VwGH vom 24.01.2013, 2012/21/0140
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des OI in G, (auch: OI), vertreten durch Mag. Gerhard Fetsch, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 31/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 25.18-3/2012-6, betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er die zugrunde liegende Administrativbeschwerde abweist, und in Bezug auf den damit verbundenen Ausspruch, die Anordnung der Schubhaft über den Beschwerdeführer, seine Festnahme und seine Anhaltung "bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senates" seien rechtmäßig gewesen, sowie im Kostenpunkt wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
Der Beschwerdeführer, gemäß seinen Angaben ein nigerianischer Staatsangehöriger und am in das Bundesgebiet eingereist, stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom vollinhaltlich abgewiesen, außerdem wurde der Beschwerdeführer nach Nigeria ausgewiesen.
Das genannte Erkenntnis des Asylgerichtshofes erwuchs am in Rechtskraft. Der Beschwerdeführer verblieb jedoch in Österreich und wurde hier am wegen des Verdachtes der Begehung eines Verbrechens nach dem SMG verhaftet. Aus der über ihn verhängten Untersuchungshaft wurde er erst am entlassen; zu diesem Zeitpunkt war das gegen ihn geführte Strafverfahren noch nicht abgeschlossen.
Am wurde der Beschwerdeführer im Stande der Untersuchungshaft von Beamten der Bundespolizeidirektion Graz einvernommen. Nach dem Inhalt des Einvernahmeprotokolls gab er u. a. an, bisher falsche Personalangaben erstattet zu haben und Vater einer in der Schweiz lebenden Tochter zu sein. Außerdem führte er aus, dass es für ihn ein Problem sei, wenn er nach Nigeria abgeschoben werde. Darüber belehrt, dass er das Recht habe, "einen Antrag gemäß § 51 Fremdenpolizeigesetz" zu stellen, erklärte er schließlich gemäß dem weiteren Inhalt der in den Verwaltungsakten erliegenden Niederschrift, einen solchen Antrag "auf alle Fälle" stellen zu wollen.
Nach Entlassung aus der Untersuchungshaft ordnete die Bundespolizeidirektion Graz noch am gegen den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung an.
Am stellte der Beschwerdeführer im Stande der Schubhaft (neuerlich) einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Mitteilung vom wurde ihm hierauf gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt sei, diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Die Bundespolizeidirektion Graz hielt hierauf mit Aktenvermerk vom fest, dass die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG vorlägen und die Schubhaft daher als nach § 76 Abs. 2 FPG verhängt gelte.
In der Folge erhob der Beschwerdeführer Schubhaftbeschwerde, in der er u.a. darauf hinwies, bei seiner Einvernahme am einen Antrag nach § 51 FPG gestellt zu haben. In ihrer dazu erstatteten Stellungnahme führte die Bundespolizeidirektion Graz aus, dass diesem Antrag "keine weitere Beachtung" geschenkt worden sei, weil der Beschwerdeführer lediglich angegeben habe, in die Schweiz zu wollen, um sich um seine Freundin und um das gemeinsame Kind zu kümmern, aber nicht "von Problemen in Nigeria" gesprochen habe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (die belangte Behörde) die Schubhaftbeschwerde "gemäß §§ 76, 77, 80, 82 und 83" FPG iVm §§ 67c bis 67g AVG ab und stellte fest, dass die Anordnung der Schubhaft, die Festnahme und die Anhaltung des Beschwerdeführers bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senates rechtmäßig gewesen seien. Außerdem stellte die belangte Behörde fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen, und verpflichtete den Beschwerdeführer zum Kostenersatz.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten hatte der Beschwerdeführer bei seiner fremdenpolizeilichen Einvernahme am offenkundig einen Antrag nach § 51 FPG, bezogen auf seinen Herkunftsstaat Nigeria, gestellt. Ein derartiger Antrag hätte gemäß § 51 Abs. 2 FPG als Antrag auf internationalen Schutz gegolten und ihm hätte - entgegen der Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Graz im Verfahren vor der belangten Behörde - unabhängig von den vorgebrachten Gründen jedenfalls "Beachtung geschenkt" werden müssen. Insbesondere wäre der Beschwerdeführer gegebenenfalls als ein Fremder, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, zu behandeln gewesen, weshalb die dann am über ihn verhängte Schubhaft nicht auf § 76 Abs. 1 FPG hätte gestützt werden dürfen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0668, auf dessen Entscheidungsgründe - insbesondere die Punkte 1.3. und 1.4. - gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Die belangte Behörde ist über die Frage eines Antrags des Beschwerdeführers nach § 51 FPG in offensichtlicher Verkennung der Rechtslage ohne weitere Begründung hinweggegangen. Das belastet ihre Entscheidung, soweit sie die Administrativbeschwerde abgewiesen hat, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weil der Schubhaftbescheid gegebenenfalls schon wegen der Heranziehung einer verfehlten Rechtsgrundlage nicht rechtmäßig gewesen wäre. Wäre der Schubhaftbescheid rechtswidrig gewesen, so müsste das aber auch für die gesamte Zeit der auf ihn gestützten Anhaltung gelten. Insbesondere könnte der Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Graz vom , wonach die Schubhaft infolge Vorliegens der Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG nunmehr als gemäß § 76 Abs. 2 FPG verhängt gelte, keine Heilung bewirken (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0626, und daran anschließend zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0388).
Die soeben angesprochene Heilung könnte nur durch einen neuen Schubhafttitel bewirkt worden sein. Ein solcher neuer Schubhafttitel ist gegenständlich im Fortsetzungsausspruch der belangten Behörde nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG zu erblicken, in dessen Rahmen die belangte Behörde - ausreichend erkennbar - zu Recht davon ausging, dass im Zeitpunkt ihrer Entscheidung der Schubhafttatbestand nach § 76 Abs. 2 Z 2 FPG erfüllt sei. Soweit sich die vorliegende Beschwerde auch gegen diesen Fortsetzungsausspruch richtet, hat der Verwaltungsgerichtshof daher beschlossen, ihre Behandlung abzulehnen. Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof nämlich die Behandlung einer Beschwerde (u.a.) gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Bescheid von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerde wirft in Bezug auf den Fortsetzungsausspruch des bekämpften Bescheides keine entscheidungswesentlichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zuletzt zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung in diesem Umfang sprechen würden, liegen nicht vor. Die insoweit vorgenommene Prüfung hat nämlich keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende und für das Verfahrensergebnis entscheidende Fehlbeurteilung durch die belangte Behörde ergeben, zumal über das oben Gesagte hinaus die Annahme eines die Schubhaft erforderlich machenden Sicherungsbedarfs, insbesondere auch wegen der wechselnden Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Identität, gerechtfertigt war.
Zusammenfassend ergibt sich, dass der bekämpfte Bescheid in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang (Abweisung der Administrativbeschwerde und im Kostenpunkt) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war. Der diesbezügliche Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auch auf § 50 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Im Übrigen, nämlich soweit sich die Beschwerde auch gegen den Fortsetzungsausspruch des bekämpften Bescheides richtet, war mit einer Ablehnung ihrer Behandlung vorzugehen.
Wien, am
Fundstelle(n):
YAAAE-76838