VwGH vom 30.09.2011, 2010/11/0066
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der E K in W, vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwälte-Partnerschaft in 1010 Wien, Gonzagagasse 14, gegen den Bescheid des Vorstandes der Ärztekammer für Wien (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertreten durch Dr. Herbert Hochegger, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 4) vom , ohne Zahl, betreffend Kammerumlagen für 2001 bis 2006, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er nicht bereits durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , B 1897/08-6, aufgehoben wurde, wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Die Ärztekammer für Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde von der belangten Behörde jeweils die von der Beschwerdeführerin an die Ärztekammer für Wien und die österreichische Ärztekammer zu bezahlende Kammerumlage für die Jahre 2001 bis 2006 festgesetzt, jeweils nach Vornahme einer Schätzung und zuzüglich eines Säumniszuschlags in Höhe von 10 %.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst gemäß Art. 144 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
Dieser hat mit Erkenntnis vom , B 1897/08-6, den angefochtenen Bescheid insoweit aufgehoben, als er die Vorschreibung eines Säumniszuschlages für die Jahre 2001 bis 2004 betrifft, im Übrigen aber die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzte die Beschwerdeführerin die Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet.
Beide Parteien haben zudem weitere Schriftsätze erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in Ansehung der Frage, ob die erstinstanzlichen Erledigungen als Bescheide zu qualifizieren sind, jenen, über welche bereits mit den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2006/11/0058, und Zl. 2006/11/0108, und - was den Hinweis auf § 230 Abs. 7 ÄrzteG 1998 in der Fassung der 14. Ärztegesetz-Novelle durch die belangte Behörde anlangt - jenen, über welche mit den hg. Erkenntnissen vom 23. Feber 2011, Zl. 2008/11/0054, sowie vom , Zl 2008/11/0006, entschieden wurde. Es genügt daher, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf diese Erkenntnisse hinzuweisen.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.
2.1. Die Beschwerde macht im Übrigen - zusammengefasst - geltend, die belangte Behörde habe es unterlassen, im Rahmen der Schätzung alle für die Errechnung der Kammerumlage bedeutsamen Umstände zu ermitteln. Im Bescheid betreffend die Vorschreibung der Kammerumlage für das Jahr 2001 sei ausgeführt worden, dass die Bemessungsgrundlage durch Vergleich mit den Bemessungsgrundlagen von Ärzten mit ähnlicher Ausbildung und ähnlicher Tätigkeit ermittelt worden sei, in den Bescheiden betreffend die folgenden Jahre sei jeweils ausgeführt worden, dass die Bemessungsgrundlage auf Grund der vorhandenen Einkommensdaten aus den Vorjahren ermittelt worden sei. Die belangte Behörde habe weder dargelegt, mit welchen Ärzten ein konkreter Vergleich vorgenommen worden sei und welche Tätigkeiten diese Vergleichsärzte ausübten, noch konkret festgestellt, wie und in welchem Umfang die Beschwerdeführerin selbst tätig sei. Für den konkreten Fall der Beschwerdeführerin gebe es Vergleichsärzte gar nicht. In den Schätzbescheiden seien keinerlei wie auch immer geartete Vergleichsziffern angeführt worden, die eine Überprüfung der Vorschreibung ermöglichten.
2.2.1. Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzustellen, dass die Beschwerdeführerin weder bestreitet, ihrer Verpflichtung, die von der Kammer zugesandte Erklärung über die Bemessungsgrundlage vollständig und wahrheitsgemäß ausgefüllt vorzulegen, nicht (fristgerecht) nachgekommen zu sein, noch, dass die belangte Behörde auf Grund dessen berechtigt war, die Vorschreibung auf Grund einer Schätzung vorzunehmen.
Gemäß § 91 Abs. 4 ÄrzteG 1998 erfolgt die Vorschreibung, wird der genannten Verpflichtung nicht nachgekommen, auf Grund einer Schätzung; diese ist unter Berücksichtigung aller für die Errechnung der Kammerumlage bedeutsamen Umstände vorzunehmen, wobei die Umlagenordnung für diesen Fall die Zahlung eines Säumniszuschlages vorsehen kann (anders als hinsichtlich der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds - Vorschreibung des Höchstbeitrags gemäß § 96a ÄrzteG 1998).
Ist - wie im Beschwerdefall - eine Schätzung grundsätzlich zulässig, so steht nach ständiger Rechtsprechung die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode der Behörde im Allgemeinen frei, doch muss das Schätzungsverfahren einwandfrei durchgeführt, die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge müssen schlüssig und folgerichtig sein und das Ergebnis, das in der Feststellung von Bemessungsgrundlagen besteht, muss mit den Lebenserfahrungen im Einklang stehen. Das gewählte Verfahren muss stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Bemessungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Hiebei muss die Behörde im Rahmen des Schätzungsverfahrens auf alle vom Abgabepflichtigen substantiiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen eingehen, auch wenn ihre Richtigkeit erst durch weitere Erhebungen geklärt werden muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/17/0131, mwN).
2.2.2. In der erstinstanzlichen Erledigung wird zwar - hinsichtlich des Beitragsjahres 2001 - ausgeführt, die Bemessungsgrundlage sei "durch den Vergleich mit den Bemessungsgrundlagen von Ärzten mit ähnlicher Ausbildung und ähnlicher Tätigkeit" ermittelt worden, aber nicht einmal ansatzweise konkretisiert, welche Ärzte bzw. welche Berufsgruppe dabei herangezogen worden seien; ebensowenig, welches Einkommen dem zu Grunde gelegt worden sei.
Die Beschwerdeführerin hat bereits in der Berufung ihr oben wiedergegebenes, in der Beschwerde wiederholtes Vorbringen gegen das Schätzungsverfahren erstattet. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt.
Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass im Fall der gebotenen Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen das Ermittlungsverfahren zu einem anderen Bescheid geführt hätte.
3. Aus dem Gesagten folgt, dass der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-76783