VwGH vom 15.05.2020, Ra 2018/06/0320

VwGH vom 15.05.2020, Ra 2018/06/0320

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision der Gemeindevertretung der Gemeinde Puch bei Hallein, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. 405-3/404/1/14-2018, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. S P in S und 2. Mag. A P in P, beide vertreten durch die Sluka Hammerer Tevini Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Alpenstraße 26; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom wurde den mitbeteiligten Parteien die baurechtliche Bewilligung für die (Änderung und Adaptierung des mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde P. vom baubewilligten) Einfamilienhauses samt baulich verbundener Doppelgarage mit begehbarem Garagendach auf GSt.-Nr. X und Y, KG T, erteilt. Der Keller des Wohnhauses und die Garage befinden sich auf Ebene 0 des bewilligten Bauvorhabens, wobei der Keller und auch Teile der Garage in den Hang hineingebaut sind. 2 Mit Eingabe vom beantragten die mitbeteiligten Parteien beim Bürgermeister der Geminde P. im vereinfachten Verfahren die Modifizierung der Bewilligung vom betreffend die auf dem GSt.-Nr. X gelegene Garage zur Verlängerung des Daches der mit dem Wohnhaus verbundenen Garage um einen Meter nach vorne.

3 Am stellten die mitbeteiligten Parteien bei der revisionswerbenden Partei einen Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG. Am brachten die mitbeteiligten Parteien eine Säumnisbeschwerde ein und beantragten die Sachentscheidung durch das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG). Dieses führte sodann das baurechtliche Verfahren und eine mündliche Bauverhandlung durch, in der die Parteien des Verfahrens und der Amtssachverständige gehört wurden. Die Nachbarn waren gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 lit. A Baupolizeigesetz (BauPolG) zur Verhandlung geladen worden, erschienen nicht und erhoben keine Einwendungen.

4 Mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung erteilte das LVwG die beantragte baurechtliche Bewilligung für die Änderung des mit Bescheid vom bewilligten Einfamilienwohnhauses auf dem GSt-Nr. X , KG T gemäß § 9 Abs. 1 letzter Satz iVm § 2 Abs. 1 Z 1 und § 10 BauPolG. Die Erweiterung der eingeschossigen Nebenanlage nach Maßgabe der baurechtlichen Einreichung samt der Pläne vom sei zu genehmigen, die Garage weise auch bei Berücksichtigung der gegenständlich beantragten südwestlichen Erweiterung um einen Meter die von § 25 Abs. 7a Bebauungsgrundlagen gesetz (BGG) geforderten Mindestabstände zum nächstgelegenen Nachbargrundstück auf.

Zu § 25 Abs. 7a BGG führte das LVwG aus, dass es die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach § 25 Abs. 7a BGG nicht anwendbar sei, weil die gegenständliche Garage eine Verlängerung des bewilligten Einfamilienhauses sei und keine eingeschossige Nebenanlage, nicht teile. § 25 Abs. 7a BGG sei nicht zu entnehmen, dass diese Regelung nur für selbständige - im Sinne von separat gebauten - Nebenbauten gelte, und nicht auf Anlagen, die mit bestehenden Anlagen verbunden seien, anzuwenden sei. Es komme vielmehr darauf an, dass die im seitlichen Mindestabstand gemäß § 25 Abs. 3 BGG errichtete Nebenanlage (egal ob als Zubau oder als selbständiges Nebengebäude, das LVwG verweist dazu auf ), für die das Abstandsprivileg des Abs. 7a leg.cit. in Anspruch genommen werden solle, die dort näher genannten Voraussetzungen erfülle. Dies sei laut den Ausführungen des Amtssachverständigen der Fall. Die säumige Behörde sei im Bescheid vom offenbar selbst von der Anwendbarkeit des § 25 Abs. 7a BGG ausgegangen. Die mitbeteiligten Parteien hätten sich zu Recht auf diese rechtskräftige Baubewilligung berufen. Das LVwG gehe somit davon aus, dass es sich bei dem im gesetzlichen Mindestabstand des § 25 Abs. 3 BGG errichteten Teil der Garage um eine eingeschoßige Nebenanlage handle, auf die § 25 Abs. 7a BGG anwendbar sei.

5 Dagegen wendet sich die vorliegende Amtsrevision, weil die Baubewilligung mangels Vorliegen einer Nebenanlage im Sinn des § 25 Abs. 7a BGG zu versagen gewesen wäre.

6 Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung und beantragten die Zurückweisung der Amtsrevision, in eventu die Abweisung.

Der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

7 Die Revision erweist sich im Hinblick auf die Abweichung von der hg. Rechtsprechung zu § 25 Abs. 7a BGG als zulässig. 8 § 25 Abs. 7a BGG lautet:

"(7a) Zu Wohnbauten gehörige und dem Bedarf der Bewohner dienende eingeschoßige Nebenanlagen können im Bauplatz auch innerhalb des seitlichen Mindestabstandes oder vor der Baufluchtlinie errichtet werden, wenn folgende Voraussetzungen eingehalten werden:

1. Die Lage der Nebenanlagen (für Fahrräder, Abfallbehälter und Altstoffcontainer sowie Garagen oder überdachte Kraftfahrzeug-Abstellplätze) darf nicht zu einer Festlegung gemäß § 53 Abs. 2 Z 12 bzw 16 ROG 2009 im Widerspruch stehen.

2. Der Abstand zwischen den äußersten Teilen des Baus und der Bauplatzgrenze muss mindestens 2 m betragen, wenn die Nachbarn nicht einer Unterschreitung dieses Abstandes ausdrücklich zustimmen und nicht durch andere Rechtsvorschriften ein größerer Abstand vorgeschrieben ist.

3. Die Seitenlänge der Nebenanlage (einschließlich Dachvorsprünge) darf an der dem Nachbargrundstück zugewandten Seite 4 m, von Garagen oder überdachten Kraftfahrzeug-Abstellplätzen aber 7 m, nicht überschreiten. In solchen Garagen oder überdachten Kraftfahrzeug-Abstellplätzen dürfen sich - vorbehaltlich der bautechnischen Anforderungen - im untergeordneten Ausmaß auch Räume befinden, die sonstigen Zwecken derartiger Nebenanlagen dienen.

4. Die Traufenhöhe darf höchstens 2,5 m, die Firsthöhe höchstens 4 m betragen. Kommt der First in einem Abstand von weniger als 3,5 m zur Bauplatzgrenze zu liegen, darf seine Höhe die gedachte Linie zwischen der höchstzulässigen Traufe zur Bauplatzgrenze und dem höchstzulässigen First in 3,5 m Entfernung nicht überschreiten. Diese Begrenzungen gelten nicht, wenn der Nachbar ihrer Überschreitung ausdrücklich zustimmt. Und:

5. Von dieser Bestimmung darf für denselben Bauplatz an der betreffenden dem Nachbargrundstück zugewandten Seite noch nicht Gebrauch gemacht worden sein. Dies gilt auch als gegeben, wenn ein oder mehrere Bauten einschließlich Nebenanlagen an dieser Seite bereits im seitlichen Mindestabstand stehen oder auf Grund einer gemäß Abs. 8 bereits erteilten Ausnahme noch errichtet werden können.

Für die Zustimmung ist ein Formular zu verwenden, dessen näherer Inhalt von der Landesregierung durch Verordnung festzulegen ist. Das Formular hat jedenfalls den Hinweis auf die mit der Zustimmung verbundenen Rechtsfolgen zu enthalten. Außerdem müssen die Pläne von den zustimmenden Personen unterfertigt sein."

9 Die Amtsrevision wendet ein, es handle sich gegenständlich um eine Verlängerung des bewilligten Einfamilienwohnhauses in südwestliche Richtung. Die nun beantragte Erweiterung des Wohnhauses auf der Garagenseite samt Nutzung der Dachfläche als begehbarer Garten sei nicht als eingeschoßige Nebenanlage im Sinne des § 25 Abs. 7a BGG, sondern als Zubau gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 BauPolG zu qualifizieren. Die Kubatur des Gebäudes vergrößere sich zweifellos. Ein Zubau sei eine Erweiterung in Richtung der Länge und der Breite. In seiner Entscheidung zu 2012/05/0210 habe der Verwaltungsgerichtshof bei der Abgrenzung von Nebengebäude zu Zubau auf die bauliche Einheit mit dem Hauptgebäude abgestellt. Es fehle Rechtsprechung zu § 25 Abs. 7a BGG zur Frage, ob auf im Wohnhaus eingebaute Garagen § 25 Abs. 7a BGG angewendet werden könne. Eine Abstandsnachsicht nach § 25 Abs. 8 BGG sei nicht beantragt worden. Das LVwG gehe sowohl von der in der angefochtenen Entscheidung zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab als auch von näher zitierter Rechtsprechung zu anderen Bundesländern.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits seinem Erkenntnis vom , Ro 2016/06/0016, zugrundegelegt, dass es sich bei einer Nebenanlage im Sinne des § 25 Abs. 7a BGG um ein selbständiges Bauwerk handeln muss.

11 Soweit die Revision darauf hinweist, dass die gegenständliche Garage nicht als Nebenanlage zu qualifizieren sei, ist zudem auf das Erkenntnis vom , Ra 2017/06/0199 bis 0200, zur Qualifikation einer baulich mit der Hauptbebauung verbundenen Garage als Nebenanlage (dort: im Sinne des § 25 Abs. 8 BGG) hinzuweisen. Der Verwaltungsgerichtshof legt darin dar, dass es sich bei einer Nebenanlage im Sinne des Salzburger Baurechts um einen selbständigen Bau und nicht um einen Teil des Hauptgebäudes handeln muss. Als Zubau zum Hauptgebäude ausgestaltete Teile der Hauptgebäude fallen nicht unter die genannte Ausnahmebestimmung. Auf die Begründung dieser Entscheidung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. 12 Demnach liegt in einem Fall wie der gegenständlichen, mit dem Einfamilienhaus baulich verbundenen Garage keine Nebenanlage im Sinne des § 25 Abs. 7a BGG vor, weshalb dessen Anwendbarkeit ausgeschlossen ist.

13 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018060320.L00

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