Suchen Hilfe
VwGH vom 23.02.2011, 2010/11/0115

VwGH vom 23.02.2011, 2010/11/0115

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des I K in K, vertreten durch Mag. Philipp Tschernitz, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Waaggasse 18/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS- 233/4/2010, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Lenkverbot (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 und § 7 Abs. 3 Z 11 FSG "auf die gemäß § 25 Abs. 1 FSG festgesetzte Dauer von 12 (zwölf) Monaten, gerechnet ab dem Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides" entzogen (Spruchpunkt I/a.), wobei gleichzeitig ausgesprochen wurde, dass die Entziehungsdauer gemäß § 25 Abs. 3 FSG "aufgrund einer im Vormerksystem aufscheinenden Vormerkung … um zwei Wochen verlängert wird" (Spruchpunkt I/b.). Weiters ordnete die Erstbehörde gemäß § 24 Abs. 3 FSG die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens an (Spruchpunkt II.). Schließlich wurde unter Spruchpunkt "III./IV." für den Zeitraum der Entziehung ein Lenkverbot gemäß § 32 Abs. 1 FSG verhängt und ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 FSG den Führerschein unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft bei der Behörde abzuliefern habe.

Die Erstbehörde begründete dies im Wesentlichen mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit Strafurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom u.a. wegen des Verbrechens des § 28a Abs. 1 (4. Fall, erste und zweite Alternative) SMG zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten (davon 18 Monate bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit) verurteilt worden sei, weil er im Zeitraum bis vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28 SMG) mehrfach übersteigenden Menge, konkret Cannabiskraut und Kokain, mehreren Suchtgiftabnehmern teils angeboten und teils (vorwiegend entgeltlich) überlassen habe.

Damit habe der Beschwerdeführer eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 11 FSG verwirklicht, die im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG als besonders verwerflich zu werten sei, zumal die Straftat auch einen langen Tatzeitraum betroffen habe. Abgesehen davon beruhe "die Festsetzung der im Spruch angeführten Entziehungsdauer" auch auf dem Umstand, dass die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers schon mehrmals (zuletzt 2004) wegen Alkoholdelikten entzogen worden sei und der Beschwerdeführer insgesamt 22 Übertretungen der StVO 1960 und des KFG 1967 aufweise. Der Umstand, dass dem Beschwerdeführer nach seinen Angaben vom Strafgericht zum Zwecke der Suchtmitteltherapie auch ein Strafaufschub (betreffend den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe) gewährt worden sei, sei im gegebenen Zusammenhang zu vernachlässigen, weil die bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 FSG nicht den Konsum, sondern das rechtswidrige Inverkehrsetzen von Suchtmittel betreffe.

Aufgrund einer im Vormerksystem aufscheinenden Vormerkung (Übertretung des § 14 Abs. 8 FSG) sei "die Entziehungsdauer spruchgemäß um zwei Wochen zu verlängern" gewesen.

Zu den Spruchpunkten II. und III/IV. verwies die belangte Behörde auf die dort zitierten Gesetzesstellen und führte zu II. aus, dass aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes, insbesondere des regelmäßigen Suchtgiftkonsums des Beschwerdeführers, begründete Bedenken gegen dessen gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bestünden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung und das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 11 FSG nicht bestritt, sich aber gegen die Wertung des strafbaren Verhaltens durch die Behörde wendete. Dazu verwies er auf sein zwischenzeitiges Wohlverhalten, das Absolvieren einer Drogentherapie und insbesondere auf die vom Strafgericht ausgesprochene bedingte Strafnachsicht, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch von der Führerscheinbehörde bei der Beurteilung der Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit und somit bei der Festsetzung der Dauer Entziehung der Lenkberechtigung zu berücksichtigen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. In der Begründung gab sie das Verfahrensgeschehen und die maßgebenden Rechtsvorschriften wieder und führte zum Vorliegen der bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 11 FSG und deren Wertung gemäß Abs. 4 leg. cit. im Wesentlichen die gleichen Argumente wie die Erstbehörde an. Ergänzend führte sie aus, dass dem Wohlverhalten des Beschwerdeführers nach der Haftentlassung im Mai 2009 (Untersuchungshaft) vor dem Hintergrund des noch laufenden Strafaufschubes eine untergeordnete Bedeutung zukomme, weil er im Falle eines negativen Verlaufes der Therapie die verhängte Freiheitsstrafe (gemeint: den unbedingten Teil derselben) zu verbüßen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde unter gleichzeitigem Verzicht auf eine Gegenschrift die Verwaltungsakten vorgelegt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde u.a. geltend, dass das Strafgericht in seinem Strafurteil bei Ausspruch der bedingten Strafnachsicht davon ausgegangen sei, die Verhängung einer unbedingten Strafe von 6 Monaten reiche aus, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Hätte sich die belangte Behörde mit diesen Erwägungen des Strafgerichtes auseinandergesetzt, so wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass auch die Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers innerhalb eines wesentlich kürzeren Zeitraumes als im Spruch festgelegt erfolgen werde und dass daher die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung zu lange bemessen sei.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer insofern im Recht, als die belangte Behörde nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. aus vielen die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/11/0281, und vom , Zl. 2007/11/0194, je mwN ) verpflichtet gewesen wäre, sich im Rahmen der Beurteilung der Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit (somit bei der Beurteilung der Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung bzw. des Lenkverbotes) mit den sich aus dem Strafurteil ergebenden Erwägungen, die zur bedingten Strafnachsicht geführt haben, auseinander zu setzen.

Der angefochtene Bescheid ist aber auch deshalb rechtswidrig, weil er den Vorgaben des § 25 Abs. 1 erster Satz FSG betreffend die eindeutige Erkennbarkeit des Zeitraumes, für den die Lenkberechtigung entzogen (bzw. das Lenkverbot verhängt) wurde, nicht entspricht (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2003/11/0281, und das Erkenntnis vom , Zl. 2007/11/0009).

§ 25 FSG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 15/2005

lautet auszugsweise:

"Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. …

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. Sind für die Person, der die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen ist, zum Zeitpunkt der Entziehung im Vormerksystem (§ 30a) Delikte vorgemerkt, so ist für jede dieser im Zeitpunkt der Entziehung bereits eingetragenen Vormerkungen die Entziehungsdauer um zwei Wochen zu verlängern; davon ausgenommen sind Entziehungen auf Grund des § 7 Abs. 3 Z 14 und 15."

Im gegenständlichen Fall wurde einerseits die Dauer der Entziehung im von der belangten Behörde bestätigten Erstbescheid unter Spruchteil I/a. mit 12 Monaten (gerechnet ab Eintritt der Rechtskraft) "festgesetzt". Andererseits wurde gemäß § 25 Abs. 3 zweiter Satz FSG unter Spruchteil I/b. "die Entziehungsdauer um zwei Wochen verlängert". Damit bleibt unklar, ob die Entziehungsdauer insgesamt mit 12 Monaten festgesetzt wurde (die zweiwöchige Verlängerung in diese Dauer also bereits eingerechnet ist) oder ob zu dieser Entziehungsdauer weitere zwei Wochen hinzukommen. Die belangte Behörde hätte daher - sofern im Fall des Beschwerdeführers überhaupt eine Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit in der genannten Größenordnung anzunehmen ist - den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG richtig stellen müssen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2007/11/0009).

Da nach dem Gesagten die Spruchpunkte I. und III./IV. rechtswidrig sind und Spruchpunkt II. die rechtmäßige Entziehung der Lenkberechtigung voraussetzt (§ 24 Abs. 3 FSG), war der angefochtene Bescheid zur Gänze wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
JAAAE-76869