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VwGH vom 24.03.2011, 2008/09/0228

VwGH vom 24.03.2011, 2008/09/0228

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des H, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice vom , Zl. LGSW/Abt. 3/08115/ ABA 1493249/2008, betreffend Antrag auf Feststellung des unbeschränkten Zugangs zum Arbeitsmarkt gemäß § 17 Abs. 1 Z. 2 oder 3 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem an die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gerichteten Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsbürger, den Antrag, diese Behörde möge feststellen, dass er das Recht auf unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt gemäß § 17 Abs. 1 Z. 2, Z. 3 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) besitze. Zur Begründung dieses Antrages führte der Beschwerdeführer aus, dass er seit dem Jahr 1989 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei und über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes (FrG), BGBl. Nr. 838/1992, verfüge. Ihm seien für die Zeiträume vom bis zum und vom bis zum durch das Arbeitsmarktservice Wien Befreiungsscheine ausgestellt worden. Seinem Antrag gemäß § 4c AuslBG sei stattgegeben worden. Dem Beschwerdeführer stehe kein anderes gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfügung, um sein Recht auf unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt im Bundesgebiet durchzusetzen.

Mit Bescheid der Erstbehörde vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 17 Abs. 1 AuslBG abgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer über einen Befreiungsschein mit Gültigkeit vom bis zum verfüge, der gemäß § 4c Abs. 2 AuslBG iVm Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz ARB Nr. 1/80 ausgestellt sei und es ihm daher an einem rechtlichen Interesse an der Erlassung eines zusätzlichen Feststellungsbescheides ermangle. Außerdem habe der Beschwerdeführer die Möglichkeit, die Erteilung eines in § 17 Abs. 1 AuslBG genannten Aufenthaltstitels bei der zuständigen Aufenthaltsbehörde zu beantragen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er sich gegen die Auffassung der Erstbehörde wandte, ihm fehlte ein rechtliches Interesse an der Erlassung des beantragten Feststellungsbescheides, weil der ihm ausgestellte Befreiungsschein nur für einen Zeitraum von fünf Jahren befristet sei. Auch bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung betreffend die Erlassung von Feststellungsbescheiden seien solche auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage zulässig, wenn ihre Erlassung für eine Partei ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung sei.

Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom nach Darstellung von Rechtsvorschriften auf, "den Aufenthaltstitel nach dem NAG vollständig nachzuweisen".

Daraufhin legte der Beschwerdeführer eine Kopie seines Reisepasses vor, aus welcher ein ihm gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, erteilter unbefristeter Sichtvermerk ersichtlich ist.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 17 Abs. 1 AuslBG keine Folge gegeben. Nach Darstellung von Rechtsvorschriften stellte die belangte Behörde fest, dass dem Beschwerdeführer am von der Bundespolizeidirektion Wien ein unbefristeter Sichtvermerk gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, erteilt worden sei. Sodann verwies die belangte Behörde auf § 81 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), nach welchem die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach diesem Bundesgesetz bedürfe, sofern dies nicht bereits nach dem Fremdengesetz 1997 möglich gewesen sei. Die gemäß § 17 Abs. 1 AuslBG erforderlichen Aufenthaltstitel seien "in diesem Zusammenhang zu sehen". Der Beschwerdeführer verfüge nicht über einen nach § 17 Abs. 1 AuslBG erforderlichen Aufenthaltstitel.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung des begehrten Feststellungsbescheides mit der Begründung nicht stattgegeben, dass sein rechtliches Interesse auf Erlassung des Feststellungsbescheides im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer im Besitz eines Befreiungsscheines sei, sowie im Hinblick auf die Möglichkeit der Stellung eines Antrages auf Erteilung eines in § 17 Abs. 1 AuslBG genannten Aufenthaltstitels keine Folge gegeben. Damit hat die Erstbehörde ihre Zuständigkeit zur Erlassung eines Feststellungsbescheides im Ergebnis verneint und den Antrag des Beschwerdeführers in Wahrheit zurückgewiesen.

Demgegenüber hat die belangte Behörde in ihrer Berufungsentscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlassung eines Feststellungsbescheides inhaltlich entschieden, indem sie der Berufung mit der Begründung keine Folge gab, dass nach ihrer Auffassung der für eine solche Feststellung eines unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt erforderliche Aufenthaltstitel nicht nachgewiesen hätte werden können.

Gemäß § 66 Abs. 4 erster Satz AVG, auf den sich der angefochtene Bescheid stützt, hat die Berufungsbehörde außer in dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

Prozessgegenstand der Berufungsentscheidung ist daher die Verwaltungssache, die zunächst der Behörde erster Rechtsstufe vorlag. Hat die Unterbehörde nur prozessual entschieden, dann darf die Berufungsbehörde nicht in merito entscheiden. Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG war im vorliegenden Fall allein die - von der Erstbehörde verneinte - Frage, ob eine Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Erlassung des vom Beschwerdeführer begehrten Feststellungsbescheides gemäß § 17 Abs. 1 AuslBG bestand. Dies wurde von der Erstbehörde - zu Recht - verneint. Da die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung aber über diese Grenzen hinausging, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 89/09/0093, und vom , Zl. 2006/09/0105, mwN).

Für das fortgesetzte Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

Die Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung-NAG DV), BGBl. II Nr. 451/2005, sieht in ihrem § 11 Abs. 3 Z. 1 nämlich unzweifelhaft vor, dass "gewöhnliche Sichtvermerke gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" weiter gelten. Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf § 81 Abs. 2 zweiter Satz NAG verweist, wonach das Recht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit jedenfalls der Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach diesem Bundesgesetz, sofern dies nicht bereits im Fremdengesetz 1997 möglich war, bedarf, verweist, so vermag dies an dem klaren Wortlaut der angeführten Verordnung nichts zu ändern. Daher ist der Beschwerdeführer angesichts der zitierten Verordnungsstelle - ohne dass es eines Feststellungsbescheides bedürfte - wie der Inhaber eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" zu behandeln. Auf die Anmerkung von Bichl/Schmied/Szymanski, Das neue Recht der Arbeitsmigration, 2006, 568, zu § 81 NAG betreffend die Verpflichtung der nach dem NAG zuständigen Behörden zur Ausstellung von "neuen" Dokumenten (hier: "Daueraufenthalt - EG") nach dem NAG an Inhaber von unbefristeten Aufenthaltstiteln nach einer früheren Rechtslage, wird hingewiesen.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 41 AMSG und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am