VwGH vom 02.08.2013, 2012/21/0098
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des BS, vertreten durch Mag. Dr. Marc Gollowitsch, Rechtsanwalt in 3380 Pöchlarn, Weigelspergergasse 2, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Skopje vom , betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1977 geborene Beschwerdeführer ist kosovarischer Staatsangehöriger. Am stellte er - unter Vorlage einer Sicherungsbescheinigung - zur Aufnahme einer Tätigkeit als Saisonarbeiter in Österreich bei der österreichischen Botschaft Skopje den Antrag auf Erteilung eines Visums "D".
Mit erging an den Beschwerdeführer ein Verbesserungsauftrag, mit dem er - durch Anstreichen von Punkt 8. des verwendeten Formulars - aufgefordert wurde, "Hin- und Retourtickets bzw. Buchung (Bahn, Bus, Flug)" vorzulegen. Mit der noch vom selben Tag stammenden "Stellungnahme" der Österreichischen Botschaft Skopje wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass seine Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen, nicht habe festgestellt werden können. Dazu war ergänzend angegeben, dass er Punkt 8. des Verbesserungsauftrages nicht nachgekommen sei. Vor einer endgültigen Entscheidung über seinen Antrag werde ihm aber die Möglichkeit gegeben, innerhalb von sieben Kalendertagen eine abschließende Stellungnahme einzubringen.
Der Beschwerdeführer legte in der Folge das mit Punkt 8. des Verbesserungsauftrages angesprochene Ticket ("Retourticket") vor.
Ungeachtet dessen wies die Österreichische Botschaft Skopje (die belangte Behörde) mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom den Antrag auf Erteilung des begehrten Visums unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab. Dabei wurde durch Ankreuzen eines Textbausteines zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde die Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG als nicht erfüllt erachte; es bestehe Grund zur Annahme, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen werde, weil er - so der verwendete Textbaustein der Sache nach - nicht habe nachweisen können, dass er feste familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an seinem derzeitigen Wohnsitz habe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:
Einleitend ist zunächst anzumerken, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung zutreffend auf das FPG gründete. Der Visakodex (Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom ) war nämlich in Anbetracht dessen, dass ein Visum mit einer mehr als dreimonatigen Gültigkeitsdauer beantragt worden war, nicht anwendbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0028). Demgegenüber kam aber den für das Botschaftsverfahren vorgesehenen Regelungen des § 11 FPG uneingeschränkt Geltung zu.
Die belangte Behörde versagte das beantragte Visum im Hinblick auf § 21 Abs. 1 Z 2 FPG. Mit dieser von ihr nicht für erfüllt erachteten Erteilungsvoraussetzung, dass die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint, hat sich der Verwaltungsgerichtshof grundlegend in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0104, auseinander gesetzt. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG kann des Näheren auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden. Insbesondere wurde dort zum Ausdruck gebracht, es dürfe nicht ohne weiteres ("generell") unterstellt werden, dass Fremde unter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften im Anschluss an die Gültigkeitsdauer eines Visums weiterhin in Österreich (unrechtmäßig) aufhältig bleiben werden. Es bedürfe vielmehr konkreter Anhaltspunkte in diese Richtung, andernfalls werde davon auszugehen sein, dass die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint.
In ihrer Gegenschrift führt die belangte Behörde dazu aus, dass der Beschwerdeführer bei Antragstellung angegeben habe, von 2002 bis 2007 als Asylwerber in Österreich gewesen zu sein; da im EKIS keine Vormerkung aufscheine, werde davon ausgegangen, dass er sich lediglich illegal in Österreich aufgehalten und hier auch gearbeitet habe. Weiters sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer für den Zeitraum bis über slowenische "Aufenthaltsgenehmigungen" verfügt habe. Die slowenische Aufenthaltsbehörde habe dazu über Anfrage der Botschaft mitgeteilt, dass 2011 ein Verfahren zum Entzug des Aufenthaltstitels eingeleitet worden sei; da der Titel während des Verfahrens abgelaufen sei, sei das Verfahren aber eingestellt worden.
Zusammenfassend heißt es dann in der Gegenschrift, "der geschilderte Sachverhalt des beabsichtigten AT-Entzuges durch Slowenien und der illegale Voraufenthalt" des Beschwerdeführers in Österreich sowie sein offensichtlicher Wille, wiederum nach Österreich zurückzukehren, wögen schwerer als die nachträgliche Vorlage des - mit dem seinerzeitigen Verbesserungsauftrag angesprochenen - "Retourtickets".
Diese Überlegungen stellen zum Teil, bezogen auf den Voraufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, reine Mutmaßungen dar. Vor allem aber hat es die belangte Behörde unterlassen, dem Beschwerdeführer hiezu Parteiengehör einzuräumen. Zwar hat sie dem Beschwerdeführer im Rahmen ihrer "Stellungnahme" vom - der Sache nach - zur Kenntnis gebracht, dass sie die Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 1 Z 2 FPG für nicht erfüllt erachte. Dabei hat sie allerdings bloß auf die unterbliebene Vorlage eines - freilich erst am selben Tag angeforderten - "Retourtickets" Bezug genommen, welches dann in der Folge vom Beschwerdeführer ohnehin vorgelegt wurde. Ihrer sich aus § 11 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG ergebenden Verpflichtung, konkret die ihrer Entscheidung dann zugrunde gelegten Gründe für die Annahme einer nicht gesicherten Wiederausreise des Beschwerdeführers diesem vorzuhalten (vgl. zu dieser Verpflichtung etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0043), ist sie damit aber nicht nachgekommen. Angesichts der bei Bescheiderlassung in Anspruch genommenen Begründungserleichterung nach § 11 Abs. 2 FPG ist es dem Beschwerdeführer damit aber auch noch bei Beschwerdeerhebung unmöglich gemacht worden, zu den der Visumsversagung zugrunde liegenden Erwägungen auch nur ansatzweise Stellung zu nehmen.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des aufgezeigten Verfahrensfehlers zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (in der Beschwerde wird nach wie vor bestritten, dass ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht eines Verbleibs des Beschwerdeführers in Österreich über die Dauer des beantragten Visums hinaus vorliegen), war der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben (vgl. in diesem Sinn etwa das - wenngleich zum Visakodex ergangene - hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0180).
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am
Fundstelle(n):
QAAAE-76777