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VwGH vom 17.10.2013, 2012/21/0220

VwGH vom 17.10.2013, 2012/21/0220

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2012/21/0003 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des I, vertreten durch Mag. Elisabeth Brandstetter, Rechtsanwältin in 1130 Wien, Wattmanngasse 17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/115.535/2012, betreffend Kostenersatz gemäß § 113 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer befand sich vom bis in Schubhaft.

Mit dem nunmehr bekämpften, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom schrieb ihm die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) gemäß § 113 Abs. 1 FPG Kosten des Vollzugs der Schubhaft und Dolmetscherkosten im Ausmaß von insgesamt EUR 788,32 zum Ersatz vor. Das begründete sie bezüglich der Schubhaftkosten - soweit im Folgenden wesentlich - damit, dass auf Grund des Hungerstreiks des Beschwerdeführers (ab dem bis zu der darauf zurückzuführenden Entlassung) von ihm "willentlich herbeigeführte Arbeitsunfähigkeit" gegeben gewesen sei, weshalb - außer für den Tag der Inhaftnahme - für 25 Tage die der Höhe nach unbestrittenen Schubhaftkosten zu ersetzen seien.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 113 Abs. 1 FPG sind der Behörde oder dem Bund - insbesondere - Kosten der Vollziehung der Schubhaft zu ersetzen.

§ 10 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung (FPG-DV), mit BGBl. II Nr. 204/2011 umbenannt in § 19 Abs. 2, ordnet dazu an:

"(2) Als Beitrag zu Kosten des Vollzuges der Schubhaft (§ 113 Abs. 1 FPG) ist für jeden angefangenen Tag jener Betrag zu entrichten, den Verwaltungsverwahrungshäftlinge für den Vollzug von Verwaltungsfreiheitsstrafen zu entrichten haben. Als Beitrag zu den Kosten der Unterkunft in von der Behörde bestimmten Räumen ist für jeden angefangenen Tag jener Betrag zu entrichten, den die Behörde hiefür aufzuwenden hat."

Die in der zitierten Vorschrift angesprochene Regelung über die Kosten des Vollzugs von Verwaltungsfreiheitsstrafen findet sich in § 54d VStG. Dessen Abs. 2 lautet:

"(2) Außer dem Fall des § 53d Abs. 2 haben Häftlinge für jeden Hafttag einen Beitrag zu den Kosten des Vollzuges in der im § 32 Abs. 2 zweiter Fall des Strafvollzugsgesetzes vorgesehenen Höhe zu leisten. Eine solche Verpflichtung entfällt für jeden Tag, an dem der Häftling im Interesse einer Gebietskörperschaft nützliche Arbeit leistet, oder soweit ihn daran, dass er keine solche Arbeit leistet, weder ein vorsätzliches noch ein grob fahrlässiges Verschulden trifft."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0599, VwSlg. 17.800 A, zu § 10 Abs. 2 FPG-DV ausgesprochen hat, ist bezüglich der Festlegung der Schubhaftvollzugskosten § 54d Abs. 2 VStG insgesamt heranzuziehen. Insbesondere findet damit auch der zweite Satz dieser Bestimmung Anwendung, wonach die Verpflichtung der Häftlinge, für jeden Hafttag einen Beitrag zu den Kosten des Vollzuges in der in § 32 Abs. 2 zweiter Fall StVG vorgesehenen Höhe zu leisten, für jeden Tag entfällt, an dem der Häftling im Interesse einer Gebietskörperschaft nützliche Arbeit leistet, oder soweit ihn daran, dass er keine solche Arbeit leistet, weder ein vorsätzliches noch ein grob fahrlässiges Verschulden trifft.

Ausgehend von dieser Rechtslage gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer durch seinen Hungerstreik willentlich Arbeitsunfähigkeit herbeigeführt habe, weshalb ihm die Nichterbringung "nützlicher Arbeit" anzulasten sei und die Kostenbefreiungsbestimmung nach § 54d Abs. 2 zweiter Satz VStG somit nicht zum Tragen komme.

Regelmäßig hat es ein Schubhafthäftling zwar selbst zu verantworten, wenn er infolge Hungerstreiks nicht zu "nützlicher Arbeit" herangezogen wird. Dass ihn an der Nichterbringung solcher Arbeit ein maßgebliches Verschulden im Sinn des § 54d Abs. 2 zweiter Satz VStG trifft, setzt aber jedenfalls voraus, dass eine Arbeitsleistung überhaupt in Betracht gekommen wäre. Wäre auch unabhängig von einem Hungerstreik (oder anderen in der Person des Häftlings liegenden individuellen Umständen) die Erbringung "nützlicher Arbeit" - insbesondere mangels zur Verfügung stehender "Arbeitsplätze" - gar nicht möglich gewesen, kommt ein Verschuldensvorwurf im Sinn des § 54d Abs. 2 letzter Halbsatz VStG von vornherein gar nicht in Betracht.

Schon im Verwaltungsverfahren hat der Beschwerdeführer vorgebracht, über Arbeitsmöglichkeiten in der Schubhaft gar nicht informiert worden zu sein. Auch in der vorliegenden Beschwerde wird im Ergebnis bestritten, dass für den Beschwerdeführer überhaupt die Möglichkeit bestanden habe, nützliche Arbeit zu leisten.

Zur Frage der konkret bestehenden Arbeitsmöglichkeiten für einen im Zeitraum vom bis zum im (wie hier) Polizeianhaltezentrum Wien, Hernalser Gürtel, untergebrachten Schubhäftling hat die belangte Behörde ihrerseits keine Feststellungen getroffen. Sie hat sich vielmehr - wie schon die erstinstanzliche Behörde - abstrakt damit begnügt, auf den Hungerstreik als solchen und die daraus abgeleitete "Arbeitsunfähigkeit" des Beschwerdeführers hinzuweisen und schon daraus seine Kostenersatzpflicht abgeleitet. Die Annahme eines derartigen Automatismus ist indes im Sinn des Vorgesagten verfehlt. Der bekämpfte Bescheid war daher - zur Gänze (vgl. auch dazu das schon genannte hg. Erkenntnis vom ) - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Da dem Beschwerdeführer die Verfahrenshilfe bewilligt wurde, kommt ein Ersatz der überdies angesprochenen Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG nicht in Betracht.

Wien, am