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VwGH 01.07.2010, 2008/09/0276

VwGH 01.07.2010, 2008/09/0276

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
12003T/TXT Beitrittsvertrag Europäische Union;
32003L0086 Familienzusammenführung-RL;
AuslBG §1 Abs2 litm idF 2007/I/078;
AuslBG §3 Abs8 idF 2006/I/099;
EURallg;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
VwGG §42 Abs2 Z1;
RS 1
Die Behörde hat zur Interpretation des Begriffes "Kind" in § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2005 die Definition des § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG herangezogen. Damit hat sie verkannt, dass diese Bestimmung der Umsetzung der Richtlinie 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familienzusammenführung von Drittstaatsangehörigen (also nicht der Zusammenführung von Unionsbürgern und drittstaatsangehörigen Familienmitgliedern) dient (Hinweis E , Zl. 2007/09/0228).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2006/09/0200 E RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie Senatspräsidentin Dr. Händschke und Hofrat Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des N S in L, vertreten durch Dr. Manfred Fuchsbichler, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Traungasse 14/I, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. LGSOÖ/Abt.1/08115/021/2008, betreffend Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit undatiertem Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice wurde der Antrag des am geborenen Beschwerdeführers vom im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Beschwerdeführer sei nicht mehr minderjähriges Kind eines österreichischen Staatsbürgers und erfülle damit die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG nicht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG keine Folge.

Nach Darstellung des Inhaltes der Berufung sowie der von ihr in Anwendung gebrachten Gesetzeslage führte die belangte Behörde begründend aus, da in § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG keine Regelung bezüglich des Alters der Kinder getroffen werde, sei zur Festlegung der Altersgrenze § 2 Abs. 11 AuslBG heranzuziehen. Demnach sei "Kind" im Sinne dieser Bestimmung nur, wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Der Beschwerdeführer sei am geboren und somit nicht mehr minderjährig. Die Ausstellung einer Bestätigung nach § 3 Abs. 8 AuslBG sei aus diesem Grunde nicht möglich. Der in der Berufung enthaltene Verweis auf eine Verletzung der Assoziationsratsbeschlüsse ARB Nr. 1/80 und Nr. 3/80 gehe schon deswegen fehl, weil es sich beim Vater des Beschwerdeführers um einen österreichischen Staatsbürger handle, die Assoziationsratsbeschlüsse aber nur Rechte für türkische Arbeitnehmer und deren Familienangehörige festlegten. Ebenso irrig sei die Annahme, dass die Verordnung des Rates der EWG Nr. 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft durch die negative Entscheidung verletzt werde. Mit dieser Verordnung werde nur das Recht von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates und deren Familienangehörige geregelt, in einem anderen Mitgliedstaat eine Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis auszuüben. Der Vater des Beschwerdeführers sei aber österreichischer Staatsbürger und übe seine Beschäftigung in Österreich aus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 lit. m des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung BGBl. I Nr. 78/2007, sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht anzuwenden auf EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch nehmen, deren drittstaatsangehörige Ehegatten und Kinder (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder) sowie die drittstaatsangehörigen Ehegatten und Kinder österreichischer Staatsbürger, sofern der Ehegatte bzw. das Kind zur Niederlassung nach dem NAG berechtigt ist.

Gemäß § 3 Abs. 8 AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2006 ist Familienangehörigen gemäß § 1 Abs. 2 lit. l und m auf deren Antrag von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Bestätigung auszustellen, dass sie vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen sind.

Unbestritten ist, dass der Vater des Beschwerdeführers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und sein Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat. Ebenso unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides das 21. Lebensjahr bereits überschritten hat.

Die belangte Behörde stützte die Abweisung des Antrages ausschließlich auf die Überlegung, die Kindeseigenschaft werde in § 2 Abs. 11 AuslBG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG einschränkend als "unverheiratet und minderjährig" definiert, welche Attribute auf den Beschwerdeführer nicht zuträfen.

Diese Rechtsansicht der belangten Behörde wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, was er bereits in seinen hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2006/09/0102, und vom , Zl. 2006/09/0200, ausgesprochen hat, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

Aus den dort dargelegten Gründen erweist sich auch der vorliegende Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da Umsatzsteuer in dem für Schriftsatzaufwand vorgesehenen Pauschalbetrag bereits enthalten ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
12003T/TXT Beitrittsvertrag Europäische Union;
32003L0086 Familienzusammenführung-RL;
AuslBG §1 Abs2 litm idF 2007/I/078;
AuslBG §3 Abs8 idF 2006/I/099;
EURallg;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie Umsetzungspflicht EURallg4/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2010:2008090276.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAE-76972