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VwGH vom 15.07.2011, 2010/11/0099

VwGH vom 15.07.2011, 2010/11/0099

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des E S in P, vertreten durch Winkler - Heinzle - Nagel, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom , Zl. San60-288/103-2010, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem SMG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Ladungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer für den zur belangten Behörde ("Erdgeschoss - Sanitätsdienst") vorgeladen. Es wurde mitgeteilt, dass er persönlich kommen müsse. Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung wurde die zwangsweise Vorführung des Beschwerdeführers angedroht. Den Gegenstand der Ladung umschrieb die belangte Behörde wie folgt:

"Harnabgabe (Harn vom - Kreatinin zu niedrig und daher nicht verwertbar)."

Diesem Ladungsbescheid gemäß § 19 AVG lag - wie aus den Verwaltungsakten hervorgeht - folgendes Verwaltungsgeschehen zu Grunde:

In einem mit datierten Abschlussbericht des Bezirkspolizeikommandos Vöcklabruck wird unter "Darstellung der Tat" dem Beschwerdeführer angelastet, er sei verdächtig, "27 Stk. Cannabispflanzen in seinem Garten … angepflanzt zu haben". Unter "Beweismittel" ist ausgeführt, der Sachverhalt sei durch eine anonyme Anzeige bekannt geworden; am hätten im Rahmen einer freiwilligen Nachschau im Garten des Beschwerdeführers die Pflanzen sichergestellt werden können. Angeschlossen ist eine "Beschuldigtenvernehmung" vom , in der der Beschwerdeführer im Wesentlichen (zur Begründung des Anbaus von Cannabis-Pflanzen) angab, er habe gelesen, dass diese zur Schädlingsbekämpfung sowie als Düngemittel eingesetzt werden könnte. Dies sei der Grund für den Anbau gewesen;er sei "Nichtraucher und hatte auch nie vor, das Cannabiskraut zum eigenen Konsum zu ernten".

Nach Einlangen dieses Berichts bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck ersuchte diese mit Erledigung vom den Sanitätsdienst gemäß § 12 Suchtmittelgesetz (SMG) um Stellungnahme, ob der Beschwerdeführer einer gesundheitsbezogenen Maßnahme nach § 11 Abs. 2 SMG bedarf.

Einer daraufhin von der belangten Behörde mit Erledigung vom verfügten formlosen Ladung des Beschwerdeführers für den Termin , die als zu bearbeitende Angelegenheit "Amtsärztliche Untersuchung nach dem Suchtmittelgesetz" nennt, leistete der Beschwerdeführer nicht Folge.

Daraufhin wurde der Beschwerdeführer mit Ladungsbescheid vom für den zur belangten Behörde vorgeladen. Es wurde ihm mitgeteilt, dass er persönlich kommen müsse. Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung wurde die zwangsweise Vorführung des Beschwerdeführers angedroht. Den Gegenstand der Ladung umschrieb die belangte Behörde - neuerlich - wie folgt:

"Amtsärztliche Untersuchung nach dem Suchtmittelgesetz".

Diesem Termin leistete der Beschwerdeführer - dem Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift nach wegen Erkrankung entschuldigt - nicht Folge, er kam aber am der Ladung nach und erschien bei der belangten Behörde zwecks amtsärztlicher Untersuchung. Bei dieser leistete er eine Harnprobe und unterfertigte unter einem eine "Einverständniserklärung", wonach er sich für den Fall, dass die Harnprobe vom Labor mit dem Vermerk "nicht verwertbar" zurückkomme, bereit erkläre, unverzüglich zu einer neuerlichen Harnabgabe auf der Bezirksverwaltungsbehörde zu erscheinen und die dadurch neuerlich entstehenden Kosten selbst zu tragen.

Der labormedizinische Befundbericht vom über die Untersuchung der Harnprobe des Beschwerdeführers beinhaltet folgende Bewertung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"THC(Cannabiol)
negativ ng/ml
(Schwellwert
Kreat.i.Harn
12 mg/dl
(36 - 130)

Konsumation von größeren Flüssigkeitsmengen oder harntreibenden Substanzen gibt niedrige Kreatininwerte: Negative THC-Werte beschränkt verwertbar"

Daraufhin erging der nun angefochtene Ladungsbescheid.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Im Hinblick auf die in der angefochtenen Erledigung enthaltene Androhung einer Zwangsmaßnahme für den Fall des Nichterscheinens vor der belangten Behörde zum angegebenen Zeitpunkt besteht kein Zweifel, dass es sich dabei um einen Ladungsbescheid im Sinne des § 19 AVG handelt. Gemäß § 19 Abs. 4 AVG war dagegen kein Rechtsmittel zulässig. Die Voraussetzungen für die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof liegen vor.

2. Die Frage, ob mit der wiedergegebenen Formulierung im angefochtenen Bescheid allein der Gegenstand der Amtshandlung ausreichend bezeichnet wäre, muss im Hinblick auf die ihm vorangegangenen Erledigungen, in denen der Gegenstand jeweils mit "Amtsärztliche Untersuchung nach dem Suchtmittelgesetz" (vgl. diesbezüglich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/11/0039) bezeichnet wurde, nicht abschließend beantwortet werden. Auch der Beschwerdeführer rügt nicht, dass ihm der Gegenstand der Amtshandlung unklar geblieben sei oder dass ihn die gewählte Formulierung in seinem Recht auf ausreichende diesbezügliche Vorbereitung verletzt hätte (vgl. diesbezüglich etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/11/0019, mwN).

3. Festzuhalten ist weiters, dass dem gegenständlichen Ladungsbescheid kein Ersuchen einer Staatsanwaltschaft nach § 35 Abs. 3 Z 2 des Suchtmittelgesetzes (SMG) zu Grunde lag (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/11/0270). Der Aktenlage nach wurde vielmehr das gegen den Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 Z 1 erster, zweiter und dritter Fall, Abs. 2 SMG geführte Strafverfahren durch vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung gemäß § 35 SMG mit von der Staatsanwaltschaft Wels eingestellt.

4.1. Grundlage für den angefochtenen Ladungsbescheid konnte daher im gegebenen Zusammenhang nur § 12 SMG sein. Zu den diesbezüglichen Voraussetzungen kann zunächst gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/11/0039, verwiesen werden. Danach ist auch in einem Fall, in dem die Staatsanwaltschaft die Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 SMG für gegeben erachtet, die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung nach § 12 SMG entbunden, bei konkretem Verdacht auf aktuellen Suchtgiftmissbrauch zu beurteilen, ob der Betroffene gesundheitsbezogener Maßnahmen bedarf, und berechtigt, ihn zu diesem Zweck auch zu laden.

Ein Ladungsbescheid bildet allerdings keine Grundlage dafür, die ärztliche Untersuchung zwangsweise durchzusetzen. Aus der Gegenschrift geht hervor, dass auch die belangte Behörde nicht davon ausging, den Beschwerdeführer auf Grund ihrer Ladung zur Harnabgabe zwingen zu können, sondern lediglich von der Möglichkeit, ihn vor die Behörde vorführen zu lassen.

4.2. Der vorliegende Beschwerdefall ist nun dadurch gekennzeichnet, dass der Beschwerdeführer bereits einer früheren Ladung nachgekommen ist und sich auch einer amtsärztlichen Untersuchung unterzogen hat; Anlass für die Ladung bildete der Vorfall vom .

Unabhängig davon, ob in einer solchen Konstellation, selbst wenn eine anlässlich der bereits erfolgten amtsärztlichen Untersuchung abgegebene Harnprobe als "nicht verwertbar" beurteilt wurde, eine neuerliche Ladung zulässig sein kann, fehlt es jedenfalls an der für die Zulässigkeit eines Ladungsbescheids im gegebenen Zusammenhang erforderlichen Begründung für den Verdacht, der Beschwerdeführer missbrauche - aktuell - Suchtgift: Die belangte Behörde beruft sich für ihre diesbezügliche Annahme allein auf den bereits erwähnten Abschlussbericht vom , der nur den - oben beschriebenen - Vorfall vom betrifft. Dieser im Zeitpunkt der Erlassung des Ladungsbescheides bereits mehr als acht Monate zurück liegende Vorfall konnte ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht begründen, dass im Zeitpunkt der Erlassung des nun angefochtenen Bescheids ein hinreichender Verdacht auf aktuellen Suchtmittelmissbrauch bestand oder auch nur kurze Zeit zurück liegend Suchtgift tatsächlich missbraucht wurde. Fehlt aber die entscheidende Voraussetzung für einen Ladungsbescheid, so erweist sich die vorgenommene Ladung als rechtswidrig.

5. Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am