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VwGH vom 22.04.2010, 2008/09/0247

VwGH vom 22.04.2010, 2008/09/0247

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des KE in W, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. GZ 14/14-DOK/08, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen die Disziplinarstrafe der Entlassung (weitere Parteien:

Bundesminister für Finanzen; Bundeskanzler), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz seiner Aufwendungen wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war bis zu seiner Entlassung rechtskundiger Beamter im Sinne des § 24 Abs. 2 Z. 2 VwGG, er stand in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom wurde gegen den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach dem im Akt enthaltenen Rückschein nach einem ersten Zustellversuch vom und dem zweiten Zustellversuch vom beim Zustellpostamt XY mit Beginn der Abholfrist hinterlegt. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung trägt den Postaufgabestempel (Dienstag) und langte am Donnerstag, dem , bei der Behörde erster Instanz ein. Mit Schreiben vom hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor, die Berufung sei ausgehend von der Hinterlegung am , der dadurch bis laufenden Berufungsfrist und der Postaufgabe der Berufung vom "vermutlich um einen Tag verspätet", ein weiteres als Berufung bezeichnetes "datumsloses" Schreiben, das den Aufgabestempel aufweise, sei "vermutlich um 14 Tage verspätet". Die belangte Behörde räumte "im Rahmen des Parteiengehörs" dem Beschwerdeführer mit Verspätungsvorhalt vom die Möglichkeit ein, binnen sieben Tagen dazu schriftlich Stellung zu nehmen. Dieser Vorhalt wurde nach dem im Akt befindlichen Rückschein am Freitag, dem , beim Postamt XY mit Beginn der Abholfrist an diesem Tag hinterlegt.

Die belangte Behörde erließ den nunmehr angefochtenen Bescheid, der mit datiert ist, mit dem sie die Berufungen des Beschwerdeführers (jene vom , die den Postaufgabestempel trage und jene ohne Datumsangabe, welche den Postaufgabestempel aufweise) als verspätet zurückwies. Sie ging davon aus, dass eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Vorhalt vom , der dem Beschwerdeführer am beim Postamt hinterlegt und am selben Tag vom Beschwerdeführer behoben worden sei, binnen der ihm eingeräumten Frist "nicht eingelangt" bzw. "nicht erfolgt" sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer beim Postamt XY mit Beginn der Abholfrist am zugestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift und stellte keinen Antrag auf Kostenersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe "nach Aufforderung der belangten Behörde vom " (gemeint wohl: vom , zugestellt am ) "Stellung genommen und auf die relevanten Fakten hingewiesen". Er habe diese Stellungnahme am zur Post gegeben. Als Beweismittel legt er ein (undatiertes) Schreiben und einen Aufgabeschein bei. Das Schreiben war "An das Bundeskanzleramt" adressiert und enthält zwei Punkte. Der erste Punkt richtet sich "An den Bundeskanzler" und nennt als Bezug: "do. Schreiben vom u.a., ausständiger Bescheid betr. Auskunftspflicht". Der zweite Punkt richtet sich "An die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt" und enthält die Stellungnahme zum Vorhalt der belangten Behörde vom . Im Aufgabeschein über eine nicht näher bezeichnete eingeschriebene Briefsendung ist als Empfänger das "Bundeskanzleramt" mit Adresse "A 1010 Wien, Ballhauspl. 1" eingetragen. Der Aufgabeschein trägt den Aufgabestempel des Postamtes T vom .

Dieses Vorbringen samt dem Nachweis über die Postaufgabe und einer Kopie der Antwort auf den Verspätungsvorhalt hat der Beschwerdeführer auch schon in dem an die belangte Behörde gerichteten "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betr. do. Zurückweisungsbescheid" erstattet. Dieser Antrag trägt den Stempel der Disziplinaroberkommission vom .

Die am zur Post gegebene Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt vom ist in der Einlaufstelle des Bundeskanzleramtes am eingelangt. Bei dieser Einlaufstelle handelt es sich um eine gemeinsame Einlaufstelle für die beim Bundeskanzleramt eingerichteten Dienststellen, so auch der Sektion III, durch welche die belangte Behörde organisatorisch betreut wird.

Dieses Schreiben ist in den vorgelegten Verwaltungsakten nur im Zusammenhang mit dem erwähnten Antrag auf Wiedereinsetzung als dessen Beilage enthalten.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, dass bei der belangten Behörde keine Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Verspätungsvorhalt vom eingelangt bzw. keine Stellungnahme des Beschwerdeführers erfolgt sei. Sollte die belangte Behörde damit meinen, dass eine Stellungnahme bloß innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt bzw. nicht erfolgt sei, so übersieht sie § 33 Abs. 3 AVG, wonach die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z. 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) nicht in die Frist eingerechnet werden. Ausgehend vom Zustelldatum des Verspätungsvorhaltes erfolgte die Postaufgabe am innerhalb der gesetzten - ohnehin kurzen - Frist von sieben Tagen.

Sollte die belangte Behörde damit aber meinen - dies könnte aus dem Umstand geschlossen werden, dass in den Verwaltungsakten das Schreiben des Beschwerdeführers, das dieser nach seinem Beschwerdevorbringen eingeschrieben am zur Post gegeben habe und in dem unter Punkt 2) die Stellungnahme zum Vorhalt der belangten Behörde vom enthalten war, nicht an der zu erwartenden Stelle einliegt - sie gehe davon aus, dass dieses Schreiben überhaupt nicht eingelangt ist, so übersieht sie, dass die Unterlassung der Weiterleitung eines bei einer gemeinsamen Einlaufstelle eingelangten Schreibens an die "richtige" Dienststelle ein behördeninterner Fehler ist, welcher die belangte Behörde nicht davon entband, die eingelangte Stellungnahme inhaltlich zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 743/72, VwSlg. 8311 A;

ferner die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 85/18/0054;

, Zl. 87/03/0290; , Zl. 2004/01/0373, VwSlg. 17.077 A).

In einer über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes erstatteten Stellungnahme vom führt die belangte Behörde aus, dass ein Schreiben des Beschwerdeführers am tatsächlich in der Einlaufstelle des BKA eingelangt sei. Es sei hausintern an das Kabinett des Bundeskanzlers weitergeleitet worden, "wo sich die Spur des Schriftstückes verliert". Es sei bei der belangten Behörde nicht eingelangt. Erst im Zuge des Antrages des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung und Wiederaufnahme habe dieses Schriftstück dann am die belangte Behörde erreicht. Auf diesen Antrag bezieht sich der - den Anträgen des Beschwerdeführers nicht stattgebende - Bescheid der belangten Behörde vom (Anmerkung: in diesem von der belangten Behörde im Anhang zur Stellungnahme vorgelegten Bescheid geht die belangte Behörde selbst davon aus, dass der Beschwerdeführer auf den Verspätungsvorhalt "tatsächlich am und somit fristgerecht eine korrekte Eingabe ... per Einschreiben an das BKA übermittelt hat"; an der Fristeinhaltung durch den Wiedereinsetzungswerber bestünden keine Zweifel mehr).

Wenn die belangte Behörde damit argumentiert, dass die unterbliebene Weiterleitung des Schreibens an die belangte Behörde "seinen Grund wohl offensichtlich darin" habe, "dass dieses Schreiben auf Seite 1 - durchaus naheliegender Weise absichtlich - 'An den Bundeskanzler, Ballhausplatz A-1010 Wien' und nicht an die DOK als die den Vorhalt an den Beschwerdeführer geschickt habende Stelle adressiert war" und dieser Adressierungsfehler "nicht im Verantwortungsbereich des BKA oder der DOK" gelegen sei, so gibt sie die Adressierung des Schreibens nicht korrekt wieder. Denn das Schreiben ist generell "An das Bundeskanzleramt Ballhausplatz 1 A-1010 Wien" adressiert und enthält, wie bereits oben ausgeführt, anschließend an die generelle Adresse zwei Teile. Lediglich unter dem Teil 1) ist die Adressierung "An den Bundeskanzler ..." samt näher ausgeführtem "Bezug" zu finden, auf Seite 2 des Schreibens findet sich zu Punkt 2) jedoch die Adressierung "An die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt ..." und der Bezug auf das Schreiben der belangten Behörde vom . Durch diesen Aufbau des Schreibens ist dem Beschwerdeführer kein Adressierungsfehler vorwerfbar, aus der generellen Adresse und der anschließenden klaren Teilung in zwei getrennte Punkte ist unmissverständlich erkennbar, dass Punkt 2) an die belangte Behörde adressiert war und das Schreiben insofern bei dieser am eingelangt ist. Die Verantwortung für die Unterlassung der Vorlage an die belangte Behörde liegt damit ausschließlich bei der gemeinsamen Einlaufstelle im Bundeskanzleramt. Es liegt damit entgegen der Ansicht der belangten Behörde ein der belangten Behörde zuzurechnender behördeninterner Fehler vor.

Dieser Verfahrensmangel ist auch relevant.

Der Beschwerdeführer hatte im genannten Schreiben zum Verspätungsvorhalt vom u.a. vorgebracht, er habe die Berufung noch am zur Post gegeben. Das Aufgabepostamt sei anders als früher nicht mehr bis Mitternacht besetzt, es sei aber ein schriftlicher Hinweis enthalten, wonach von einer zeitlichen Zuordnung zum Aufgabetag ausgegangen werden könne. Seine Nachfrage habe ergeben, dass eine herabfallende Klappe, die mit einem Uhrmechanismus gekoppelt sei, für die datumsmäßige Zuordnung von Postsendungen sorgen sollte.

Der Poststempel auf dem Umschlag der Berufung lautet auf den , jedoch ist dagegen der Beweis der Unrichtigkeit zulässig. Nach der ständigen hg. Rechtsprechung löst der Einwurf in einen Briefkasten den Postlauf am selben Tag dann aus, wenn am Briefkasten der Vermerk angebracht ist, dass dieser noch am selben Tag ausgehoben werde. Durch den Einwurf in einen Briefkasten noch vor Ende des Tages, aber nach der letzten Aushebung, wird die Übergabe an die Post nicht an diesem Tag bewirkt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/10/0206). Ähnlich muss für den vom Beschwerdeführer behaupteten Fall, dass eine schriftliche Ankündigung die zeitliche Zuordnung zum Aufgabetag zusichere (was allenfalls durch einen Mechanismus sichergestellt werde), bei Zutreffen dieses Vorbringens gelten, dass die Zusicherung der zeitlichen Zuordnung des Schriftstückes zum Einwurftag (Anmerkung: Dem Verwaltungsgerichtshof ist bekannt, dass eine solche Aufschrift auf der Einwurfklappe beim Postamt XZ tatsächlich existiert) der Wirkung des Vermerkes über die Aushebung eines Briefkastens gleichkommt und zwar derart, dass damit eine letzte Aushebung bis 24.00 Uhr angekündigt wird.

Damit ist ein Einwurf im Vertrauen auf diese Ankündigung als Postaufgabe an jenem Tag zu rechnen, am dem sie erfolgte.

Sollte daher das Vorbringen des Beschwerdeführers zutreffen, so könnte sich die Berufung als rechtzeitig erweisen.

Die belangte Behörde hat sich aber mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt und keine Ermittlungen durchgeführt. Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Damit erübrigt es sich im gegenwärtigen Verfahrensstadium, auf den vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwurf der Befangenheit des Vorsitzenden der belangten Behörde einzugehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz war abzuweisen, weil der Beschwerdeführer nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war und Ersatz des Schriftsatzaufwandes gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG nur im Falle der Vertretung durch einen Rechtsanwalt zusteht. Hinsichtlich der Eingabegebühr wurde die Verfahrenshilfe bewilligt, sodass auch diesbezüglich keine Aufwendungen entstanden sind.

Der Beschwerdeführer beantragte auch die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich seines Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Mit der Sachentscheidung ist dieser Antrag jedenfalls gegenstandslos geworden, weshalb sich eine Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens zu diesem Antrag erübrigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/10/0121).

Wien, am