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VwGH vom 19.05.2020, Ra 2018/04/0164

VwGH vom 19.05.2020, Ra 2018/04/0164

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, den Hofrat Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der Stadt Wien - Wiener Wohnen, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Bartensteingasse 2-4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-123/072/5153/2018-22, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: L Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Mag. Peter G. Wahl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Rooseveltplatz 4-5, Top 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Antrag der Revisionswerberin auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

11. Die Revisionswerberin führte als Auftraggeberin ein Vergabeverfahren betreffend einen Rahmenvertrag für die (unregelmäßig) wiederkehrende Erbringung von Elektroinstallationsleistungen (Instandsetzungsarbeiten und Störungsbehebungen) in den von ihr verwalteten Wohnungen im Wege eines offenen Verfahrens im Oberschwellenbereich in 24 Losen. Der Vertrag sollte für zwei Jahre abgeschlossen werden und könne bei gleichbleibenden Bedingungen um bis zu ein Jahr verlängert werden. Ein Bieter sollte den Zuschlag - unter Berücksichtigung einer Präferenzreihung - in maximal zwei Losen erhalten können.

22. Die mitbeteiligte Partei stellte am den Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibung, weil durch die aufgezeigten Rechtswidrigkeiten ihre Möglichkeit am Vergabeverfahren teilzunehmen beeinträchtigt würde. Neben der Anfechtung zahlreicher weiterer Festlegungen stützte die mitbeteiligte Partei - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - ihren Nachprüfungsantrag auf das Vorbringen, die in den Ausschreibungsbedingungen festgelegte Unzulässigkeit der Bildung von Bieter- bzw. Arbeitsgemeinschaften sei vergaberechtswidrig.

3Gemäß Punkt 6.4. der verfahrensgegenständlichen Ausschreibungsbestimmungen sei die Bildung von Bieter- und Arbeitsgemeinschaften für dieses Vergabeverfahren nicht zulässig. Gemäß § 20 Abs. 2 BVergG 2006 könnten Arbeitsgemeinschaften und Bietergemeinschaften Angebote oder Teilnahmeanträge einreichen, sofern nicht in der Ausschreibung aus sachlichen Gründen die Teilnahme oder die Bildung von Arbeits- oder Bietergemeinschaften für unzulässig erklärt worden sei. Der Ausschluss von Bietergemeinschaften erfordere daher sachliche Gründe. Gerade im vorliegenden Fall sei die Zulassung von Bietergemeinschaften notwendig, um kleine und mittlere Unternehmen nicht an der Teilnahme am Vergabeverfahren zu hindern. Die Möglichkeit, Subunternehmer beizuziehen, könne daran nichts ändern, weil diese kein wirtschaftliches Risiko mittragen würden. Der Ausschluss von Bietergemeinschaften verändere den Bieterkreis, sodass die gesamte Ausschreibung für nichtig zu erklären sei.

43. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) dem Antrag der mitbeteiligten Partei statt, erklärte die gesamte Ausschreibung für nichtig und verpflichtete die Revisionswerberin zum Ersatz der Pauschalgebühren. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

5Soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz führte das Verwaltungsgericht in seiner Begründung in Hinblick auf das Vorbringen der mitbeteiligten Partei betreffend die Unzulässigkeit der Teilnahme von Bietergemeinschaften an dem verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren aus, das von der Revisionswerberin festgelegte Verbot wäre dann nachvollziehbar, wenn der Bietermarkt aus wenigen Unternehmen mit großer Marktmacht bestünde, weil dadurch die Anzahl der Bieter weiter reduziert werde. Im verfahrensgegenständlichen Fall bestehe der Bietermarkt jedoch aus einer Vielzahl kleiner Unternehmen. Es sei nicht auszuschließen, dass solche nur dann ein erfolgversprechendes Angebot legen könnten, wenn sie sich zu Bietergemeinschaften zusammenschließen würden. Der von der Auftraggeberin vorgebrachten Erklärung, dass die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens sicherstelle, dass sich auch kleine Unternehmen beteiligen könnten, die Bildung von Bieter- und Arbeitsgemeinschaften jedoch unter den gegebenen Voraussetzungen in einem Spannungsverhältnis zum Kartellrecht stehe, sei nicht zu folgen.

6Diese Festlegung sei daher vergaberechtswidrig. Da diese für alle Lose von Bedeutung sei und die Ausschreibung nach Streichung der Bestimmung einen anderen Bieterkreis anspreche, sei die gesamte Ausschreibung für nichtig zu erklären.

74. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der Auftraggeberin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

8Die mitbeteiligte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurück- bzw. abzuweisen.

95. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

105.1. Die Revision bringt zur Begründung der Zulässigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGG unter anderem vor, die mitbeteiligte Partei stütze ihren Antrag jeweils auf abstrakte Rechtswidrigkeiten, ohne zu behaupten, dass sie konkret daran gehindert werde, ein erfolgversprechendes Angebot zu legen. Im Zusammenhang mit der gegenständlichen Festlegung der Nichtzulassung von Bieter- und Arbeitsgemeinschaften hätte die mitbeteiligte Partei gar nicht vorgebracht, einen solchen Zusammenschluss anzustreben, und auch nicht behauptet, nur im Falle eines Zusammenschlusses ein erfolgversprechendes Angebot abgeben zu können. Ein Unternehmer sei jedoch nur insoweit antragslegitimiert, als seine Möglichkeiten am Vergabeverfahren teilzunehmen, durch die behaupteten Rechtswidrigkeiten beeinträchtigt werden könnten. Bieter und Bewerber hätten nur dann ein subjektives Recht auf Einhaltung der Vergaberechtsvorschriften, wenn diese dem Schutz ihrer Interessen vor dem Eintritt eines Schadens dienen. Nur insoweit sei ein Teilnehmer antragslegitimiert. Das Verwaltungsgericht weiche mit seiner Entscheidung von einer näher zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab.

11Die Revision ist aufgrund dieses Vorbringens zulässig.

125.2. § 20 Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2014 (WVRG 2014), LGBl. Nr. 37/2013, lautet auszugsweise:

„2. Abschnitt

Nichtigerklärungsverfahren

Antrag

§ 20. (1) Eine Unternehmerin oder ein Unternehmer, die oder der ein Interesse am Abschluss eines dem BVergG 2006 unterliegenden Vertrages behauptet, kann die Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung (§ 2 Z 16 lit. a BVergG 2006) der Auftraggeberin oder des Auftraggebers im Verfahren zur Vergabe von Aufträgen wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihr oder ihm durch eine behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. (...)“

135.3. Die beiden Tatbestandselemente „Interesse am Vertragsabschluss“ und „entstandener oder drohender Schaden“ sind kumulativ zu erfüllen; bei deren Fehlen ist der Antrag zurückzuweisen. Die Antragslegitimation setzt somit voraus, dass die Möglichkeit des Antragstellers, am Vergabeverfahren teilzunehmen, durch die behauptete Rechtswidrigkeit beeinträchtigt werden kann. Umgekehrt fehlt die Antragslegitimation dann, wenn selbst bei Vermeidung der behaupteten Rechtswidrigkeit kein Schaden entstanden sein konnte oder entstehen kann, weshalb dann die behauptete Rechtswidrigkeit nicht geprüft zu werden braucht. Insofern muss eine Kausalität zwischen der behaupteten Rechtsverletzung und dem geltend gemachten Schaden bestehen (vgl. zu dem im Wesentlichen gleichlautenden § 320 BVergG 2006 Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel [Hrsg.], BVergG-Kommentar [2009], § 320 Rz 1 ff; vgl. zu dem im Wesentlichen gleichlautenden § 85 Abs. 1 Stmk. VergG ; vgl. zum Erfordernis der nachvollziehbaren Möglichkeit eines Schadenseintritts auch ).

14Die Antragslegitimation ist somit dann nicht gegeben, wenn selbst bei Vermeidung der behaupteten Rechtswidrigkeit die Situation des Antragstellers nicht verbessert würde.

15Vor diesem Hintergrund erfordert auch die Bejahung der Antragslegitimation im Nichtigerklärungsverfahren gemäß § 20 WVRG 2014 unter anderem das Vorliegen eines Tatsachenvorbringens seitens des Antragstellers, das die Möglichkeit eines Schadenseintritts wegen Vorliegens der in Nachprüfung gezogenen Vergaberechtswidrigkeit plausibel macht, wozu auch die Erkennbarkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen der ins Treffen geführten Rechtswidrigkeit und dem behaupteten Schaden gehört.

165.4. Die mitbeteiligte Partei hat in ihrem Antrag die Rechtswidrigkeit der Festlegung im Punkt 6.4. betreffend den Ausschluss der Beteiligung von Bieter- und Arbeitsgemeinschaften geltend gemacht, jedoch tritt sie in dem Vergabeverfahren selbst nicht als Teil einer Bieter- oder Arbeitsgemeinschaft auf. Sie hat auch nicht vorgebracht, eine solche Gemeinschaft für die Beteiligung an dem Vergabeverfahren bilden zu wollen oder ein Tatsachenvorbringen erstattet, aus welchem Grund konkret von ihr trotz vorliegender Eignung wegen der Unzulässigkeit der Bildung einer Bietergemeinschaft kein wettbewerbsfähiges Angebot gelegt werden könne. Das Vorbringen, es seien insbesondere kleine Unternehmen gehindert, am Vergabeverfahren teilzunehmen, stellt ohne weitere Konkretisierung keinen Kausalbezug zu der Person der Antragstellerin her, sodass nicht ersichtlich ist, inwiefern die Situation der mitbeteiligten Partei als Antragstellerin bei Vermeidung der behaupteten Rechtswidrigkeit der Ausschreibungsbedingungen verbessert würde.

17Das Verwaltungsgericht hat die Antragslegitimation der mitbeteiligten Partei auf Basis des Vorbringens zumindest implizit bejaht und damit vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage betreffend die Prüfung der Antragslegitimation in Nichtigerklärungsverfahren seine Entscheidung - gemessen am dargestellten Vorbringen der mitbeteiligten Partei - mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.

18Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

195.5. Dem Antrag der Revisionswerberin auf Aufwandersatz war nicht stattzugeben, da Land und Stadt Wien eine einzige Gebietskörperschaft sind (vgl. zum Aufwandersatz bei Identität der Rechtsträger , mit Verweis auf , mwN).

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018040164.L00

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