VwGH vom 24.07.2013, 2010/11/0106
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der C W in K, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in 9300 St. Veit/Glan, Unterer Platz 11, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom , Zl. BMVIT- 424.091/0003-II/ST4/2010, betreffend Befugnis zur praktischen Ausbildung von Verkehrspsychologen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes 2.) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom wurde bei der belangten Behörde um die "Anerkennung (der Beschwerdeführerin) als Ausbildnerin gem. § 20 Abs. 3 FSG-GV" angesucht. Begründend wurde vorgebracht, die Beschwerdeführerin sei mit Schreiben vom , GZ. 424091/2-II/814-03, zur Verkehrspsychologin ermächtigt worden und seither kontinuierlich in dieser Funktion tätig gewesen.
Mit Schreiben vom richteten die Vertreter der Beschwerdeführerin ein Schreiben an die belangte Behörde. Darin wiesen sie erneut darauf hin, dass die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom "zur Verkehrspsychologin ermächtigt" worden sei. Laut § 20 Abs. 3 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) seien Verkehrspsychologen, welche im Rahmen einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle seit mindestens vier Jahren selbständig verkehrspsychologische Stellungnahmen abgegeben haben, zur praktischen Ausbildung von Verkehrspsychologen befugt. Das diesbezügliche Schreiben vom sei unerledigt geblieben. Es werde gebeten, den zuständigen Sachbearbeiter zu einer Stellungnahme anzuleiten. Mit weiterem Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin durch ihre Vertreter den Antrag, über ihr Ansuchen mit Bescheid zu entscheiden.
Der daraufhin ergangene, nunmehr angefochtene Bescheid enthält folgenden Spruch:
"Die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie weist
1.) den in gegenständlicher Angelegenheit von (der Beschwerdeführerin) im Wege Ihrer Rechtsvertreter Kleinszig-Puswald am eingebrachten Antrag‚ 'über ihr Ansuchen mit Bescheid zu entscheiden' gem. § 20 Abs. 3 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) zurück
und stellt
2.) fest, dass (die Beschwerdeführerin) gegenwärtig noch nicht die für die Ausbildung von Verkehrspsychologen erforderliche Eignung besitzt."
Zu Spruchpunkt 1.) führt die belangte Behörde begründend aus, § 20 Abs. 3 FSG-GV sei "keine materiellrechtliche Bestimmung immanent, welche eine (zusätzliche) bescheidmäßige Absprache des Bundesministeriums als Voraussetzung für die Aufnahme der Ausübung einer Ausbildungsfunktion vorsieht". Es bedürfe für die Ausübung der Befugnis zur praktischen Ausbildung von Verkehrspsychologen keines bescheidmäßigen Abspruches.
Ihre Entscheidung hinsichtlich Spruchpunkt 2.) begründet die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass zum Zeitpunkt des ersten Ansuchens der Beschwerdeführerin vom Hinweise auf angebliche Mangelhaftigkeiten bei von der Beschwerdeführerin verfassten verkehrspsychologischen Stellungnahmen vorgelegen seien. Um diesen Hinweisen nachzugehen, habe sich die belangte Behörde der gemäß § 21 FSG-GV eingerichteten fachkundigen Expertenkommission bedient. Die Expertenkommission habe zahlreiche von der Beschwerdeführerin verfasste verkehrspsychologische Stellungnahmen überprüft und eine Beurteilung abgegeben. Es könne nicht übersehen werden, dass in dieser Stellungnahme schwerwiegende Argumente betreffend fehlende Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit einzelner verkehrspsychologischer Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht würden. Dazu komme, dass einzelne der im Handbuch der genannten Einrichtung vorgegebene Testverfahren, zu deren Anwendung und gleichartigen Auswertung alle für diese ermächtigte Stelle tätig werdenden Verkehrspsychologen gemäß § 19 Abs. 3 FSG-GV verpflichtet seien, keine Anwendung gefunden hätten.
Die belangte Behörde vertrete die Auffassung, dass im Hinblick auf die mit der praktischen Ausbildung angehender Verkehrspsychologen verbundene Verantwortung die Ausbildner über eine entsprechende Qualifikation verfügen müssen. Dazu gehöre auch die Erstellung schlüssiger und nachvollziehbarer Stellungnahmen unter Einhaltung der für die ermächtigten Stellen in deren Handbuch festgelegten Testverfahren sowie die Einhaltung der Richtlinie zur Erstellung verkehrspsychologischer Stellungnahmen. Nachdem die von der Beschwerdeführerin vorgelegten verkehrspsychologischen Stellungnahmen diesen Erfordernissen nicht entsprächen, sehe sich die belangte Behörde zur Erlassung des "gegenständlichen (…) Feststellungsbescheides" veranlasst.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
1. Die gegenständlich maßgeblichen Rechtsvorschriften der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV) in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. II Nr. 64/2006 lauten auszugsweise:
"Verkehrspsychologische Untersuchungsstellen
§ 19. (1) Eine verkehrspsychologische Stellungnahme darf nur von einer vom Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr ermächtigten verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle abgegeben werden.
(2) Als verkehrspsychologische Untersuchungsstelle ist gemäß § 36 FSG eine Einrichtung oder eine Vereinigung von selbständigen Psychologen zu ermächtigen,
1. in der mindestens sechs Verkehrspsychologen (§ 20) tätig sind, die im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung für die Klasse B sind, und
2. die in der Lage ist, verkehrspsychologische Untersuchungen in mehr als einem Bundesland gleichzeitig durchzuführen.
(3) Handelt es sich bei der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle um eine Vereinigung von selbständigen Verkehrspsychologen, so ist überdies nachzuweisen, daß alle für die Untersuchungsstelle tätigen Verkehrspsychologen dieselben Testverfahren anwenden und gleichartig auswerten.
(4) Jede verkehrspsychologische Untersuchungsstelle hat beim Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr ein Handbuch zu hinterlegen, das dokumentiert:
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1. | Standards der Verwaltung der Stellungnahmen, |
2. | Ablauf der Untersuchung, |
3. | Kriterien für die Entscheidung, |
4. | Organisation der Aus- und Weiterbildung, |
5. | Gewährleistung des Erfahrungsaustausches und der Abstimmung der Verkehrspsychologen untereinander (Intervision) und bundesweit mit anderen verkehrspsychologischen Untersuchungsstellen im Ausmaß von mindestens acht Stunden. |
(5) Die verkehrspsychologischen Stellungnahmen sind von dem hierfür verantwortlichen Psychologen abzugeben; bei nachgewiesenen Mißständen in der Abgabe der Stellungnahmen durch einen Psychologen hat sich die verkehrspsychologische Untersuchungsstelle innerhalb von drei Monaten von diesem Psychologen zu trennen oder ist die Expertenkommission gemäß § 21 Abs. 5 einzuberufen.
…
Ausbildung zum Verkehrspsychologen
§ 20…
(3) Zur praktischen Ausbildung von Verkehrspsychologen befugt sind Verkehrspsychologen, die im Rahmen einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle seit mindestens vier Jahren selbständig verkehrspsychologische Stellungnahmen abgegeben haben. Die Namen der befugten Ausbildner sind dem Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr bekanntzugeben.
…
Verfahren zur Genehmigung von Testverfahren und zur Ermächtigung von verkehrspsychologischen Untersuchungsstellen
§ 21. (1) Bei einem Antrag auf Genehmigung von Testverfahren für die verkehrspsychologische Untersuchung oder auf Ermächtigung als verkehrspsychologische Untersuchungsstelle hat sich der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr der sachverständigen Beratung einer Expertenkommission zu bedienen.
…
(5) Bei Verdacht auf Unzulänglichkeiten bei der Durchführung der Aufgaben einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle hat der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr die Expertenkommission zur Überprüfung der Vorwürfe einzuberufen. Die Expertenkommission hat den Vertretern der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle ausreichend Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Erweisen sich die Vorwürfe als gerechtfertigt, ist die Ermächtigung zu entziehen."
2. § 20 Abs. 3 FSG-GV stellt für die Erlangung der Befugnis zur praktischen Ausbildung von Verkehrspsychologen explizit nur darauf ab, dass vom betreffenden Verkehrspsychologen "im Rahmen einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle seit mindestens vier Jahren selbständig verkehrspsychologische Stellungnahmen abgegeben" worden sind. Die Namen der befugten Ausbildner sind gemäß § 20 Abs. 3 letzter Satz leg. cit. der belangten Behörde gegenüber lediglich "bekannt zu geben".
2.1. Dass die Beschwerdeführerin, wie von ihr behauptet, die Voraussetzung des § 20 Abs. 3 FSG-GV erfüllt, ist unstrittig. Der zu Spruchpunkt 1.) des angefochtenen Bescheides vertretenen Ansicht der belangten Behörde, § 20 Abs. 3 FSG-GV erfordere keinen bescheidmäßigen Abspruch des Bundesministers als Voraussetzung für die Ausübung einer Ausbildungsfunktion, ist somit nicht entgegen zu treten.
Soweit sie sich gegen Spruchpunkt 1.) des angefochtenen Bescheides richtet, war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.
2.2. Mit ihrem Feststellungsbescheid zu Spruchpunkt 2.) verkennt die belangte Behörde jedoch die Rechtslage. Sie stützt ihre Entscheidung darauf, dass die vorliegenden, von der Beschwerdeführerin verfassten, verkehrspsychologischen Stellungnahmen mangelhaft seien und sie deshalb "noch nicht die für die Ausbildung von Verkehrspsychologen erforderliche Eignung" besitze. Damit entfernt sie sich jedoch vom Wortlaut der FSG-GV, deren § 20 Abs. 3 zur Erlangung der Befugnis zur praktischen Ausbildung von Verkehrspsychologen explizit nur darauf abstellt, dass vom betreffenden Verkehrspsychologen "im Rahmen einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle seit mindestens vier Jahren selbständig verkehrspsychologische Stellungnahmen abgegeben" worden sind. Dass die Beschwerdeführerin, wie von ihr behauptet, diese Voraussetzung erfüllt, wird von der belangten Behörde nicht bestritten. Die Annahme weiterer Voraussetzungen für die verfahrensgegenständliche Befugnis findet aber keine Deckung im insofern unmissverständlichen und erschöpfenden Wortlaut der Verordnung.
2.3. Auch vermag der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, die Erlassung eines Feststellungsbescheides liege sowohl im öffentlichen als auch im Interesse der Beschwerdeführerin, nicht zu teilen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/01/0008, mwN).
2.4. Unzweifelhaft ist die Erlassung eines Feststellungsbescheids in den Bestimmungen der FSG-GV nicht vorgesehen. Ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin an der Feststellung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ist angesichts des unbestrittenen Umstandes, dass die Beschwerdeführerin die nach § 20 Abs. 3 FSG-GV erforderliche Berufspraxis aufweist und dies die einzige Voraussetzung für die Tätigkeit als Ausbildnerin ist, nicht ersichtlich.
2.5. Auch ein öffentliches Interesse an der Feststellung einer mangelnden Eignung der Beschwerdeführerin als Ausbildnerin ist angesichts der der Behörde durch die FSG-GV an die Hand gegebenen Möglichkeiten nicht zu erkennen.
So trifft nach § 19 Abs. 5 zweiter Halbsatz FSG-GV zunächst die verkehrspsychologische Untersuchungsstelle die Verpflichtung, bei nachgewiesenen Missständen in der Abgabe der Stellungnahmen durch einen Psychologen, sich innerhalb von drei Monaten von diesem zu trennen. Weiters sieht diese Bestimmung die Einberufung der "Expertenkommission gemäß § 21 Abs. 5" leg. cit. vor. Laut letztgenannter Bestimmung hat der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr (jetzt: die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie) bei Verdacht auf Unzulänglichkeiten bei der Durchführung der Aufgaben einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle die Expertenkommission zur Überprüfung der Vorwürfe einzuberufen. Die Expertenkommission hat den Vertretern der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle ausreichend Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Erweisen sich die Vorwürfe als gerechtfertigt, ist die der Untersuchungsstelle erteilte Ermächtigung zu entziehen.
Aus der Systematik der FSG-GV ergibt sich somit, dass die belangte Behörde zur Hintanhaltung bzw. Sanktionierung von qualitativen Mängeln der von der Beschwerdeführerin erstellten verkehrspsychologischen Stellungnahmen allenfalls Maßnahmen gegenüber der sie beschäftigenden Untersuchungsstelle zu setzen gehabt hätte.
2.6. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher im Umfang seines Spruchpunktes 2.) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
QAAAE-76858