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VwGH vom 03.11.2005, 2005/15/0106

VwGH vom 03.11.2005, 2005/15/0106

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dominikanerbastei 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , GZ. UVS- 07/F/16/1098/2005/12 u.a., und UVS-07/F/16/1117/2005 u.a., betreffend Übertretung des Vergnügungssteuergesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (Straf- und Kostenausspruch) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom , Zlen. MA 4/5-53/10/00368 bis 00372/2003, wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe es bis zu näher bezeichneten Zeitpunkten unterlassen, in Wien die Vergnügungssteuer (Videoverleih) für September 2002 im Betrag von EUR 1.300,54, für Oktober 2002 im Betrag von EUR 1.434,97, für November 2002 im Betrag von EUR 1.297,25, für Dezember 2002 im Betrag von EUR 1.411,15 und für Jänner 2003 im Betrag von EUR 1.273,20 einzubekennen und zu entrichten. Sie habe dadurch jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 17 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 des Vergnügungssteuergesetzes begangen. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über sie Geldstrafen, nämlich EUR 1.600,-- (September 2002), EUR 1.800,-- (Oktober 2002), EUR 1.600,-- (November 2002), EUR 1.750,-- (Dezember 2002), und EUR 1.600,-- (Jänner 2003), im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. In der Begründung wurde dazu - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - ausgeführt, es sei von einer zumindest fahrlässigen Verkürzung der Vergnügungssteuer durch die Beschwerdeführerin auszugehen. Für die Strafbemessung sei das Ausmaß der Verkürzungsbeträge maßgebend gewesen, wobei die verhängten Geldstrafen durch ihre Höhe geeignet sein sollten, die Beschwerdeführerin wirksam von einer Wiederholung abzuhalten. Als erschwerend seien acht rechtskräftige Vorstrafen, als mildernd kein Umstand zu werten gewesen. Es sei von ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen.

Mit einem weiteren Bescheid vom , Zlen. MA 4/5-53/10/01257 bis 01264/2003, wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe es bis zu näher genannten Zeitpunkten unterlassen, in Wien die Vergnügungssteuer (Videoverleih) für Februar 2003 im Betrag von EUR 1.099,41, für März 2003 im Betrag von EUR 1.066,71, für April 2003 im Betrag von EUR 1.084,50, für Mai 2003 im Betrag von EUR 1.024,25, für Juni 2003 im Betrag von EUR 887,92, für Juli 2003 im Betrag von EUR 952,23, für August 2003 im Betrag von EUR 947,23 und für September 2003 im Betrag von EUR 1.091,06 einzubekennen und zu entrichten. Sie habe dadurch jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 17 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Vergnügungssteuergesetz begangen. Über sie wurden Geldstrafen von EUR 1.400,-- (Februar 2003), EUR 1.350,-- (März 2003), EUR 1.350,-- (April 2003), EUR 1.300,-- (Mai 2003), EUR 1.100,-- (Juni 2003), EUR 1.200,-- (Juli 2003), EUR 1.200,-- (August 2003) und EUR 1.350,-- (September 2003), im Nichteinbringungsfalle Ersatzfreiheitsstrafen, verhängt. Zur Begründung wurde - soweit wiederum für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - ausgeführt wie im vorzitierten Bescheid betreffend den Zeitraum September 2002 bis Jänner 2003.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführerin gegen diese Bescheide in der Schuldfrage ab. Die Geldstrafen wurden herabgesetzt auf EUR 670,-- (September 2002), EUR 700,-- (Oktober 2002), EUR 650,-- (November 2002), EUR 700,-- (Dezember 2002) und EUR 600,-- (Jänner 2003), EUR 550,-- (Februar 2003), EUR 530,-- (März 2003), EUR 540,-- (April 2003), EUR 500,-- (Mai 2003), EUR 440,-- (Juni 2003), EUR 470,-- (Juli 2003), EUR 470,-- (August 2003) und EUR 550,-- (September 2003). Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, der objektive Unrechtsgehalt der Übertretungen sei hoch; es bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse an der Entrichtung von Abgaben und Steuern. Auch seien keine Umstände hervorgekommen, nach welchen der Beschwerdeführerin die Einhaltung der übertretenen Vorschriften nur erschwert möglich gewesen wäre. Die Herabsetzung der Strafe habe zu erfolgen, weil sich die für eine Tochter sorgepflichtige Beschwerdeführerin in einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage befinde und die einschlägigen ungetilgten Verwaltungsvormerkungen, welche die Erstinstanz an sich zu Recht als erschwerend gewertet habe, inzwischen getilgt seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die Beschwerde richtet sich gegen die Strafbemessung durch die belangte Behörde. Es wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe an Strafen und Kosten insgesamt EUR 8.107,-- zu bezahlen. Dieser Betrag übersteige ihr monatliches Einkommen um mehr als das 20-fache. Sie habe in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde ihr monatliches Einkommen mit EUR 400,-- angegeben. Weiters habe sie zu Protokoll gegeben, dass ihr Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sei. Bei Berücksichtigung ihrer Einkommensverhältnisse bei Festsetzung der Strafhöhe wäre die belangte Behörde zu einem für sie günstigeren Ergebnis gelangt.

Die Beschwerdeführerin habe ihren Videoverleih "nicht versteckt" oder offensichtlich damit spekuliert, dass die Abgabenbehörde nicht in Erfahrung bringen werde, dass Vergnügungssteuer zu entrichten sei. Sie habe ihr Unternehmen bereits vor Jahren bei der Behörde angemeldet. Dieser seien die durchschnittlichen monatlichen Umsätze aus den vergangenen Jahren bekannt gewesen. Die belangte Behörde habe keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie keinesfalls vorsätzlich, sondern nur fahrlässig gehandelt habe, hätte die belangte Behörde bei Bemessung der Strafen zu einem für sie günstigeren Ergebnis gelangen müssen.

Gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz Wiener Vergnügungssteuergesetz sind Handlungen und Unterlassungen, durch welche die Steuer in einem Betrag von höchstens EUR 21.000,-- verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis EUR 42.000,-- zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen.

§ 19 Abs. 1 VStG bestimmt, dass Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonstige Folgen nach sich gezogen hat, ist. Aus dem Grunde des § 19 Abs. 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Strafbemessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt daher dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es aber der Behörde, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1331, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Da die Verwaltungsvorschrift des § 19 Abs. 1 Wiener Vergnügungssteuergesetz 1987 nichts anderes bestimmt, genügt für die Strafbarkeit nach dieser Norm fahrlässiges Verhalten (§ 5 Abs. 1 VStG). Die Behörde erster Rechtsstufe hat fahrlässiges Verhalten der Beschwerdeführerin angenommen. Die belangte Behörde hat in ihrem die Berufung hinsichtlich der Schuldfrage abweisenden Bescheid dazu keine weiteren Ausführungen vorgenommen, sodass auch sie fahrlässiges Verhalten der Beschwerdeführerin zu Grunde legte. Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin nur fahrlässig gehandelt habe, ist daher unbegründet. Die Annahme fahrlässigen Verhaltens stellt keinen Milderungsgrund dar (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2000/03/0074).

Enthält der angefochtene Bescheid keine hinreichenden Feststellungen über die in § 19 Abs. 2 VStG angeführten Determinanten für die vorzunehmende Ermessensentscheidung, entspricht die Strafbemessung nicht dem Gesetz. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es auf Grund seiner nachprüfenden Kontrolle verwehrt, eine Ermessensübung an Stelle der von der belangten Behörde an sich fehlerhaften Ermessensübung vorzunehmen.

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist zunächst die Schwere der Rechtsgutbeeinträchtigung; auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die belangte Behörde hat zwar auf den objektiven Unrechtsgehalt der Übertretungen bzw. das erhebliche öffentliche Interesse an der Entrichtung von Abgaben und Steuern im Allgemeinen hingewiesen. Ausführungen über den Unrechtsgehalt der der Beschwerdeführerin konkret angelasteten Übertretungen enthält der angefochtene Bescheid ebenso wenig wie solche zum Verschulden der Beschwerdeführerin. Der Bescheidbegründung können auch keine - ausdrücklich erwähnten - Erschwerungs- und/oder Milderungsgründe entnommen werden. Da der angefochtene Bescheid sohin die Grundlage für die Bemessung der Strafe nicht angibt, ist er in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben.

Die Herabsetzung der Strafe begründete die Behörde mit der Sorgepflicht für eine Tochter und der ungünstigen wirtschaftlichen Lage der Beschwerdeführerin sowie ihrer verwaltungsrechtlichen Unbescholtenheit.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse, nach Maßgabe der einzelnen Milderungs- und Erschwerungsgründe nach den §§ 32 bis 35 StGB nur ausnahmsweise, wie etwa dem Milderungsgrund der drückenden Notlage im Sinne des § 34 Z. 10 StGB, zu berücksichtigen sind. Im Übrigen haben die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse im Zusammenhang mit der Wertung der Milderungs- und Erschwerungsgründe außer Betracht zu bleiben (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom , 2000/03/0074). Ob im Beschwerdefall die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin einem solcherart in Betracht kommenden Milderungsgrund unterstellt werden können, kann den Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden. Insoweit hat sich die belangte Behörde mit den behaupteten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen der Beschwerdeführerin nicht ausreichend auseinander gesetzt.

Der angefochtene Bescheid ist daher im Sinne der Ausführungen, auf Grund derer auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine weitere Herabsetzung der Strafe erforderlich gewesen wäre, in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Begehren hinsichtlich der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil in dem pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, 686).

Wien, am