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VwGH vom 18.09.2019, Ra 2018/04/0197

VwGH vom 18.09.2019, Ra 2018/04/0197

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der Datenschutzbehörde, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W101 2112287- 1/6E, betreffend Beschwerde nach dem Datenschutzgesetz 2000 (mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. M C in Z, und

2. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im bekämpften Umfang des Spruchpunktes A)I. (ersatzlose Behebung der Spruchteile 1.a und c des verwaltungsbehördlichen Bescheides) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Der Erstmitbeteiligte, Bediensteter der zweitmitbeteiligten Partei, erhob am eine Beschwerde an die Datenschutzbehörde (Amtsrevisionswerberin) gemäß § 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) wegen Verletzung in seinem Recht auf Geheimhaltung, weil die zweitmitbeteiligte Partei seine(r) ehemaligen Lebensgefährtin a) seinen Krankenstandstag vom mitgeteilt habe; b) mündlich über ein Gespräch am zwischen dem Erstmitbeteiligten und zwei Bediensteten der zweitmitbeteiligten Partei informiert und auf Ersuchen seiner ehemaligen Lebensgefährtin am einen Aktenvermerk über dieses Gespräch verfasst und später übermittelt habe, wobei dieser Aktenvermerk im Rahmen der gerichtlichen Tagsatzung vom im Obsorgeverfahren vor dem BG N zur Vorlage gebracht worden sei; c) die Pflegefreistellung des Erstmitbeteiligten für den und d) die Kündigung der Dienstwohnung des Erstmitbeteiligten sowie regelmäßig seine Diensteinteilung mitgeteilt habe.

2 Mit Bescheid vom gab die Amtsrevisionswerberin der Beschwerde des Erstmitbeteiligten nach dem Datenschutzgesetz 2000 teilweise in Bezug auf die darin in den Punkten a) bis c) geltend gemachten Datenschutzverletzungen statt (Spruchpunkte: 1. a bis c) und wies im Übrigen die Beschwerde ab (Spruchpunkt: 2.).

3 Soweit für das Revisionsverfahren wesentlich, stellte die Amtsrevisionswerberin betreffend die Spruchpunkte 1. a) und c) auf Basis der Aussagen des Erstmitbeteiligten und seiner ehemaligen Lebensgefährtin als Zeugin in der von der Amtsrevisionswerberin durchgeführten mündlichen Verhandlung fest, dass der Krankenstandstag vom und die Pflegefreistellung vom des Erstmitbeteiligten von der zweitmitbeteiligten Partei seiner ehemaligen Lebensgefährtin zur Kenntnis gebracht worden seien.

4 Rechtlich führte die Amtsrevisionswerberin dazu aus, dass für diese Weitergabe durch die zweitmitbeteiligte Partei kein Rechtfertigungsgrund gemäß § 8 bzw. § 9 DSG 2000 bestanden habe. Ob die zweitmitbeteiligte Partei ein Organisationsverschulden treffe, spiele keine Rolle. Wesentlich sei lediglich das Vorliegen eines objektiven Gesetzesverstoßes.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ohne Durchführung der von der zweitmitbeteiligten Partei in eventu beantragten mündlichen Verhandlung "gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 24 Abs. 1 und Abs. 5 DSG idgF" der Beschwerde der zweitmitbeteiligten Partei "hinsichtlich der Spruchteile 1.a) und 1.c)" statt und behob "diese Spruchteile ersatzlos" (Spruchpunkt A)I.). Im Übrigen wies das BVwG die Beschwerde der zweitmitbeteiligten Partei "gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 24 Abs. 1 und Abs. 5 DSG idgF" hinsichtlich "der Spruchteile 1.b) und 2." ab (Spruchpunkt A)II.) und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B).

6 Abweichend zum erstbehördlichen Bescheid stellte das BVwG soweit für das Revisionsverfahren relevant zu Spruchpunkt A)I. des angefochtenen Erkenntnisses fest, dass weder die zweitmitbeteiligte Partei selbst noch ein ihr zurechenbarer Bediensteter "einer Dritten" den Krankenstandstag vom sowie die Pflegefreistellung vom des Erstmitbeteiligten mitgeteilt habe. 7 Ausgehend von diesem festgestellten Sachverhalt gelangte das BVwG rechtlich zum Ergebnis, dass bezogen auf die Spruchpunkte 1.a) und c) des angefochtenen Bescheides keine Verletzung des Rechts des Erstmitbeteiligten auf Geheimhaltung personenbezogener Daten vorliege und diesen Spruchpunkten eine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anhafte. Der Beschwerde sei daher hinsichtlich dieser Spruchteile gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 24 Abs. 1 und Abs. 5 DSG idgF stattzugeben und seien diese Spruchteile ersatzlos zu beheben. 8 Die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung begründete das BVwG damit, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine, weil der Sachverhalt nach einem grundsätzlich ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die Amtsrevisionswerberin und der im behördlichen Verfahren durchgeführten mündlichen Verhandlung festgestellt worden sei. Der maßgebliche Sachverhalt habe auf der Grundlage der von der Amtsrevisionswerberin erhobenen Beweismittel "- unter einer zum Teil anders erfolgten Beweiswürdigung -" vollständig und zweifelsfrei festgestellt werden können. 9 Gegen die Stattgabe der Beschwerde und die ersatzlose Aufhebung der Spruchpunkte 1.a) und c) des erstbehördlichen Bescheides (Spruchpunkt A)I. des angefochtenen Erkenntnisses) richtet sich die vorliegende Revision der Amtsrevisionswerberin. Der Erstmitbeteiligte erstattete im eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung, während die zweitmitbeteiligte Partei darauf verzichtete.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Revision erweist sich zu der im Zulässigkeitsvorbringen geltend gemachten Verletzung der Verhandlungspflicht als zulässig und berechtigt.

11 Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteieintrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen (Abs. 4). 12 Wie der Verwaltungsgerichtshof zu dieser Bestimmung bereits ausgesprochen hat, hat - wenn das Verwaltungsgericht eine zusätzliche, die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung nicht bloß unwesentlich ergänzende Beweiswürdigung vornimmt - eine solche ergänzende Beweiswürdigung regelmäßig erst nach Durchführung einer Verhandlung zu erfolgen (vgl. , mwN). Dies gilt umso mehr für den Fall, dass das Verwaltungsgericht die von der Verwaltungsbehörde aufgenommenen Beweismittel anders als diese würdigt und aufgrund dieser von jener der Verwaltungsbehörde abweichenden Beweiswürdigung andere entscheidungswesentliche Sachverhaltsfeststellungen trifft. Will das Verwaltungsgericht von der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung abweichend andere wesentliche Sachverhaltsfeststellungen treffen, hat es - ungeachtet eines Parteiantrags - eine mündliche Verhandlung durchzuführen und dabei die bereits von der Verwaltungsbehörde insbesondere im Rahmen einer mündlichen Verhandlung aufgenommenen Beweismittel neuerlich aufzunehmen. Dies gilt gleichsam für den Fall, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht strittig ist. Es gehört gerade im Fall zu klärender bzw. einander widersprechender prozessrelevanter Behauptungen zu den grundlegenden Pflichten des Verwaltungsgerichts, dem auch im § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen, um sich als Gericht einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen (vgl. , Rn. 10, , Ra 2018/03/0131, Rn. 11, jeweils mwN). 13 Im vorliegenden Fall hat die zweitmitbeteiligte Partei in ihrer Beschwerde gegen die Feststellung einer Datenschutzverletzung in den im Revisionsverfahren allein relevanten Spruchpunkten des erstbehördlichen Bescheids ausdrücklich die von der Amtsrevisionswerberin dazu getroffenen wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen über die Weitergabe von personenbezogenen Daten bekämpft und hilfsweise die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Das BVwG traf dazu ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufgrund einer von jener der Amtsrevisionswerberin abweichenden Beweiswürdigung anderslautende Sachverhaltsfeststellungen und verneinte - gestützt auf den abgeändert festgestellten Sachverhalt - jeweils das Vorliegen einer Datenschutzverletzung.

14 Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 VwGVG lagen somit nicht vor, weshalb das BVwG in rechtswidriger Weise von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absah.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

16 Es erübrigt sich deshalb auf den weiteren in Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa , Rn. 12, mwN) berechtigten Einwand der Amtsrevisionswerberin, das BVwG hätte nach näher dargestellter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ausgehend von der aufgrund der Datenschutzbeschwerde des Erstmitbeteiligten erfolgten Feststellung von Datenschutzverletzungen seitens der zweitmitbeteiligten Partei im erstbehördlichen Bescheid - keine "ersatzlose" Behebung von Spruchteilen dieses Bescheides vornehmen dürfen, weil in diesem Fall Teile der Datenschutzbeschwerde unerledigt blieben, ohne dass die Amtsrevisionswerberin hierüber neuerlich entscheiden dürfe, näher einzugehen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018040197.L00

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