichts der vorgelegenen Daten für das Jahr 2016 - zu einer Beurteilung als von der Überschreitung der Grenzwerte Betroffener geführt.
42 Letztlich wechselte das LVwG aber in seiner Begründung auf die Beurteilung nur mehr der Messwerte am Wohnsitz des Revisionswerbers am H-Weg ("unmittelbarer Aufenthaltsbereich"). Dies entgegen der einleitenden Begründung im Erkenntnis, wonach "auch" die Ergebnisse dieser relevanten Messstellen (gemeint: am Grundstück des Revisionswerbers) berücksichtigt werden könnten. Das Abstellen lediglich auf singuläre Messwerte an der Wohnadresse des Betroffenen greift aber - von denkmöglichen Ausnahmen abgesehen, die hier offenkundig nicht vorliegen, wie etwa in Fällen zwingender Ortsgebundenheit - nach dem Obgesagten in der Regel zu kurz.
43 Damit entstünde zudem letztlich wieder der Anspruch an einen Antragsteller, eine besondere Betroffenheit (nämlich punktuell an seiner Wohnadresse) durch die schlechte Luftqualität nachweisen zu müssen. Einer solchen Forderung nach einer "besonderen Betroffenheit" einer antragstellenden Partei im Gegensatz zur Allgemeinheit als Voraussetzung dafür, um die Einhaltung von Grenzwerten im Sinn des Art. 13 Abs. 1 der Luftqualitäts-RL als subjektives Recht geltend machen zu können, wurde aber bereits mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2014/07/0096, eine Absage erteilt. 44 Es ist nicht erkennbar, weshalb die obgenannten beiden Messstellen - ungeachtet der zusätzlich zu berücksichtigenden Messung der Werte auch direkt am Grundstück des Revisionswerbers - nicht weiterhin für die Beurteilung der unmittelbaren Betroffenheit des Revisionswerbers relevant sein sollten. Für diese Messstellen lagen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses aber noch keine abschließenden Daten für das Jahr 2017 vor, weil der Luftgüte-Jahresbericht 2017 für diesen Bereich noch nicht veröffentlicht worden war. Das LVwG hätte daher diesbezüglich die Daten des Jahres 2016 heranzuziehen gehabt, die - wie es selbst feststellte - Überschreitungen der Grenzwerte an diesen Messstellen aufwiesen. Der Antrag des Revisionswerbers hätte sich daher als zulässig erwiesen. 45 2.5. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher im Umfang der Bestätigung des Spruchpunktes II.a. des Bescheides des LH vom als inhaltlich rechtswidrig.
46 3. Als weitere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung warf der Revisionswerber die Frage auf, ob einem Einzelnen das Recht zukomme, die Errichtung von richtlinienkonformen Probenahmestellen/Messstellen zur Kontrolle der Einhaltung der nach der Luftqualitäts-RL vorgeschriebenen Grenzwerte bzw. Alarmschwellen zu fordern.
47 3.1. Der darauf gerichtete Antrag des Revisionswerbers war im Rechtszug mangels eines bestehenden subjektiv-öffentlichen Rechts auf eine derartige Antragstellung zurückgewiesen worden. Gegenstand dieser Entscheidung war daher allein die Frage der Zulässigkeit einer solchen Antragstellung; die Frage, ob die vorhandenen Probenahmestellen/Messstellen ihrerseits den Anforderungen der Luftqualitäts-Richtlinie entsprechen oder nicht, war hingegen nicht zu beantworten.
48 3.2. Zur Zulässigkeit einer solchen Antragstellung erging in einem vergleichbaren Fall das (Craynest). Der EuGH erkannte darin (zur ersten ihm vorgelegten Frage) zu Recht:
"1. Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 288 Abs. 3 AEUV sowie die Art. 6 und 7 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Luftqualität und saubere Luft für Europa sind dahin auszulegen, dass es einem nationalen Gericht zusteht, auf Antrag Einzelner, die von der Überschreitung der in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie genannten Grenzwerte unmittelbar betroffen sind, zu prüfen, ob die Probenahmestellen in einem bestimmten Gebiet im Einklang mit den in Anhang III Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie vorgesehenen Kriterien eingerichtet wurden, und, wenn dies nicht der Fall ist, gegenüber der zuständigen nationalen Behörde alle erforderlichen Maßnahmen wie etwa - sofern im nationalen Recht vorgesehen - eine Anordnung zu treffen, damit die Probenahmestellen im Einklang mit diesen Kriterien eingerichtet werden.
2. ..."
49 Der EuGH begründete dies (auszugsweise) folgendermaßen:
"31 Nach ständiger Rechtsprechung haben die Gerichte der Mitgliedstaaten gemäß dem in Art. 4 Abs. 3 EUV aufgestellten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit den gerichtlichen Schutz der Rechte zu gewährleisten, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen. Mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV wird den Mitgliedstaaten überdies aufgegeben, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist (Urteil vom , ClientEarth, C-404/13, EU:C:2014:2382, Rn. 52).
32 Außerdem wäre es, wie der Gerichtshof wiederholt hervorgehoben hat, mit dem zwingenden Charakter, den Art. 288 AEUV der Richtlinie 2008/50 verleiht, unvereinbar, grundsätzlich auszuschließen, dass eine mit ihr auferlegte Verpflichtung von den Betroffenen geltend gemacht werden kann. Diese Überlegung gilt in besonderem Maß für eine Richtlinie, die eine Eindämmung und Reduzierung der Luftverschmutzung und damit den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezweckt (Urteile vom , Janecek, C-237/07, EU:C:2008:447, Rn. 37, und vom , ClientEarth, C-404/13, EU:C:2014:2382, Rn. 55).
33 Wie die Generalanwältin im Wesentlichen in Nr. 53 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, konkretisieren die mit der Richtlinie 2008/50 eingeführten Regelungen über die Qualität der Umgebungsluft die Schutzpflichten der Union im Bereich des Schutzes der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit, die u. a. aus Art. 3 Abs. 3 EUV und Art. 191 Abs. 1 und 2 AEUV folgen, wonach die Umweltpolitik der Union unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Union auf ein hohes Schutzniveau abzielt und u. a. auf den Grundsätzen der Vorsorge und der Vorbeugung beruht (Urteil vom , Turkevei Tejtermelö Kft., C-129/16, EU:C:2017:547).
34 Insbesondere in Fällen, in denen der Unionsgesetzgeber die Mitgliedstaaten durch eine Richtlinie zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, würde die praktische Wirksamkeit einer solchen Maßnahme abgeschwächt, wenn die Bürger sich vor Gericht hierauf nicht berufen und die nationalen Gerichte sie nicht als Bestandteil des Unionsrechts berücksichtigen könnten, um zu prüfen, ob der nationale Gesetzgeber im Rahmen der ihm vorbehaltenen Befugnis, Form und Mittel für die Umsetzung der Richtlinie zu wählen, innerhalb des in der Richtlinie vorgesehenen Ermessensspielraums geblieben ist (Urteil vom , Kraaijeveld u. a., C-72/95, EU:C:1996:404, Rn. 56).
35 Die Richtlinie 2008/50 enthält detaillierte Regelungen für die Einrichtung und die Standorte von Probenahmestellen, die es erlauben, die Luftqualität in den von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 der Richtlinie festgelegten Gebieten und Ballungsräumen zu messen.
...
42 Einige der in den vorstehenden Randnummern des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen der Richtlinie 2008/50 enthalten Verpflichtungen, die klar, präzise und nicht an Bedingungen geknüpft sind, so dass sich Einzelpersonen gegenüber dem Staat auf sie berufen können.
43 Dies gilt insbesondere für die in Anhang III Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie 2008/50 vorgesehene Verpflichtung, Probenahmestellen so einzurichten, dass sie Informationen über die Verschmutzung der am stärksten belasteten Orte liefern, oder für die Verpflichtung, wenigstens die in Anhang V der Richtlinie festgelegte Mindestzahl von Probenahmestellen zu installieren. Es ist Sache der nationalen Gerichte, die Einhaltung dieser Verpflichtungen zu überprüfen.
44 Es trifft zwar zu, dass je nach lokaler Situation in einem Gebiet oder einem Ballungsraum mehrere Standorte die in Anhang III Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 2008/50 festgelegten Kriterien erfüllen können. Daher obliegt es den zuständigen nationalen Behörden, im Rahmen ihres Ermessens den konkreten Standort der Probenahmestellen zu wählen.
45 Die Existenz eines solchen Ermessens bedeutet jedoch nicht, dass die Entscheidungen, die von den Behörden in diesem Rahmen getroffen werden, jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen sind, insbesondere der Kontrolle, ob die Behörden die der Ausübung ihres Ermessens gesetzten Grenzen überschritten haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Kraaijeveld u. a., C- 72/95, EU:C:1996:404, Rn. 59, sowie vom , Janecek, C- 237/07, EU:C:2008:447, Rn. 46).
46 Darüber hinaus ist, trotz des Fehlens von Vorschriften des Unionsrechts über die Modalitäten von Klagen vor nationalen Gerichten, zur Bestimmung der Intensität der gerichtlichen Überprüfung nationaler Entscheidungen, die aufgrund eines Unionsrechtsakts erlassen wurden, auf dessen Zweck abzustellen und darauf zu achten, dass seine Wirksamkeit nicht beeinträchtigt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , HI, C-92/00, EU:C:2002:379, Rn. 59, und vom , Croce Amica One Italia, C-440/13, EU:C:2014:2435, Rn. 40).
47 Der Standort der Probenahmestellen spielt bei dem in der Richtlinie 2008/50 vorgesehenen System zur Beurteilung und Verbesserung der Luftqualität eine entscheidende Rolle, insbesondere wenn die Verschmutzung die in ihren Art. 5 und 6 genannte obere Bewertungsschwelle überschreitet. Wie in Rn. 36 des vorliegenden Urteils ausgeführt, stellen die Probenahmestellen in diesem Fall gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/50 das wichtigste Instrument zur Beurteilung der Luftqualität dar.
48 Die mittels dieser Stellen gewonnenen Messungen erlauben es den Mitgliedstaaten, im Einklang mit Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50 sicherzustellen, dass überall in ihren Gebieten und Ballungsräumen die Werte für die von der Richtlinie erfassten Schadstoffe die in ihrem Anhang XI festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten. Werden diese Grenzwerte nach Ablauf der Frist für ihre Erreichung überschritten, muss der betreffende Mitgliedstaat nach Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie einen Luftqualitätsplan erstellen, der bestimmten Anforderungen genügt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Janecek, C-237/07, EU:C:2008:447, Rn. 35 und 42, sowie vom , ClientEarth, C-404/13, EU:C:2014:2382, Rn. 25 und 40).
49 Folglich würde der Zweck der Richtlinie 2008/50 gefährdet, wenn Probenahmestellen, die sich in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum befinden, nicht im Einklang mit den von ihr aufgestellten Kriterien eingerichtet worden wären.
50 Diese Gefahr kann auch dann eintreten, wenn die zuständigen nationalen Behörden nicht innerhalb der Grenzen des ihnen durch die Richtlinie 2008/50 eingeräumten Ermessensspielraums danach streben, die Wirksamkeit der Richtlinie sicherzustellen. Vor allem dann, wenn Messungen an mehreren Standorten grundsätzlich Informationen über die am stärksten belasteten Orte im Sinne von Anhang III Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie liefern können, obliegt es daher den zuständigen nationalen Behörden, den Standort der Probenahmestellen so zu wählen, dass die Gefahr unbemerkter Überschreitungen von Grenzwerten minimiert wird.
51 In diesem Rahmen sind die Behörden verpflichtet, ihre Entscheidungen auf fundierte wissenschaftliche Daten zu stützen und, wie aus Anhang III Abschnitt D der Richtlinie 2008/50 hervorgeht, eine vollständige Dokumentation zu erstellen, die die Gesichtspunkte für die Wahl des Standorts jeder Messstelle enthält. Diese Dokumentation muss regelmäßig aktualisiert werden, um sicherzustellen, dass die Auswahlkriterien weiterhin Gültigkeit haben.
52 Auch wenn die Wahl der Standorte von Probenahmestellen komplexe technische Bewertungen erfordert, ist das Ermessen der zuständigen nationalen Behörden folglich durch den Zweck und die Ziele der einschlägigen Rechtsvorschriften eingeschränkt.
53 Da der Einzelne das Recht hat, von einem Gericht überprüfen zu lassen, ob die nationalen Rechtsvorschriften und ihre Anwendung innerhalb der in der Richtlinie 2008/50 für die Wahl des Standorts der Probenahmestellen vorgesehenen Grenzen des Ermessensspielraums geblieben sind, ist das nach nationalem Recht dazu berufene Gericht überdies befugt, gegenüber der betreffenden nationalen Behörde alle erforderlichen Maßnahmen, wie beispielsweise Anordnungen, zu ergreifen, um sicherzustellen, dass diese Stellen nach den in der Richtlinie festgelegten Kriterien eingerichtet werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Janecek, C-237/07, EU:C:2008:447, Rn. 38 und 39, sowie vom , ClientEarth, C-404/13, EU:C:2014:2382, Rn. 55, 56 und 58).
54 Insoweit ist es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs mangels unionsrechtlicher Vorschriften Aufgabe der
innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe zu regeln, die den Schutz der den Bürgern aus einem Unionsrechtsakt wie der Richtlinie 2008/50 erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Diese Modalitäten dürfen jedoch nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die entsprechender innerstaatlicher Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , East Sussex County Council, C-71/14, EU:C:2015:656, Rn. 52, und vom , INEOS Köln, C- 572/16, EU:C:2018:100, Rn. 42). In Bezug auf den letztgenannten Grundsatz ist darauf hinzuweisen, dass das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist, der den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes bekräftigt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Sacko, C-348/16, EU:C:2017:591, Rn. 31, und vom , Puskar, C-73/16, EU:C:2017:725, Rn. 59).
55 In der vorliegenden Rechtssache ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof vorgebracht und nicht bestritten worden, dass die für die Überprüfung des Standorts der Probenahmestellen zuständigen nationalen Gerichte nach den relevanten Vorschriften des belgischen Rechts befugt seien, den nationalen Behörden Anordnungen zu erteilen. Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, gegebenenfalls unter den im nationalen Recht festgelegten Voraussetzungen von dieser Befugnis Gebrauch zu machen.
56 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 288 Abs. 3 AEUV sowie die Art. 6 und 7 der Richtlinie 2008/50 dahin auszulegen sind, dass es einem nationalen Gericht zusteht, auf Antrag Einzelner, die von der Überschreitung der in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie genannten Grenzwerte unmittelbar betroffen sind, zu prüfen, ob die Probenahmestellen in einem bestimmten Gebiet im Einklang mit den in Anhang III Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie vorgesehenen Kriterien eingerichtet wurden, und, wenn dies nicht der Fall ist, gegenüber der zuständigen nationalen Behörde alle erforderlichen Maßnahmen wie etwa - sofern im nationalen Recht vorgesehen - eine Anordnung zu treffen, damit die Probenahmestellen im Einklang mit diesen Kriterien eingerichtet werden."
50 3.3. Der EuGH spricht vom "Antrag Einzelner, die von der Überschreitung der in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie genannten Grenzwerte unmittelbar betroffen sind". In Bezug auf die auch unter diesem Gesichtspunkt ins Treffen geführte, (von einer Überschreitung) unmittelbare Betroffenheit wird auf das (unter Punkt 2.) Obgesagte verwiesen.
51 Jedenfalls im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses war der Revisionswerber ein solch unmittelbar Betroffener. Nach dem zitierten Urteil kam ihm daher das Recht zu, einen Antrag auf Prüfung der Konformität der Einrichtung der Probenahmestellen in einem bestimmten Gebiet mit den Vorschriften der Luftqualitäts-Richtlinie, insbesondere deren Anhängen III und V, zu stellen.
52 Fraglich ist, ob ein unmittelbar Betroffener einen solchen Antrag bei der Behörde, in deren Ermessen die Wahl des konkreten Standorts der Probenahmestelle liegt, und/oder unmittelbar bei dem Gericht, das die Einhaltung der Verpflichtungen aus der Luftqualitäts-RL zu prüfen hat, stellen kann.
53 Der EuGH weist auch darauf hin, dass es Aufgabe der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe zu regeln, die den Schutz der den Bürgern aus einem Unionsrechtsakt wie der Richtlinie 2008/50 erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Diese Modalitäten dürfen jedoch nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die entsprechender innerstaatlicher Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). 54 3.4. Auch nach der innerstaatlichen Rechtslage (§§ 4 und 5 IG-L und der IG-L-Messkonzeptverordnung 2012) entscheidet die Behörde über die Anzahl der Messstellen, ihre regionale Verteilung, ihre Verlegung und Auflassung, ihre Ausstattung, die Qualitätssicherung der Messdaten, etc.; Anlage 2 IG-L-Messkonzeptverordnung 2012 legt dazu detailliert die Standortkriterien von Messstellen fest.
55 Angesichts dessen stellt die - auf Unionsrecht fußende - Ermöglichung der Antragstellung eines unmittelbar Betroffenen bei der zur Vollziehung des IG-L bzw. der IG-L-Messkonzeptverordnung 2012 zuständigen Behörde (statt unmittelbar beim Verwaltungsgericht) die sachgerechtere und verfahrensökonomischere Lösung zur Herstellung eines unionsrechtskonformen Zustandes dar. Dabei wird dem vom EuGH genannten Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz jedenfalls Rechnung getragen. Gegen abschlägige Bescheide der Behörde über solche Anträge steht dem Antragsteller ein Rechtsmittel an das Verwaltungsgericht zu, dem diesfalls die Möglichkeit der Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtungen aus der Luftqualitäts-RL eröffnet ist.
56 Daraus folgt, dass - entgegen der Ansicht des LVwG - dem Revisionswerber das Recht zukommt, einen Antrag auf Errichtung von richtlinienkonformen Probenahmestellen/Messstellen zur Kontrolle der Einhaltung der nach der Luftqualitäts-RL vorgeschriebenen Grenzwerte bzw. Alarmschwellen zu stellen. Die Zurückweisung eines solchen Antrags des Revisionswerbers stand daher nicht in Übereinstimmung mit der Rechtslage.
57 3.5. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich somit auch im Umfang der Bestätigung des Spruchpunktes I.c. des Bescheides des LH vom als inhaltlich rechtswidrig.
58 4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 201 4, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | 12010E267 AEUV Art267; 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art13 Abs1; 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art23 Abs1; 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art6; 32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa Art7; AVG §38; VwGG §62 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018070359.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAE-77107