VwGH vom 24.04.2012, 2010/11/0173

VwGH vom 24.04.2012, 2010/11/0173

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der G S in W, vertreten durch Hasberger Seitz Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 4, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungsu. Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. 41.550/792-9/07, betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Im Zuge eines Verfahrens nach § 8 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) betreffend Zustimmung zur Kündigung der Beschwerdeführerin, einer begünstigten Behinderten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/11/0144), wurde ein Verfahren auf amtswegige Nachprüfung des Grades der Behinderung der Beschwerdeführerin eingeleitet.

Mit Bescheid des Bundessozialamtes (Landesstelle Wien) vom wurde von Amts wegen der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin gemäß §§ 3 und 14 Abs. 2 BEinstG ab mit 60 vH. festgesetzt.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz keine Folge, änderte jedoch den Bescheid dahin ab, dass der Grad der Behinderung "ab mit vierzig (40) von Hundert (vH) festgesetzt" wurde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, aus den in zweiter Instanz eingeholten Gutachten ergebe sich, dass im Vergleich zum rechtskräftigen Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , der den Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin ab mit 70 vH. festgesetzt hatte, eine Verbesserung im Leidenszustand an der rechten Hüfte habe objektiviert werden können und die Beschwerdeführerin folglich nunmehr einen Grad der Behinderung von unter 50 vH., nämlich 40 vH. aufweise.

Gegen diesen Bescheid richtet sich vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen: 1.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtsvorschriften des BEinstG idF. der Novelle BGBl. I Nr. 67/2008 lauten (auszugsweise):

"Begünstigte Behinderte

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. Österreichischen Staatsbürgern sind Flüchtlinge mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH, denen Asyl gewährt worden ist, gleichgestellt, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind. Österreichischen Staatsbürgern sind weiters Staatsbürger von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH gleichgestellt.

Feststellung der Begünstigung

§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH

a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002;

b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;

c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;

d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967). Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft des jeweiligen Bescheides bzw. Urteiles folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten angehören zu wollen.

(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Behinderten das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (Abs. 3) festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.

…"

2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

2.1. Dadurch, dass die belangte Behörde den Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin ab mit 40 vH. festgesetzt hat, belastete sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

Dem Gesetz kann nämlich nicht entnommen werden, dass der Grad der Behinderung auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BEinstG, also wenn der Grad der Behinderung mit weniger als 50 v.H. eingeschätzt wird, bescheidmäßig festzustellen sei. Vielmehr ist nach dem letzten Satz des § 14 Abs. 2 BEinstG in einem solchen Fall lediglich der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten auszusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/11/0149, mwN).

Im Übrigen hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ihre Feststellung rückwirkend getroffen, obwohl nach der hg. Judikatur eine rückwirkende Feststellung, dass jemand nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört, unzulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/09/0213).

2.2. Schon aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem - im Übrigen von der Beschwerdeführerin überhöht verzeichneten - pauschalierten Ersatz für Schriftsatzaufwand ein weiterer Kostenersatz, auch für Umsatzsteuer, nicht vorgesehen ist.

Wien, am