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VwGH vom 20.02.2019, Ra 2018/03/0133

VwGH vom 20.02.2019, Ra 2018/03/0133

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dr. G L in G, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1A/1.St., gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. 405- 1/254/1/11-2018, betreffend Übertretung des Salzburger Jagdgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 I. Gegenstand

2 A. Mit Bescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom wurde dem Revisionswerber die Übertretung des § 158 Abs. 1 Z 8d iVm § 61 Abs. 1 erster Satz und § 27 Abs. 1 Salzburger Jagdgesetz (JG) zur Last gelegt und gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG eine Ermahnung erteilt, da er es als Jagdleiter einer näher bezeichneten Eigenjagd zu verantworten habe, dass der für das Jagdjahr 2015 für dieses Jagdgebiet festgesetzte Mindestabschuss bis zum Beginn der Schonzeit () nicht erfüllt worden sei. Mit Bescheid des Bezirksjägermeisters vom sei der Mindestabschuss für das Jagdjahr 2016 für dieses Jagdgebiet in Bezug auf Rotwild bestimmt worden und seien die darin festgelegten vier Kälber nicht erlegt worden.

3 B. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (VwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe als unbegründet ab, als es in der Tatumschreibung die Jahreszahl "2015" auf "2016" korrigierte und erachtete eine Revision dagegen als unzulässig. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt worden, zu welcher der (im Verfahren vor dem VwG unvertretene) Revisionswerber nicht erschienen sei. Aus dem vorliegenden Verfahrensakt ergebe sich, dass Verfahrensgegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens nicht das Jagdjahr 2015 sondern 2016 sei. Dies sei auch unmissverständlich aus der Spruchformulierung der angefochtenen Ermahnung zu entnehmen. Für das im Verantwortungsbereich des Revisionswerbers gelegene Jagdgebiet sei ein Mindestabschuss von einem Hirsch Klasse III, ein Spießer, drei Tiere und vier Kälber vorgesehen. Aus der Abschussliste sei ersichtlich, dass der Abschuss von vier Kälbern nicht erfolgt sei. Gemäß § 61 Abs. 1 JG habe der Jagdinhaber den für sein Jagdgebiet festgesetzten Mindestabschuss bis zum Beginn der Schonzeit zu erfüllen. Aus dem wiedergegebenen Sachverhalt ergebe sich eindeutig die Tatbildlichkeit hinsichtlich § 61 Abs. 1 leg. cit..

C. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der von der Behandlung der Beschwerde absah und diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat ().

4 D. In der Folge wurde die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Revision erhoben. Die belangte Behörde sah von der Einbringung einer Revisionsbeantwortung ab.

5 II. Rechtslage

6 A. Die für den vorliegenden Fall relevanten Bestimmungen des Salzburger Jagdgesetzes, LGBl. Nr. 100/1993 idF LGBl. Nr. 21/2015 (JG), lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Erlassung der Abschußpläne

§ 60

(1) Die Landesregierung hat auf die Dauer von längstens drei Jahren mit Verordnung für jeden Rot- und Gamswildraum die Abschüsse, die jährlich mindestens durchgeführt werden müssen (Mindestabschüsse), soweit erforderlich auch aufgegliedert nach Geschlechtern und Altersklassen, sowie die Aufteilung dieser Abschüsse auf die einzelnen Wildregionen festzulegen.

...

(4) Die Bezirksjägermeister haben für alle Hegegemeinschaften und Jagdgebiete ihres Wirkungsbereichs (§ 125 Abs 1 Z 2) unter Bedachtnahme auf die Ergebnisse der Besprechungen nach Abs 3 bzw auf die gemäß Abs 3a erlassenen Verordnungen im Einvernehmen mit dem betroffenen Jagdinhaber und der örtlich zuständigen Bezirksbauernkammer einen Jahresabschussplan mit Bescheid zu erlassen.

...

Erfüllung des Mindestabschusses

§ 61

(1) Der Jagdinhaber hat den für sein Jagdgebiet festgesetzten Mindestabschuß bis zum Beginn der Schonzeit zu erfüllen. Sind Zwischenfristen vorgeschrieben, muß der entsprechende Teil des Mindestabschusses bis zum vorgegebenen Zeitpunkt erfüllt sein. Wird der Jahresabschussplan gemäß § 60 Abs 4 nicht bis zum 15. April erlassen, können Abschüsse im Ausmaß der im letztgültigen Jahresabschussplan festgelegten Mindestabschüsse vorgenommen werden.

...

Strafbestimmungen

§ 158

(1) Soweit die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis 10.000 EUR zu bestrafen, wer

...

8. den für sein Jagdgebiet festgelegten Mindestabschuss

nicht bis zum Beginn der der Schusszeit unmittelbar nachfolgenden Schonzeit erfüllt, wenn auch der für die betreffende Wildregion in einer Verordnung gemäß § 60 Abs 1 insgesamt festgelegte Mindestabschuss bis zum Beginn der Schonzeit nicht erfüllt worden ist;

8a. grob fahrlässig oder vorsätzlich den für sein

Jagdgebiet festgelegten Mindestabschuss nicht bis zum Beginn der der Schusszeit unmittelbar nachfolgenden Schonzeit erfüllt, wenn der für die betreffende Wildregion in einer Verordnung gemäß § 60 Abs 1 insgesamt festgelegte Mindestabschluss bis zum Beginn der Schonzeit erfüllt worden ist;

8b. in zwei aufeinander folgenden Jahren den für sein

Jagdgebiet jeweils festgelegten Mindestabschuss nicht bis zum Beginn der der zweiten Schusszeit unmittelbar nachfolgenden Schonzeit erfüllt, wenn der für die betreffende Wildregion in einer Verordnung gemäß § 60 Abs 1 insgesamt festgelegte Mindestabschluss bis zum Beginn der Schonzeit erfüllt worden ist;

  1. den festgelegten Höchstabschuss überschreitet;

  2. sonst den § 59 bis 62 oder den im Abschussplan getroffenen Festlegungen zuwider handelt.

  3. ..."

  4. 7 B. Die hier maßgebliche Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013 (VStG) lautet (auszugsweise) wie folgt:

  5. "§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt

worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete

Gesetzesbestimmung;

"Gemäß dem ersten Tatbestand des geltenden Abs 1 Z 8 begeht einer Verwaltungsübertretung, wer den festgelegten Mindestabschuss nicht bis zum Beginn der Schonzeit erfüllt. Für die Strafbarkeit gemäß dem geltenden Abs 1 Z 8 ist es unbeachtlich, ob der für die betreffende Wildregion insgesamt festgelegte Mindestabschuss erfüllt wurde oder nicht.

Wurde jedoch der für die betreffende Wildregion festgelegte Mindestabschuss insgesamt erfüllt, so besteht aus jagdfachlicher bzw wildökologischer Sicht kein Bedürfnis nach einer Bestrafung des säumigen Jagdberechtigten. Bezogen auf die der Festlegung der Mindestabschüsse für die gesamte Wildregion zu Grunde liegenden wildökologischen Überlegungen sind die Auswirkungen der Nichterfüllung der festgelegten Mindestabschüsse in einem Jagdgebiet vernachlässigbar bzw unbedeutend, wenn diese Nichterfüllung in einem einzelnen Jagdgebiet durch die Erfüllung der Mindestabschüsse in der gesamten Wildregion wieder aufgewogen wird. Ein Bedürfnis nach einer Bestrafung des säumigen Jagdberechtigten besteht unter spezial- oder generalpräventiven Gesichtspunkten.

Diesen Überlegungen tragen die in der Z 8a und 8b enthaltenen Tatbestände Rechnung: Ein mit der Erfüllung seines Mindestabschusses säumiger Jagdberechtigter ist gemäß Abs 1 Z 8a nicht zu bestrafen, wenn der für die betreffende Wildregion insgesamt festgelegte Mindestabschuss erfüllt worden ist und der säumige Jagdberechtigte bei Nichterfüllung seiner Pflicht nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Der Tatbestand der Z 8b des Abs 1 erfasst dagegen einen solchen Jagdberechtigten, der durch ein qualifiziertes Verhalten, das sowohl in einem aktiven Tun als auch in einem Unterlassen, etwa in einer beharrlichen jagdlichen Untätigkeit, bestehen kann, die Erfüllung des für sein Jagdgebiet festgelegten Mindestabschusses vereitelt hat. Einem solchen Jagdberechtigten kommt im Gegensatz zur Z 8a die Erfüllung des für die betreffende Wildregion insgesamt festgelegten Mindestabschusses nicht zugute.

Die Tatbestände der Z 8c und 8d des Abs 1 entsprechen den weiteren, im geltenden Abs 1 Z 8 enthaltenen Tatbeständen."

13 Vor diesem Hintergrund ist die Nichterfüllung des Mindestabschusses im eigenen Jagdgebiet nur in folgenden Fällen strafbar:

  • wenn auch in der gesamten Wildregion der Wildabschuss nicht erfüllt wurde (Z 8)

  • wenn zwar in der gesamten Wildregion der Wildabschuss erfüllt wurde, aber die Nichterfüllung des Mindestabschusses im eigenen Jagdgebiet grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht wurde (Z 8a)

  • wenn zwar in der gesamten Wildregion der Wildabschuss erfüllt wurde, aber im eigenen Jagdgebiet in zwei aufeinander folgenden Jahren der Mindestabschuss nicht erfüllt wurde (Z 8b).

  • 14 Die Nichterfüllung des Mindestabschusses wird also - abhängig von der jeweiligen Fallkonstellation - durch die § 158 Abs. 1 Z 8 bis Z 8b SJG pönalisiert, während Z 8c die Überschreitung des Höchstabschusses betrifft und § 158 Abs. 1 Z 8d SJG schon vom Wortlaut her ("sonst") als Auffangtatbestand konzipiert ist, also für Fälle der Nichterfüllung eines Mindestabschusses nicht zum Tragen kommen kann.

  • 15 Nach der für einen solchen Fall relevanten Auslegungsregel lex specialis derogat legi generali (vgl. etwa ) kommt daher § 158 Abs. 1 Z 8d JG im vorliegenden Fall - in dem spruchgemäß die Nichterfüllung eines Mindestabschusses zur Last liegt - nicht zur Anwendung. Demnach ist § 158 Abs. 1 Z 8d JG nicht die vorliegend anzuführende verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z 2 VStG. Das VwG hat daher das angefochtene Erkenntnis schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (vgl. etwa ). Ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht fehlen im vorliegenden Fall im Übrigen auch Feststellungen zur Erfüllung des festgelegten Mindestabschusses der betreffenden Wildregion gemäß § 60 Abs. 1 JG.

  • 16 IV. Ergebnis

  • 17 A. Das angefochtene Erkenntnis war daher vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

  • 18 B. Eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte unterbleiben, weil die in der angefochtenen Entscheidung getroffene rechtliche Beurteilung von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG). Auch gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG konnte von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da das Verwaltungsgericht, ein Tribunal iSd EMRK bzw. ein Gericht iSd Art 47 GRC, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat (vgl. dazu ).

  • 19 C. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf § 47 ff VwGG iVm VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

  • Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018030133.L00
Schlagworte:
Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch

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