VwGH vom 19.11.2014, 2012/22/0056
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/29A, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 321.493/2-III/4/11, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (in der Folge kurz als "Behörde" bezeichnet) die Berufung des Beschwerdeführers, eines kosovarischen Staatsangehörigen, gegen die erstinstanzliche Zurückweisung seines Antrages vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 43 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), der seit als Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zu werten sei, gemäß § 41a Abs. 9 und § 44b Abs. 1 Z 1 NAG ab.
Begründend führte die Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am erstmals illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser Asylantrag sei vom Bundesasylamt mit Bescheid vom negativ entschieden worden und es sei gegen den Beschwerdeführer eine asylrechtliche Ausweisung erlassen worden. Die dagegen erhobene Berufung sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom abgewiesen worden.
Am habe der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag eingebracht und darauf verwiesen, dass der Asylgerichtshof das Arbeitsverhältnis vor dem Jahr 2007, also seit dem Jahr 2005, und den positiven Deutschkursabschluss am nicht berücksichtigt hätte und dadurch ein maßgeblich geänderter Sachverhalt vorliege. Weiters wäre aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer bis zum über eine Beschäftigungsbewilligung verfügt habe, von einer nachhaltigen Integration auszugehen. Es sei ihm auch eine Arbeitsstelle über den hinaus zugesagt worden.
Die Behörde hielt fest, dass die Eltern, drei Brüder und eine Schwester des Beschwerdeführers im Kosovo lebten, was eine erhebliche Bindung zur Heimat untermauere. Eine ältere Schwester lebe mit ihrer Familie in Österreich. Eine besonders enge Beziehung oder gar ein Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Schwester in Österreich bestehe jedoch nicht.
Die vom Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Integration und seiner wirtschaftlichen Situation geltend gemachten Gründe seien schon im Asyl- bzw. Ausweisungsverfahren geprüft und gewürdigt worden. Das vorgelegte Sprachzertifikat und die Einstellungszusage würden nicht eine derartige Bedeutung aufweisen, dass in einer Gesamtbetrachtung vom Vorliegen eines maßgeblich geänderten Sachverhaltes ausgegangen werden könne.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Aktenvorlage durch die Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Februar 2012 sind die Bestimmungen des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 112/2011 anzuwenden.
Gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG ist u.a. ein Antrag wie der vorliegende als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
Der Sache nach ist der Zurückweisungsgrund des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet. Die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhalts als wesentlich anzusehen ist, können daher auch für die Frage, wann maßgebliche Sachverhaltsänderungen im Sinne des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG vorliegen, herangezogen werden. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides (bezogen auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind hier die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände jedenfalls soweit einzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Hinblick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 EMRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK muss sich zumindest als möglich darstellen (vgl. zum Ganzen u.a. das hg. Erkenntnis vom , 2012/22/0068).
Nach der hg. Judikatur zu § 44b Abs. 1 letzter Halbsatz NAG haben nach der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung eingetretene Umstände keinen Einfluss auf die Beurteilung, ob die auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gegründete Antragszurückweisung von der Erstbehörde zu Recht vorgenommen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/22/0110).
Die Behörde hat die Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers und die Einstellungszusage ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Behörde in diesen Umständen keine solche maßgebliche Änderung des Sachverhalts sah, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK erfordert hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0065).
Der bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides insgesamt mehr als siebenjährige Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers und die seit der rechtskräftigen Ausweisung bis zur erstinstanzlichen Zurückweisung des gegenständlichen Antrags mit Bescheid vom verstrichene kurze Zeitspanne von lediglich dreieinhalb Monaten bewirken keine solche Sachverhaltsänderung, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK erforderlich gemacht hätte.
Zum Beschwerdevorbringen, wonach der Asylgerichtshof in seiner Entscheidung von einer Beschäftigung des Beschwerdeführers seit dem Jahr 2007 und nicht seit dem Jahr 2005 ausgegangen sei und die Bindung des Beschwerdeführers zu seiner in Österreich lebenden Schwester und deren Familie nicht entsprechend berücksichtigt habe, ist darauf zu verweisen, dass die asylrechtliche Ausweisung im gegenständlichen Verfahren nicht zu überprüfen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0066) und der Beschwerdeführer eine hinreichend stark ausgeprägte persönliche Nahebeziehung zu seiner in Österreich lebenden Schwester auch in der Beschwerde nicht dargelegt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/23/1134).
Soweit die Beschwerde die Verletzung des Parteiengehörs rügt, ist auf das Schreiben der erstinstanzlichen Behörde vom an die rechtsfreundliche Vertreterin zu verwiesen, in dem - entgegen dem Beschwerdevorbringen - der entscheidungsrelevante Sachverhalt den Antragsteller betreffend dargestellt und auf eine Antragszurückweisung hingewiesen wurde. Der monierte Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.
Mit dem Beschwerdevorbringen wird nicht aufgezeigt, dass sich der für die nach § 11 Abs. 3 NAG anzustellende Beurteilung maßgebliche Sachverhalt seit Erlassung der Ausweisung geändert hätte.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-77069