VwGH vom 22.01.2019, Ra 2018/05/0191
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des Mag. G K in W, vertreten durch Mag. Benjamin Zupancic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3/Top 16, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zlen. VGW-111/075/11885/2017 und VGW- 111/V/075/11886/2017, betreffend Bauanzeige (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei:
Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. R H und 2. J H, beide in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber brachte am zwei Bauanzeigen - je eine für die Liegenschaft S Gasse 21 (ident mit S Platz 3) und S Platz 2 - betreffend bauliche Maßnahmen und Umwidmungen der Räumlichkeiten im Erdgeschoß sowie im
1. Obergeschoß von einer Bankfiliale in einen Beherbergungsbetrieb ein. Die mitbeteiligten Parteien sind Miteigentümer der Liegenschaft S Gasse 21.
2 Nach dem zugehörigen Bauplan vom betreffend die Liegenschaft S Gasse 21 sollen durch Einziehen und Beseitigen von Zwischenwänden im Erdgeschoß und 1. Obergeschoß elf Beherbergungszimmer (Einbett- und Zweitbettzimmer), diverse WCs und Duschen, diverse Gänge, zwei Foyers, eine Rezeption und ein Büro geschaffen werden. Der Bauplan vom betreffend die Liegenschaft S Platz 2 hat - ebenfalls durch Einziehen und Beseitigen von Zwischenwänden - die Schaffung von vier Beherbergungszimmern (Einbett-, Zweitbett- und Dreibettzimmer), einem Gang sowie einem Abstellraum zum Gegenstand. Aus den beiden Plänen ist ferner ersichtlich, dass der Zugang auch zu (bzw. die Fluchtmöglichkeit von) den Räumen auf der Liegenschaft S Platz 2 über einen Gang von den Räumlichkeiten der Beherbergungsstätte auf der Liegenschaft S Gasse 21 erfolgt.
3 Mit Schreiben vom zogen die mitbeteiligten Parteien die Qualifikation des Bauvorhabens als bloß anzeigepflichtig in Zweifel.
4 Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) vom wurde gemäß § 62 Abs. 4 in Verbindung mit § 134 Abs. 3 und 5 der Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) die von den mitbeteiligten Parteien als Miteigentümer der Liegenschaft S Gasse 21 gegen die angezeigte Bauführung auf dieser Liegenschaft erhobene "Einwendung", dass es sich hierbei um "keine Bauanzeige" handle, "abgewiesen".
5 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei den Räumlichkeiten zuvor um eine Geschäftsfläche für diverse Banken gehandelt habe. Im Jahr 1989 sei ein Feuermauerdurchbruch geschaffen worden, sodass sich die Geschäftseinheit sohin über zwei Liegenschaften erstrecke. Hieraus lasse sich die Notwendigkeit von zwei Bauansuchen erklären.
6 Zu beurteilen sei gewesen, ob das eingereichte Projekt einen Umbau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a BO darstelle oder einer Bauanzeige nach § 62 Abs. 1 Z 4 BO zugänglich sei. In den einzelnen Geschoßen sei jeweils nicht mehr als 50 % der Fläche betroffen, wo die Raumeinteilungen oder Raumwidmungen so geändert worden seien, dass sie nach Durchführung der Maßnahmen als ein anderes Gebäude bzw. Geschoß anzusehen gewesen seien. Es liege daher kein Umbau vor. Folglich sei eine gemäß § 62 Abs. 1 Z 4 BO anzeigepflichtige Baumaßnahme anzunehmen gewesen. Im Bauanzeigeverfahren habe gemäß § 134 Abs. 5 BO nur der Bauwerber Parteistellung.
7 Im Ergebnis sei die Bauanzeige gemäß § 62 Abs. 4 BO "positiv zur Kenntnis zu nehmen" und die Bauführung nicht zu untersagen gewesen.
8 Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht).
9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Bauführung hinsichtlich der von den Bauanzeigen vom umfassten Baumaßnahmen gemäß § 62 Abs. 4 BO untersagt.
10 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass durch den Umbau und die Umwidmung in einen Beherbergungsbetrieb mit elf Zimmern die Raumeinteilung oder die Raumwidmungen so geändert würden, dass nach Durchführung der Änderungen das Gebäude im betreffenden Bereich des Erdgeschoßes und des Obergeschoßes als ein anderes anzusehen sei. Dies bedeute eine (wesentliche) funktionelle Andersartigkeit der Nutzung der Räume. Aus einem (näher bezeichneten) Gutachten ergebe sich, dass die Umwidmung mehr als 50 % der Geschoßflächen umfasse. Ferner werde gemäß § 50 Abs. 1 BO (gemeint offenbar Wiener Garagengesetz - WGG) eine Stellplatzverpflichtung ausgelöst, weshalb gemäß § 62 Abs. 1 Z 4 BO eine Bauanzeige ausgeschlossen sei. Die Bauführung sei daher zu untersagen.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, es wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
12 Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung und beantragten, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Die Revision ist in Anbetracht der Frage, ob die Rechtsfolge des § 62 Abs. 6 BO, wonach ein angezeigtes Bauvorhaben als bewilligt gilt, wenn keine rechtskräftige Untersagung der Bauführung erfolgt, durch den Ablauf der Untersagungsfrist des § 62 Abs. 4 BO unabhängig davon eintritt, ob für das Vorhaben zu Recht (bloß) eine Bauanzeige erfolgte, zulässig.
14 In der Revision wird auf das Wesentliche zusammengefasst vorgebracht, dass das Verwaltungsgericht trotz rechtskräftig entschiedener Sache eine weitere Sachentscheidung getroffen habe.
§ 62 Abs. 6 BO normiere, dass ein Bauvorhaben als bewilligt gelte, wenn keine rechtskräftige Untersagung erfolge. Die Behörde habe das Vorhaben nicht untersagt. Nach Ablauf der Frist von sechs Wochen ab Einbringung gelte das Vorhaben als gemäß § 70 BO rechtskräftig und daher unbekämpfbar bewilligt. Ein behördliches Einschreiten sei daher nicht mehr möglich.
15 Das Verwaltungsgericht habe darüber hinaus verkannt, dass die Frage der Bewilligungspflicht nach § 60 BO erst nach Prüfung des "Kataloges" der bauanzeigepflichtigen Vorhaben gemäß § 62 BO zu prüfen sei. Das eingereichte Projekt erfülle alle Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Z 4 BO, wonach alle sonstigen Änderungen und Instandsetzungen von Bauwerken, die keine Änderungen der äußeren Gestaltung bewirkten, nicht die Umwidmung von Wohnungen beträfen und keine Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen auslösten, einer Bauanzeige unterlägen. Das Zusammenlegen von Wohnungen, das Aufstellen von Zwischenwänden und das Beseitigen von Wänden erfüllten die Voraussetzungen der Bauanzeige.
16 Eine Umwidmung von Räumlichkeiten liege nicht vor. Die Räume würden bereits seit geraumer Zeit als Bankfiliale und daher als Gewerbebetrieb genutzt. Sie hätten daher stets und ausschließlich gewerblichen und nicht Wohnzwecken gedient. Folglich liege keine Umwidmung von Wohnungen vor, sondern es würden gewerblich genutzte Flächen für gewerbliche Nutzung verwendet und adaptiert.
17 Darüber hinaus sei zivilrechtlich, baurechtlich und wohnungseigentumsrechtlich festzuhalten, dass die zivilrechtliche Widmung der Liegenschaftsanteile auf "Geschäftslokal" laute und sie daher zu jedem gewerblichen Zweck genutzt werden könnten. Eine Beschränkung auf einzelne Gewerbe (wie zum Beispiel eine Bank) liege ausdrücklich nicht vor. Eine solche hätte im Wohnungseigentumsvertrag erfolgen müssen. Auch werde durch die Einrichtung eines Beherbergungsbetriebes in einem zuvor für gewerbliche Zwecke genutzten Objekt der Rahmen einer für Gewerbeobjekte üblichen Nutzung keineswegs gesprengt. Im Ergebnis bleibe die Widmung zum Betrieb eines Gewerbes.
18 Zudem lösten auch die § 48 ff WGG keine Stellplatzverpflichtung aus. Es liege weder ein Zu- bzw. ein Neubau noch eine Änderung der Raumwidmung oder Raumeinteilung vor. Auch eine Stellplatzverpflichtung für Beherbergungsstätten sei nicht gegeben, weil es sich beim Bauvorhaben um einen unveränderten baubewilligten Altbestand handle. Die Liegenschaft sei dem Konsens entsprechend seit geraumer Zeit als Gewerbebetrieb verwendet worden. Eine Stellplatzverpflichtung nach dem WGG werde aufgrund des Belassens des Altbestandes nicht ausgelöst; zum Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung habe nämlich keine Stellplatzverpflichtung bestanden.
19 § 60 Bauordnung für Wien (BO), LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 25/2014 lautet auszugsweise:
"Ansuchen um Baubewilligung
§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die § 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:
a) Neu-, Zu- und Umbauten. ... Unter Umbau sind jene
Änderungen des Gebäudes zu verstehen, durch welche die Raumeinteilung oder die Raumwidmungen so geändert werden, dass nach Durchführung der Änderungen das Gebäude als ein anderes anzusehen ist. Ein Umbau liegt auch dann vor, wenn solche Änderungen selbst nur ein einzelnes Geschoß betreffen. ...
...
Änderungen oder Instandsetzungen von Bauwerken, wenn
diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektivöffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Bauwerks; ...
..."
20 § 62 BO in der Fassung LGBl. Nr. 25/2014 lautet auszugsweise:
"Bauanzeige
§ 62. (1) Eine Bauanzeige genügt für
1.) den Einbau oder die Abänderung von Badezimmern und
Sanitäranlagen ...;
2.) Loggienverglasungen;
3.) den Austausch von Fenstern und Fenstertüren ...;
4.) alle sonstigen Änderungen und Instandsetzungen von
(2) Der Bauanzeige sind Baupläne in zweifacher Ausfertigung anzuschließen; sie sind vom Bauwerber und vom Planverfasser oder deren bevollmächtigten Vertretern zu unterfertigen. Der Bauanzeige gemäß Abs. 1 Z 4 ist außerdem eine statische Vorbemessung oder ein Gutachten, dass es sich um ein geringfügiges Bauvorhaben mit technisch einfacher Tragkonstruktion handelt, bei dem aus statischen Belangen keine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen sowie das Eigentum zu besorgen ist, anzuschließen; diese Unterlagen sind von einem nach den für die Berufsausübung maßgeblichen Vorschriften berechtigten Sachverständigen für das einschlägige Fachgebiet zu erstellen. ...
(3) Nach Vorlage der vollständigen Unterlagen, bei Bauführungen gemäß Abs. 1 Z 1, 2 und 3 in Schutzzonen sowie bei Bauführungen, bei denen gemäß Abs. 2 eine statische Vorbemessung erforderlich ist, nach einem Monat, darf nach Anzeige des Baubeginns mit der Bauführung begonnen werden.
(4) Ergibt die Prüfung der Angaben in Bauplänen, dass die zur Anzeige gebrachten Baumaßnahmen nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen oder einer Baubewilligung bedürfen, hat die Behörde binnen sechs Wochen ab tatsächlicher Vorlage der vollständigen Unterlagen die Bauführung mit schriftlichem Bescheid unter Anschluss einer Ausfertigung der Unterlagen zu untersagen. In diese Frist wird die Dauer eines Verfahrens zur Mängelbehebung gemäß § 13 Abs. 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 161/2013, nicht eingerechnet. Maßgebend für die Beurteilung des Bauvorhabens ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage der vollständigen Unterlagen. Wird die Bauführung untersagt, ist sie einzustellen.
...
(6) Erfolgt keine rechtskräftige Untersagung der Bauführung, gilt das Bauvorhaben hinsichtlich der Angaben in den Bauplänen als gemäß § 70 bewilligt. Ist das betreffende Gebäude gemäß § 71 bewilligt, so gilt das Bauvorhaben ebenfalls als gemäß § 71 bewilligt.
..."
21 § 134 BO in der Fassung LGBl. Nr. 25/2009 lautet
auszugsweise:
"Parteien
§ 134. ...
(3) Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer
(Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. ... Die Eigentümer
(Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134 a erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134 a gegen die geplante Bauführung erheben; das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG) steht Nachbarn bereits ab Einreichung des Bauvorhabens bei der Behörde zu. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG). Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze haben oder bis zu einer Breite von 6 m durch Fahnen oder diesen gleichzuhaltende Grundstreifen oder eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt sind und im Falle einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen ...
...
(5) Im Verfahren gemäß § 62 ist der Bauwerber Partei.
..."
22 Gemäß § 62 Abs. 4 BO kommt der Behörde binnen der Frist von sechs Wochen die Befugnis zu, die Bauführung zu untersagen, wenn die zur Anzeige gebrachten Baumaßnahmen nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen oder einer Baubewilligung bedürfen. Die Nichtuntersagung einer angezeigten Baumaßnahme bewirkt nach § 62 Abs. 6 BO, dass sie als gemäß § 70 (bzw. § 71) BO bewilligt gilt.
23 Der Revisionswerber beruft sich darauf, dass auf Grund dieser Bestimmung Rechtskraft eingetreten sei. Diesem Vorbringen kommt allerdings letztlich keine entscheidende Bedeutung zu:
24 Rechtskraft kann sich grundsätzlich nur auf die Parteien des Verfahrens beziehen (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts,
10. Auflage, S. 284, Rz 485; die Ausnahmen von diesem Grundsatz, vgl. Rz 486 ff, kommen hier nicht zum Tragen). Vorliegend wurden zwei Bauanzeigen erstattet. In den darüber gemäß § 62 BO durchgeführten Verfahren hatte nur der Bauwerber Parteistellung (§ 134 Abs. 5 BO). Rechtskraft gegenüber anderen Personen auf Grund des § 62 Abs. 6 BO (hier: Grundmiteigentümern bzw. Nachbarn) konnte daher nicht eintreten.
25 Betrifft das eingereichte Bauprojekt baubewilligungspflichtige Maßnahmen, ist über die Einreichung aus der Sicht dieser anderen Personen ein Baubewilligungsverfahren durchzuführen, in dem ihnen nach den hierfür maßgebenden Bestimmungen (vgl. insbesondere § 134 Abs. 3 BO) Parteistellung zukommt (vgl. ).
26 Die mitbeteiligten Parteien sind hinsichtlich der Liegenschaft S Gasse 21 Miteigentümer und hinsichtlich der Liegenschaft S Platz 2 Nachbarn.
27 Den (Mit)Eigentümern kommt unbeschadet des § 134 Abs. 5 BO Parteistellung zu, wenn die Baubehörde zu Unrecht das Vorliegen einer bloß anzeigepflichtigen Maßnahme annimmt, weil dann kein Anzeige-, sondern ein Baubewilligungsverfahren durchzuführen ist (vgl. , mwN).
28 Der Nachbar, der die Verletzung eines subjektivöffentlichen Rechtes im Sinne des § 134a Abs. 1 BO durch ein (bloß) gemäß § 62 BO angezeigtes Bauvorhaben geltend machen will, hat nach der BO keine Möglichkeit, etwa durch Stellung eines Antrages auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nach Verwirklichung des Bauvorhabens, Abhilfe zu suchen, weil ihm diesbezüglich kein Antragsrecht zukommt. In Beachtung des Sachlichkeitsgebotes ist daher bei verfassungskonformer Auslegung der § 62 und 134 Abs. 5 iVm § 134a Abs. 1 BO dem Nachbarn im Bauanzeigeverfahren gemäß § 62 BO die auf die Frage der Überprüfung der Zulässigkeit des Bauanzeigeverfahrens beschränkte Parteistellung zuzubilligen (vgl. ).
29 Vorliegend haben die mitbeteiligten Parteien eine Eingabe bei der Behörde eingebracht, in der sie relevierten, dass das Vorhaben baubewilligungspflichtig sei. Gegenstand des Verfahrens ist diese Eingabe (wobei allenfalls zu prüfen ist, ob sie - wenn nötig, nach Ermittlung des wahren Willens der Einschreiter, vgl. - als Antrag auf Feststellung der Parteistellung im baubehördlichen Verfahren zu verstehen ist). Mit dem vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheid des Magistrates erfolgte die Erledigung dieser Eingabe durch die Verwaltungsbehörde. Damit wurde unter implizierter Anerkennung einer eingeschränkten Parteistellung der Mitbeteiligten über die Frage, ob das Vorhaben bewilligungspflichtig oder anzeigepflichtig sei, entschieden, nämlich in der Weise, dass ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben vorliege, in Bezug auf das den Mitbeteiligten kein Mitspracherecht zukomme. Das Verwaltungsgericht hat auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde die Bauführung wegen Baubewilligungspflicht gemäß § 62 Abs. 4 BO untersagt. Dazu war es aber auf Grund des § 62 Abs. 6 BO nicht berechtigt. Ausgehend von der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes, dass das Bauvorhaben bewilligungspflichtig ist, wäre vielmehr über die Parteistellung der Mitbeteiligten im Baubewilligungsverfahren zu entscheiden gewesen, und erst nach Durchführung dieses Verfahrens wird über die Frage der Erteilung der noch ausständigen, erforderlichen Baubewilligung gegenüber allen Parteien des Baubewilligungsverfahrens abzusprechen sein.
30 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, wobei auf das übrige Revisionsvorbringen nicht mehr einzugehen war.
31 Für das weitere Verfahren wird bemerkt, dass das gegenständliche Vorhaben offenbar unteilbar ist, wie insbesondere die Zugänglichkeit der Räume auf der Liegenschaft S Platz 2 von den Räumen auf der Liegenschaft S Gasse 21 zeigt.
32 Von der vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
33 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018050191.L00 |
Schlagworte: | Baurecht Nachbar Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1 |
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