VwGH vom 02.08.2013, 2012/21/0151
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des RA in S, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom , Zl. UVS-5/14223/5-2011, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und reiste im August 2004 nach Österreich ein. Hier stellte er einen Asylantrag, der letztlich mit im Instanzenzug ergangenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom - in Verbindung mit einer Ausweisung in die Türkei - rechtskräftig abgewiesen wurde.
Der Beschwerdeführer verblieb in Österreich. Er wurde deshalb in der Folge von der Bundespolizeidirektion Salzburg (BPD) mit Straferkenntnis vom wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet "zumindest seit " bestraft und zu einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verurteilt. Die dagegen erhobene Berufung wies der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg mit Bescheid vom als unbegründet ab.
Mit weiterem Straferkenntnis der BPD vom wurde dem Beschwerdeführer dann zur Last gelegt, er habe sich am , um 10.20 Uhr, an einer Bushaltestelle in Salzburg nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Er habe dadurch § 31 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG verletzt und es werde deshalb gemäß § 120 Abs. 1 Z 2 FPG idF BGBl. I Nr. 17/2011 über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.500,--, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 540 Stunden, verhängt.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er insbesondere geltend machte, er habe "intensive private Bindungen" innerhalb der Republik Österreich und es bestehe ein schützenswertes Privatleben. Im Hinblick darauf habe er auch am einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 3 NAG gestellt.
Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom wies der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg (die belangte Behörde) diese Berufung als unbegründet ab; dies mit der Maßgabe, "die verletzte Rechtsnorm" einerseits und "die angewandte Strafbestimmung" andererseits hätten zu lauten "§ 31 Abs. 1 iVm § 120 Abs. 1a FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011" bzw. "§ 120 Abs. 1a, zweiter Satz, FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011".
Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1405/11-16, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage seitens der belangten Behörde erwogen:
Die belangte Behörde antwortete auf das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, er habe einen Antrag nach § 44 Abs. 3 NAG gestellt, lediglich damit, dass eine solche Antragstellung kein Bleiberecht im Bundesgebiet verschaffe.
Das greift zu kurz.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Strafbescheid, unter Bezugnahme auf die Antragstellung nach § 44 Abs. 3 NAG, war nämlich so zu deuten, dass er mittlerweile über derart intensive private Beziehungen in Österreich verfüge, dass seine Aufenthaltsbeendigung nunmehr unzulässig wäre.
Zwar hatte der Asylgerichtshof gegen den Beschwerdeführer im Oktober 2010 eine asylrechtliche Ausweisung erlassen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur hier maßgeblichen Rechtslage vor Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 38 (FrÄG 2011), unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/21/0065, ausgesprochen hat, kann eine Ausweisung aber ihre Wirksamkeit verlieren, wenn sich die Beurteilungsgrundlagen für die Abwägung nach Art. 8 EMRK maßgeblich zu Gunsten des Fremden verschoben haben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/21/0088, und vom , Zl. 2009/22/0269). Wäre das gegenständlich bis zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt () der Fall gewesen, was von der belangten Behörde aber nicht geprüft wurde, und würde sich bezogen auf den genannten Tatzeitpunkt ergeben, dass der Beschwerdeführer nunmehr derart gravierende private Bindungen in Österreich aufzuweisen habe, dass sein Interesse an deren Aufrechterhaltung die entgegenstehenden öffentlichen Interessen an einer Außerlandesschaffung überwiegt, so hätte er wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Inland nicht bestraft werden dürfen (vgl. in diesem Sinn näher mit Hinweisen auf die Vorjudikatur das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2010/21/0049, 0050).
Im Detail muss darauf aber aus folgenden Gründen nicht eingegangen werden:
Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, u.a. (Z 2) die Verwaltungsvorschrift zu enthalten, die durch die Tat verletzt worden ist. Ein Strafbescheid ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, wenn im Spruch ein Sachverhalt einem Straftatbestand unterstellt wird, der durch die Tat nicht verwirklicht wurde.
Im vorliegenden Fall legte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur Last, dass er sich am unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Als maßgebliche Verwaltungsvorschrift im Sinn des § 44a Z 2 VStG wurde (insbesondere) § 120 Abs. 1a FPG herangezogen. Abs. 1a wurde allerdings erst mit dem am in Kraft getretenen FrÄG 2011 in die Bestimmung des § 120 FPG eingefügt, weshalb sich eine Bezugnahme auf diesen Absatz für den hier zu beurteilenden Tatzeitpunkt im April 2011 als verfehlt erweist (vgl. zu ähnlichen Konstellationen die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/21/0146, und Zl. 2010/21/0400).
Dass die belangte Behörde im Grunde des § 1 Abs. 2 VStG außerdem nicht § 120 Abs. 1a zweiter Satz als maßgebliche Strafbestimmung hätte heranziehen dürfen, tritt hinzu. Infolge der durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 53/10 ua., VfSlg. 19.351, mit Wirksamkeit vom (Kundmachung BGBl. I Nr. 17/2011) bereinigten Rechtslage kam nämlich ungeachtet der vorgeworfenen Tatwiederholung zum Tatzeitpunkt gemäß der damals in Geltung stehenden Bestimmung des § 120 Abs. 1 Z 2 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011 nur die Verhängung einer Geldstrafe von bis zu EUR 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe bis zu drei Wochen) in Betracht, während die von der belangten Behörde herangezogene, im Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Bescheides nach Inkrafttreten des FrÄG 2011 in Geltung stehende Strafnorm des § 120 Abs. 1a zweiter Satz FPG eine Geldstrafe von EUR 2.500,-- bis zu EUR 7.500,-- oder eine Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen vorsieht. Die BPD hat ihrer Bestrafung zwar im Sinn des eben Gesagten noch richtig § 120 Abs. 1 Z 2 FPG idF vor Inkrafttreten des FrÄG 2011 zugrunde gelegt. Die von ihr verhängte Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 540 Stunden überschreitet aber die in dieser Norm festgesetzte Obergrenze von drei Wochen (504 Stunden), weshalb sich der insoweit bestätigende Berufungsbescheid der belangten Behörde schließlich auch von daher als rechtswidrig erweist.
Insgesamt war der bekämpfte Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren (Ersatz der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG) war schon infolge Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen. Wien, am
Fundstelle(n):
MAAAE-76855