VwGH vom 26.06.2020, Ra 2018/06/0282

VwGH vom 26.06.2020, Ra 2018/06/0282

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz in 8011 Graz, Europaplatz 20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , LVwG 50.32-3450/2016-34 und LVwG 40.32-17/2017-32, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Dr. H S in G, vertreten durch die Lindner & Rock Rechtsanwälte OG in 8043 Graz, Mariatrosterstraße 87a; weitere Partei Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenersatzbegehren der revisionswerbenden Partei wird abgewiesen.

Begründung

1Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom wurde der Mitbeteiligten als Eigentümerin des Objektes auf einer näher bezeichneten Liegenschaft gemäß § 8 Abs. 3 Grazer Altstadterhaltungsgesetz 2008 (GAEG 2008) und § 41 Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) der Auftrag erteilt, „den auf der südwestlichen Dachfläche, zwischen den zwei normal zur Traufe stehenden vierschlauchigen Kamingruppen situierten, ca. 10,00 m langen aufgeständerten Kehrsteg mit einer Breite von ca. 60 cm aus Metall samt Brust- und Mittelwehr“ binnen sechs Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen.

2Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3In der Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Mitbeteiligte habe im Zuge des anhängigen Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht dem Beseitigungsauftrag der revisionswerbenden Partei vom insofern Folge geleistet, als sie den zu beseitigenden Kehrsteg entfernt und durch einen neuen Kehrsteg ersetzt habe. Da im Bescheidbeschwerdeverfahren sowohl die Rechts- als auch die Sachlage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes maßgeblich sei, sei infolge der Erfüllung des baupolizeilichen Auftrages der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben gewesen.

4Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, dieses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5Die Revision ist in Anbetracht des aufgezeigten Abweichens des Verwaltungsgerichtes von der hg. Judikatur zur Frage des für seine Entscheidung über einen baupolizeilichen Auftrag maßgebenden Sachverhaltes zulässig.

6§ 41 Stmk. BauG, LGBl. Nr. 59/1995 in der Fassung LGBl. Nr. 117/2016, lautet auszugsweise:

§ 41

Baueinstellung und Beseitigungsauftrag

...

(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen oder sonstiger Maßnahmen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.

...“

7§ 8 GAEG 2008, LGBl. Nr. 96/2008 in der Fassung LGBl. Nr. 28/2015, lautet auszugsweise:

§ 8

Vorschriftswidrige Maßnahmen

...

(3) Im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes getätigte Maßnahmen sind zu beseitigen bzw. rückgängig zu machen. Ohne behördliche Bewilligung oder Auftrag abgebrochene Bauwerke oder deren Teile sind im Sinne des § 1 Abs. 1 wieder in einer der früheren äußeren Gestaltung entsprechenden Ausführung zu errichten. Die Pflicht zur Beseitigung oder Wiedererrichtung trifft die Eigentümerin/ den Eigentümer und auch deren Rechtsnachfolgerin/ dessen Rechtsnachfolger.

...“

8Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis , unter Hinweis auf seine dazu bereits ergangene, umfangreiche Vorjudikatur ausgesprochen hat, hat das Verwaltungsgericht (ebenso wie vor Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit die Berufungsbehörde) bei einem baupolizeilichen Auftrag nach § 41 Abs. 3 Stmk. BauG Sachverhaltsänderungen gegenüber der Erlassung eines baubehördlichen Auftrages erster Instanz grundsätzlich zu berücksichtigen. Lediglich in der Herstellung eines Zustandes, der dem erlassenen baupolizeilichen Auftrag entspricht (durch den Bescheidadressaten oder im Wege der Vollstreckung), ist keine vom Verwaltungsgericht zu beachtende Änderung des maßgebenden Sachverhaltes zu erblicken. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

9Im Revisionsfall hätte das Verwaltungsgericht daher bei seiner Entscheidung die während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erfolgte Beseitigung des vom Bauauftrag erfassten Kehrsteges durch die Mitbeteiligte nicht berücksichtigen und den Bescheid der revisionswerbenden Partei nicht allein deshalb aufheben dürfen.

Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

10Ist, wie im vorliegenden Fall, eine Revisionserhebung nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG erfolgt, hat die revisionswerbende Partei gemäß § 47 Abs. 4 VwGG keinen Anspruch auf Aufwandersatz, weshalb ihr darauf gerichteter Antrag abzuweisen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018060282.L00
Schlagworte:
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

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