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VwGH vom 19.12.2018, Ra 2018/03/0103

VwGH vom 19.12.2018, Ra 2018/03/0103

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Ing. G P in N, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom , Zl. E 038/04/2017.003/005, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom wurde der Revisionswerber als gewerberechtlicher Geschäftsführer der P GmbH einer Übertretung des § 23 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 GütbefG schuldig erkannt. Er habe nicht dafür Sorge getragen, dass die Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes eingehalten wurden, da - wie am , 14.15 Uhr, an einem näher bezeichneten Ort festgestellt worden sei - in einem Kraftfahrzeug mit näher bezeichnetem behördlichen Kennzeichen keine von der Behörde ausgestellte und beglaubigte Abschrift der Konzessionsurkunde oder ein beglaubigter Auszug aus dem Gewerberegister mitgeführt worden sei, obwohl der Unternehmer dafür Sorge zu tragen habe, dass in jedem zur Ausübung des Güterverkehrs verwendeten Kraftfahrzeug während der gesamten Fahrt eine von der Behörde ausgestellte und beglaubigte Abschrift der Konzessionsurkunde oder ein beglaubigter Auszug aus dem Gewerberegister mitgeführt werde.

Wegen dieser Übertretung wurde über den Revisionswerber eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 363,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden) verhängt.

2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde, die mit dem angefochtenen Erkenntnis - mit einer Maßgabe - als unbegründet abgewiesen wurde; dabei wurde der Spruch dahingehend modifiziert, dass darin auch angeführt wurde, das leere, ungereinigte Tankfahrzeug sei auf der Fahrt von einer näher angegebenen Adresse in N nach W gewesen und hätte als letztes Ladegut Gefahrgut mit der UN-Nummer 1202 geladen gehabt.

Das Verwaltungsgericht sprach weiters aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Nach Darlegung des Verfahrensganges stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die P GmbH unter anderem Gewerbeinhaberin des Güterbeförderungsgewerbes, eingeschränkt auf die Verwendung von fünf Kraftfahrzeugen, und des Handelsgewerbes sei. Die Gesellschaft handle mit Heizöl und Dieselkraftstoff. E.M. habe am um 14.15 Uhr auf der A4 das Tankfahrzeug gelenkt, als er zu einer Kontrolle nach dem Güterbeförderungsgesetz angehalten worden sei. Er habe dem kontrollierenden Polizisten ein Beförderungspapier für die Rückfahrt mit einem leeren ungereinigten Tankfahrzeug übergeben, aus dem sich ergeben habe, dass das Tankfahrzeug zum Zeitpunkt der Anhaltung leer und ungereinigt gewesen sei und das letzte Ladegut, das mit diesem Kraftfahrzeug befördert worden sei, Gefahrgut mit der Nummer UN 1202, Dieselkraftstoff, gewesen sei. Der Lenker habe sich auf dem Weg zu einem Tanklager in W befunden, um das Tankfahrzeug dort für Auslieferungen zu beladen, die er am nächsten Tag als Arbeitnehmer der P GmbH an Kunden dieses Unternehmens durchgeführt habe. Das Fahrzeug sei später in diesem Tanklager mit Heizöl extra leicht beladen worden. Das Fahrzeug sei zum Tatzeitpunkt "im Rahmen des Mineralölhandels" unterwegs gewesen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht - nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 6 Abs. 1 und Abs. 2, § 10 sowie § 23 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4

Güterbeförderungsgesetzes 1995 (GütbefG) - im Wesentlichen aus, dass sich die Durchführung einer gewerblichen Güterbeförderung mit dem verfahrensgegenständlichen Tankfahrzeug durch die P GmbH zu der im angefochtenen Straferkenntnis angelasteten Tatzeit, ohne dass auf der Fahrt eine beglaubigte Abschrift der Konzessionsurkunde oder ein beglaubigter Auszug aus dem Gewerberegister mitgeführt worden sei, "aus dem festgestellten Sachverhalt" ergebe. Das Mitführen einer bloßen Kopie der Güterbeförderungskonzession der P GmbH, die der Lenker auch vorgewiesen habe, sei zur Erfüllung der in § 6 Abs. 2 GütbefG normierten Verpflichtung nicht ausreichend gewesen.

Zum Vorbringen des Revisionswerbers, dass im Zulassungsschein des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges die Verwendungsbestimmung "Zur Verwendung für den Werkverkehr bestimmt" eingetragen sei, führte das Verwaltungsgericht aus, dass es gemäß § 6 Abs. 1 zweiter Satz GütbefG einem zur Durchführung des Werkverkehrs berechtigten Gewerbeinhaber, der zugleich Güterbeförderungsunternehmer sei, erlaubt sei, auch eingetragene (eigene) Werkverkehrsfahrzeuge zur Ausübung der Güterbeförderungskonzession zu verwenden. Während dieser Zeit müsse jedoch eine der in § 6 Abs. 2 GütbefG erwähnten Urkunden in dem Fahrzeug mitgeführt werden.

Das Verwaltungsgericht folgerte weiter unter Heranziehung der Materialien zu § 6 Abs. 2 GütbefG und der Anlehnung des österreichischen Gesetzgebers an die Verordnung (EWG) Nr. 881/92, dass auch für Leerfahrten in Verbindung mit einer Güterbeförderung die Pflicht zum Mitführen einer beglaubigten Abschrift der gesetzlich geforderten Urkunden bestehe. Eine solche (Leer-)Fahrt zur Beladung im Zusammenhang mit einer durchzuführenden Beförderung liege im Anlassfall vor. Ausgenommen davon seien lediglich Fahrten, die nicht zu gewerblichen Zwecken ausgeübt werden (Privatfahrten) sowie Fahrten, die keine Güterbeförderung darstellen (z.B. Überstellungsfahrten bzw. Fahrten zu Reparaturen usw.). Eine solche Fahrt liege jedoch im Anlassfall nicht vor.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Die Bezirkshauptmannschaft erstattete eine als Revisionsbeantwortung bezeichnete Äußerung, in der sie sich auf die Wiedergabe der Gesetzesbestimmungen und Verweise auf ihr Straferkenntnis und das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts beschränkt und die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

4 Der Revisionswerber führt zur Zulässigkeit der Revision zusammengefasst aus, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wann Werkverkehr vorliege, abweiche und keine Auseinandersetzung mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wann eine Güterbeförderungsfahrt als Werkverkehr im Sinne des § 10 GütbefG anzusehen sei, stattgefunden habe (Hinweis auf die Erkenntnisse ; , 2012/03/00114; , Ra 2016/03/0028). So setze sich das Verwaltungsgericht mit der allein entscheidungswesentlichen Rechtsfrage, ob der Ausnahmetatbestand des § 10 GütbefG verwirklicht sei, in der Begründung bzw. der rechtlichen Beurteilung des Erkenntnisses nicht auseinander, sondern lediglich mit der Frage, ob die Mitführung einer unbeglaubigten Fotokopie der Konzessionsurkunde des Beförderungsgewerbes genüge. Darüber hinaus lägen Feststellungsmängel vor.

5 Die Revision ist im Sinne dieses Zulässigkeitsvorbringens - entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts, der zudem nur formelhaft, im Wesentlichen mit den verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B-VG, und damit nicht gesetzmäßig im Sinne des § 25a Abs. 1 VwGG begründet ist - zulässig. Sie ist auch berechtigt.

6 Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (GütbefG) lauten wie folgt:

"Konzessionspflicht und Arten der Konzessionen

§ 2. (1) Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen darf nur auf Grund einer Konzession ausgeübt werden, sofern dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt (§ 4).

(...)

Ausnahmen von der Konzessionspflicht

§ 4. Eine Konzession nach § 2 oder die Anmeldung eines besonderen Gewerbes ist nicht erforderlich:

(...)

3. für den Werkverkehr (§ 10); (...)

Bestimmungen über die Gewerbeausübung

§ 6. (1) Die zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern verwendeten Kraftfahrzeuge müssen im Zulassungsschein bzw. in der Zulassungsbescheinigung die Verwendungsbestimmung "zur Verwendung für die gewerbsmäßige Beförderung bestimmt" eingetragen haben. Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern ist auch mit Kraftfahrzeugen gemäß § 3 Abs. 3 und solchen gemäß § 11 Z 1 zulässig.

(2) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass in jedem zur Ausübung des Güterverkehrs verwendeten Kraftfahrzeug während der gesamten Fahrt eine beglaubigte Abschrift der Konzessionsurkunde oder ein beglaubigter Auszug aus dem Gewerberegister sowie die allenfalls nach Abs. 4 erforderlichen Dokumente mitgeführt werden.

(...)

Werkverkehr

§ 10. (1) Werkverkehr liegt vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Die beförderten Güter müssen Eigentum des Unternehmens

oder von ihm verkauft, gekauft, vermietet, gemietet, erzeugt,

gewonnen, bearbeitet oder ausgebessert werden oder worden sein.

2. Die Beförderung muss der Heranschaffung der Güter zum

Unternehmen, ihrer Fortschaffung vom Unternehmen, ihrer

Überführung innerhalb oder - zum Eigengebrauch - außerhalb des

Unternehmens dienen.

3. Die für die Beförderung verwendeten Kraftfahrzeuge

müssen von Personal geführt werden, das bei dem Unternehmen

beschäftigt ist oder ihm im Rahmen einer vertraglichen

Verpflichtung zur Verfügung gestellt wurde.

4. Die die Güter befördernden Kraftfahrzeuge müssen dem

Unternehmen gehören, von ihm auf Abzahlung gekauft worden sein oder gemietet sein. Dies gilt nicht bei Einsatz eines Ersatzfahrzeuges für die Dauer eines kurzfristigen Ausfalls des sonst verwendeten Kraftfahrzeugs.

5. Die Beförderung darf nur eine Hilfstätigkeit im Rahmen

der gesamten Tätigkeit des Unternehmens darstellen.

(2) Zum Unternehmen im Sinne des Abs. 1 gehören auch alle Zweigniederlassungen, weiteren Betriebsstätten u. dgl. sowie auch die nur vorübergehend betriebenen Arbeitsstellen (insbesondere Baustellen).

(3) Als Werkverkehr gilt ferner unter der Voraussetzung des Abs. 1 Z 3 das Abschleppen der im Unternehmen verwendeten Fahrzeuge sowie die Beförderung von Gütern in besonders eingerichteten Vorführungswagen zum ausschließlichen Zweck der Werbung oder Belehrung.

§ 11. Werkverkehr im Sinne des § 10 darf nur mit

1. Kraftfahrzeugen, bei denen im Zulassungsschein bzw. in der Zulassungsbescheinigung die Verwendungsbestimmung "zur Verwendung für den Werkverkehr bestimmt" eingetragen ist, oder

2. mit Kraftfahrzeugen gemäß § 3 Abs. 3 durchgeführt werden.

(...)

Strafbestimmungen

§ 23. (1) Abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7 267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer

  1. (...)

  2. § 6 Abs. 1 oder 2 zuwiderhandelt;

  3. (...)"

  4. 7 Zunächst ist festzuhalten, dass das Kraftfahrzeug zum Zeitpunkt der Kontrolle leer war, also zu diesem Zeitpunkt keine Güter befördert wurden.

  5. 8 Die Verpflichtung, die in § 6 Abs. 2 und 4 GütbefG genannten Dokumente mitzuführen, besteht "in jedem zur Ausübung des Güterverkehrs verwendeten Kraftfahrzeug während der gesamten Fahrt". In den Materialien zur Novelle des GütbefG, BGBl. I Nr. 2001/106, mit der diese Mitführverpflichtung eingeführt wurde (RV 668 BlgNR 21. GP), heißt es, dass die Verpflichtung zum Mitführen von beglaubigten Abschriften der Regelung für Gemeinschaftslizenzen in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 entspreche. Nach Art. 2 (letzter Spiegelstrich) dieser Verordnung umfasst der Begriff des durch die Verordnung erfassten grenzüberschreitenden Verkehrs ausdrücklich auch "Leerfahrten in Verbindung mit diesen Beförderungen". Dieses Begriffsverständnis ist auch § 6 Abs. 2 GütbefG zugrunde zu legen: Auch bei einer Leerfahrt, die in Verbindung mit einer konzessionspflichtigen gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern steht, wird das Kraftfahrzeug daher im Sinne des Gesetzes "zur Ausübung des Güterverkehrs verwendet", sodass die in § 6 Abs. 2 und (allenfalls) Abs. 4 GütbefG genannten Dokumente mitzuführen sind.

  6. 9 Der Revisionswerber hat in der Beschwerde an das Verwaltungsgericht und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht jedoch vorgebracht, dass keine gewerbsmäßige Güterbeförderung, sondern Werkverkehr vorgelegen sei; er hat dazu auch Dokumente vorgelegt, die dies seiner Ansicht nach belegten. Das Fahrzeug sei ausschließlich im Rahmen des Mineralölhandels der P GmbH und demnach im Werkverkehr eingesetzt worden, da die P GmbH keine Mineralöle für andere Auftraggeber transportiere, sondern Mineralöle selbst einkaufe und an Endkunden verkaufe, was sich aus den vorgelegten Unterlagen auch ergebe.

  7. 10 Ungeachtet dessen hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis weder die für die Beurteilung des Vorliegens von Werkverkehr erforderlichen Feststellungen getroffen, noch hat es sich in nachvollziehbarer Weise mit der Rechtsfrage auseinandergesetzt, ob - wie vom Revisionswerber behauptet - Werkverkehr im Sinne des § 10 GütbefG vorgelegen ist.

  8. 11 Aus den Feststellungen ergibt sich, dass der Lenker des Kraftfahrzeuges Arbeitnehmer der P GmbH sei (was auf die Erfüllung der in § 10 Abs. 1 Z 3 GütbefG genannten Voraussetzung für das Vorliegen von Werkverkehr schließen lässt). Ob jene Güter, mit deren Beförderung die konkrete Fahrt in Verbindung stand (soweit dies den Feststellungen zu entnehmen ist, war das Kraftfahrzeug auf dem Weg vom Betriebsstandort der P GmbH zu einer in W vorzunehmenden Beladung), Eigentum der P GmbH waren oder von dieser verkauft, gekauft, vermietet, gemietet, erzeugt, gewonnen, bearbeitet oder ausgebessert werden sollten (§ 10 Abs. 1 Z 1 GütbefG), lässt sich anhand der Feststellungen nicht beurteilen. Ebenso bleibt offen, ob die Beförderung der Heranschaffung der Güter zum Unternehmen, ihrer Fortschaffung vom Unternehmen, ihrer Überführung innerhalb oder - zum Eigengebrauch -

außerhalb des Unternehmens dienen sollte (§ 10 Abs. 1 Z 2 GütbefG).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030103.L00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

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