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VwGH vom 30.09.2014, 2012/22/0058

VwGH vom 30.09.2014, 2012/22/0058

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Heinz Lughofer, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Stelzhamerplatz 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. UVS-410a-027/E2-2011, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (in der Folge kurz als "Behörde" bezeichnet) gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 63 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 iVm § 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von acht Jahren.

Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei in Serbien geboren und im Jahr 1974 oder 1975 gemeinsam mit seinen Eltern nach Österreich zugezogen. Seit dem sei er ununterbrochen und rechtmäßig in Österreich niedergelassen und seit dem im Besitz einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung. Aus einer - zwischenzeitlich geschiedenen - Ehe des Beschwerdeführers entstammten drei Kinder. Der Beschwerdeführer sei mehrere Jahre in Österreich einer Beschäftigung nachgegangen.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes B vom sei er wegen Erwerbs, Besitzes und Überlassung von Suchtgift (Kokain) an andere in einem Zeitraum von Ende 2002 bis September 2003 zu einer Geldstrafe von 100 Tagsätzen verurteilt worden. Am sei der Beschwerdeführer neuerlich vom Bezirksgericht B wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz (§ 27 Abs. 1 erster, zweiter und sechster Satz SMG) im Zeitraum von Februar 2004 bis Dezember 2006 zu einer Geldstrafe von nunmehr 200 Tagsätzen verurteilt worden. Mit Urteil des Strafgerichtes Straßburg vom sei der Beschwerdeführer wegen Suchtgiftdelikten mit einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe bestraft worden. Schließlich sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes F vom zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe wegen Suchtgifthandels, Körperverletzung und schwerer Nötigung verurteilt worden.

Zur Begründung des Aufenthaltsverbotes stellte die Behörde auf das den strafrechtlichen Verurteilungen zugrunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers und die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 63 Abs. 1 FPG ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Aktenvorlage durch die Behörde erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Jänner 2012 sind die Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 112/2011 anzuwenden.

Die Beschwerde moniert die fehlende Berücksichtigung des § 64 Abs. 1 FPG und ist damit im Recht.

Nach § 64 Abs. 1 Z 1 FPG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, u.a. ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 FPG nicht erlassen werden, wenn ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können. Anders als nach der Vorgängerbestimmung des § 61 Z 3 FPG, in der Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 38, steht die Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer vierjährigen unbedingten Freiheitsstrafe der Anwendung des hier in Betracht kommenden Verfestigungstatbestandes nach § 64 Abs. 1 Z 1 FPG nicht entgegen.

Die Behörde stellte fest, dass sich der Beschwerdeführer seit dem ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Ab dem wurde ihm eine unbefristete Niederlassungsbewilligung erteilt. Erstmals Ende 2002 ist der Beschwerdeführer straffällig geworden.

Der Beschwerdeführer hatte daher vor Verwirklichung des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Sachverhaltes, dem strafbaren Verhalten Ende 2002, seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 1 StbG idF BGBl. I Nr. 124/1998 liegen somit vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0088). Sonstige Gründe, die der Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 1 StbG entgegenstehen hätten können, sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich und wurden im angefochtenen Bescheid auch nicht dargelegt.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren in Bezug auf den Schriftsatzaufwand war im Hinblick auf den in der angeführten Verordnung vorgesehenen Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
NAAAE-77079