VwGH vom 18.04.2013, 2012/21/0265
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der RSW, vertreten durch Mag. Petra Trauntschnig, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom , betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die gemäß ihren Angaben am geborene Beschwerdeführerin stellte im April 2011 bei der Österreichischen Botschaft Addis Abeba einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005. Im Befragungsformular vermerkte sie, dass sie somalische Staatsangehörige und seit mit K. verheiratet sei. Diesem war in Österreich bereits 2009 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden.
Die Botschaft übermittelte den Antrag der Beschwerdeführerin an das Bundesasylamt, das dann mit Note vom die Mitteilung erstattete, es sei nach Prüfung der Sachlage wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten gewährt werde; ihr wäre daher ein Visum "D" mit Gültigkeitsdauer von vier Monaten auszustellen, um ihr die Einreise zu ermöglichen.
Die Österreichische Botschaft Addis Abeba forderte die Beschwerdeführerin daraufhin auf, ein Visum "D" zu beantragen. Dieser Aufforderung kam die Beschwerdeführerin mit nach, wobei sie in dem ausgefüllten Formblatt auf die beabsichtigte Familienzusammenführung hinwies.
Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom wies die Österreichische Botschaft Addis Abeba (die belangte Behörde) den "am " eingebrachten "Antrag auf Erteilung eines Visums" ab. Eine Prüfung habe ergeben, dass der Antrag auf Grund des § 21 Abs. 5 Z 4 sowie des § 21 Abs. 7 Z 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG habe abgelehnt werden müssen, weil der Aufenthalt der Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde und weil die Fremde im Verfahren zur Erteilung eines Visums über ihre wahre Identität, ihre Staatsangehörigkeit oder die Echtheit ihrer Dokumente zu täuschen versucht habe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
1. In ihrer mit den Verwaltungsakten vorgelegten Gegenschrift begründete die belangte Behörde die Antragsabweisung näher wie folgt:
Eine Überprüfung der Identität der Beschwerdeführerin sei nicht möglich gewesen. Außerdem hätten "große Bedenken hinsichtlich der Echtheit und Glaubwürdigkeit" der in Kopie vorgelegten Heiratsurkunde bestanden. Davon ausgehend habe die Botschaft im Zuge der Weiterleitung "des Asylantrages" an das Bundesasylamt die Durchführung einer "Paralleleinvernahme" angeregt, um den Beweis der angegebenen Ehe mit der Bezugsperson (dem in Österreich subsidiären Schutz genießenden K.) zu führen. Die "Paralleleinvernahme" habe nicht stattgefunden, weshalb die Botschaft mangels einer glaubwürdigen Heiratsurkunde die Ehe der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson auch nach Einlangen der Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 35 AsylG 2005 vom "weiterhin als nicht bewiesen" angesehen habe. Auch auf Grund des am gestellten Visumantrags sei die Prüfung der Identitätsdokumente der Beschwerdeführerin nach wie vor nicht möglich gewesen. Daraufhin sei vorschriftsgemäß die zuständige Abteilung des BMI konsultiert worden. In der am durch das BMI übermittelten "negativen Konsultationsantwort" sei vermerkt worden, dass der Umstand, dass Identität und Verwandtschaft (der Beschwerdeführerin) "komplett ungeklärt" seien, dem Bundesasylamt mitzuteilen sei und dass die Entscheidung betreffend "Paralleleinvernahme" beim Bundesasylamt liege. In einem Schreiben an das Bundesasylamt vom sei sodann mitgeteilt worden, dass Identität und Verwandtschaftsverhältnis der Beschwerdeführerin zur Bezugsperson nicht geklärt seien. Erneut sei die Durchführung von "Paralleleinvernahmen" vorgeschlagen worden. Das Bundesasylamt habe jedoch am geantwortet, dass die Sachlage bereits geprüft worden sei; der Anregung auf Durchführung einer "Paralleleinvernahme" werde nicht gefolgt; allfällige Bedenken der Botschaft in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin oder ihrer Identität seien berücksichtigt worden, hätten jedoch zu keinem anderen Ergebnis geführt.
Auf Grund dieser Antwort, so die Gegenschrift weiter, sei die Botschaft neuerlich an das Bundesasylamt herangetreten, dieses habe aber nicht mehr reagiert. Auf Grund dessen und "der negativen Konsultationsantwort des BMI" sowie der Tatsache, dass Identität und Verwandtschaftsverhältnis der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt über den Visumantrag nicht geklärt gewesen seien, habe sich die Botschaft außerstande gesehen, der Beschwerdeführerin ein Visum "D" auszustellen. Da die Zweifel der Botschaft auch nach einer Stellungnahme der Beschwerdeführerin nicht hätten ausgeräumt werden können, sei der Antrag schließlich abgelehnt worden.
2. Die auf diese Überlegungen gegründete Abweisung des Antrags der Beschwerdeführerin widerspricht der Rechtslage.
2.1. Die Beschwerdeführerin hat einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 gestellt. Diese Bestimmung lautet seit Inkrafttreten des FrÄG 2009 mit wie folgt:
"Anträge auf Einreise bei Berufsvertretungsbehörden
§ 35. (1) Der Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Ausland (Berufsvertretungsbehörde) stellen.
(2) Befindet sich der Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Berufsvertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Berufsvertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesasylamt zuzuleiten.
(4) Die Berufsvertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 24 Abs. 4 FPG), wenn das Bundesasylamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesasylamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Berufsvertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren. "
Der in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 genannte und mit dem FrÄG 2009 neu geschaffene § 24 Abs. 4 FPG trifft nachstehende Anordnung:
"§ 24. …
(4) Teilt das Bundesasylamt gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne weiteres ein Aufenthaltsvisum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."
2.2. Zu § 24 Abs. 4 FPG heißt es in den ErläutRV (330 BlgNR 24. GP 28 f):
"Der neue Abs. 4 legt fest, dass in Fällen des § 35 Abs. 4 AsylG 2005 dem Fremden von der Vertretungsbehörde ein Aufenthaltsvisum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen ist und folgt damit Abs. 3 und der bisherigen Praxis. Im Gegensatz zu den Fällen des Abs. 3 (dazu wird erläutert, dass die Versagungsmöglichkeiten der Behörde in Bezug auf ein Aufenthaltsvisum … auf die Kernelemente eingeschränkt werden) hat hier allerdings, entsprechend der geltenden Rechtslage (§ 35 Abs. 4 AsylG 2005), die Ausstellung des Visums ohne weiteres zu erfolgen. …"
2.3. Sowohl § 35 Abs. 4 AsylG 2005 als auch der damit korrespondierende § 24 Abs. 4 FPG lassen für die Annahme der belangten Behörde, es wären von ihr nach der Mitteilung des Bundesasylamtes vom , es sei in Bezug auf die Beschwerdeführerin die Gewährung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich, zu deren Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels noch irgendwelche eigenständige Beurteilungen vorzunehmen gewesen, keinen Raum. Sie hätte vielmehr "ohne weiteres" ein Aufenthaltsvisum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen gehabt, ohne dass ihr diesbezüglich eine, wenn auch nur eingeschränkte, Prüfungskompetenz zugekommen wäre. Auch die zitierten ErläutRV belegen das, insbesondere durch den Vergleich mit der - hier nicht näher dargestellten - Konstellation nach § 24 Abs. 3 FPG. Das entsprach, wie gleichfalls die zitierten ErläutRV betonen, bereits der Rechtslage vor dem FrÄG 2009. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0423, festgehalten, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des Bundesasylamtes über die Prognose einer Asylgewährung (oder die Gewährung von subsidiärem Schutz) gebunden ist; das Gesetz stelle nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Asylgewährung (Gewährung von subsidiärem Schutz) keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben.
Die belangte Behörde hätte also nach Einlangen der Mitteilung des Bundesasylamtes der Beschwerdeführerin "ohne weiteres" ein Aufenthaltsvisum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen gehabt. Ihre Zweifel an der Identität der Beschwerdeführerin und an deren Ehe mit K. änderten daran nichts, weil (insbesondere) diese Umstände den Kern der Wahrscheinlichkeitsprüfung durch das Bundesasylamt bilden. Es bestand aber auch kein Anlass, die Beschwerdeführerin zur formularmäßigen Stellung eines weiteren Antrags auf Ausstellung eines Visums "D" zu verhalten. Noch weniger durfte dieser Antrag, der nur als Bestätigung des ursprünglichen Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 verstanden werden konnte, einer gesonderten Behandlung, in deren Rahmen das Bundesministerium für Inneres zu konsultieren gewesen wäre, zugeführt werden. Dass davon abgesehen den Verwaltungsakten die in der Gegenschrift erwähnte "negative Konsultationsantwort" des Bundesministeriums für Inneres nicht zu entnehmen ist, sei davon ausgehend nur mehr der Vollständigkeit halber erwähnt.
3. Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Da die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen nach dieser Verordnung bereits enthalten ist, war das auf Ersatz derselben gerichtete Mehrbegehren abzuweisen.
Wien, am