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VwGH vom 22.07.2010, 2010/11/0061

VwGH vom 22.07.2010, 2010/11/0061

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des J M in W, vertreten durch Dr. Rainer Mutenthaler, Rechtsanwalt in 3370 Ybbs, Unterauerstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-PP-09-0002, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iA. Lenkererhebung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.226,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus der Beschwerde, dem angefochtenen Bescheid sowie den von der belangten Behörde übermittelten Kopien von Aktenteilen ergibt sich Folgendes:

Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich (UVS) vom wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung gemäß § 134 iVm. § 103 Abs. 2 KFG 1967 schuldig erkannt, weil er der Aufforderung der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom , als Zulassungsbesitzer eines näher bezeichneten Pkw bekannt zu geben, wer diesen zu einem näher bezeichneten Zeitpunkt gelenkt habe, nicht nachgekommen sei.

Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom (Betreff: "Pflicht zur Erteilung einer Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs. 2 KFG") stellte der Beschwerdeführer daraufhin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Frist zur Erteilung der begehrten Auskunft. Unter einem wurde, die versäumte Auskunft nachholend, angeführt, wem der Beschwerdeführer den erwähnten Pkw zu der in der Aufforderung genannten Zeit überlassen habe. Darüber hinaus wurde beantragt, dem Wiedereinsetzungsantrag aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Mit Bescheid vom wies die Bundespolizeidirektion St. Pölten den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG als unzulässig zurück. Begründend wurde ausgeführt, Gegenstand des Antrages sei das gegen den Beschwerdeführer durchgeführte Verwaltungsstrafverfahren, in welchem über die Verletzung des § 103 Abs. 2 KFG 1967 zwischenzeitig durch den Bescheid des UVS vom inhaltlich und rechtskräftig entschieden worden sei.

Die dagegen erhobene Berufung wurde vom UVS mit Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. In der Begründung führte der UVS bei der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, soweit im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung, aus, der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom "den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Versäumung einer Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs. 2 KFG) gestellt".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Mit hg. Verfügung vom , Zl. 2010/11/0061-2, wurde der belangten Behörde unter Anschluss einer Kopie der Beschwerde und des angefochtenen Bescheides und unter Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/11/0069, und vom , Zl. 2004/11/0062, gemäß § 35 Abs. 2 VwGG Gelegenheit gegeben, binnen einer Frist von drei Wochen ein Vorbringen zu erstatten, das geeignet wäre, das Vorbringen der in der Beschwerde gerügten Unzuständigkeit als nicht gegeben erkennen zu lassen.

In ihrer Äußerung vom brachte die belangte Behörde vor, seitens des Beschwerdeführers sei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "in das rechtskräftig abgeschlossene Strafverfahren begehrt" worden. Dies ergebe sich einerseits aus der im Wiedereinsetzungsantrag genannten Bezugszahl, sowie andererseits aus dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Der Beschwerdeführer habe die verhängte Strafe als erlittenen Rechtsnachteil genannt. Auch die Erstbehörde habe zweifelsfrei "die gegenständliche Wiedereinsetzung im Rahmen des Strafverfahrens" behandelt, wie sich aus der Begründung des erstbehördlichen Bescheides ergebe. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer einen Wiedereinsetzungsantrag im Zuge des Strafverfahrens gestellt habe und "zu einem Zeitpunkt in jene Phase des Strafverfahrens wiedereingesetzt werden wollte, die vor der Pflicht zur Erteilung einer Lenkerauskunft liegt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Das KFG 1967 lautet (auszugsweise):

"Pflichten des Zulassungsbesitzers eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers

§ 103.

...

(2) Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einen bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Fall von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen.

... . Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen

Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; ... .

...

Zuständigkeit

§ 123. (1) Für die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Amtshandlungen ist, sofern darin nichts anderes bestimmt ist, in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese, und in zweiter Instanz der Landeshauptmann zuständig. Entscheidet der Landeshauptmann in erster Instanz, haben über dagegen eingebrachte Berufungen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern zu entscheiden.

(1a) Gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde in den Angelegenheiten der §§ 108 bis 117, § 119 Abs. 2 und § 122a Abs. 4 kann Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes erhoben werden.

...

(4) Die in § 103 Abs. 2 und § 103a Abs. 2 angeführten Erhebungen sind im Sinne der §§ 39 Abs. 2 letzter Satz AVG, außer bei Gefahr in Verzug, schriftlich oder telefonisch durchzuführen. Liegt einer Erhebung gemäß § 103 Abs. 2 die Begehung einer Verwaltungsübertretung zu Grunde, ist die Erhebung von der für die Ausübung des Verwaltungsstrafrechtes zuständigen Behörde, sofern diese eine Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde ist, zu führen. In diesen Fällen ist diese Behörde auch sachlich und örtlich für die Durchführung eines Strafverfahrens wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 zuständig."

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2000/11/0100, sowie die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/11/0291, vom , Zl. 2002/11/0259, und vom , Zl. 2004/11/0062, mwN) ist das Verfahren, in dem eine Aufforderung zur Auskunftserteilung gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 ergeht, ein Administrativverfahren. Nichts anderes kann für den im Rahmen eines derartigen Verfahrens gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gelten (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/11/0109).

Damit scheidet eine Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern nach Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG bzw. § 51 Abs. 1 VStG aus. Ihre Zuständigkeit wäre nur unter der Voraussetzung gegeben, dass sie im Sinne des Art. 129a Abs. 1 Z. 3 B-VG zur Entscheidung (auch) über Berufungen gegen Bescheide, mit denen über Wiedereinsetzungsanträge im Rahmen des § 103 Abs. 2 KFG 1967 entschieden wurde, vorgesehen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/11/0069). Dies ist jedoch, wie sich aus der oben dargestellten Rechtslage (§ 123 KFG 1967) ergibt, nicht der Fall. Auf die Ausführungen im letztgenannten Erkenntnis kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden.

2.1. Die Äußerung der belangten Behörde ist vor diesem Hintergrund nicht geeignet, eine Zuständigkeit des UVS im Beschwerdefall aufzuzeigen.

Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob das Wiedereinsetzungsvorbringen des Beschwerdeführers tauglich war. Schon aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom unter einem die versäumte Auskunft nachgeholt hat, ergibt sich zweifelsfrei, dass die Wiedereinsetzung auf das einem allfälligen Verwaltungsstrafverfahren vorgelagerte Administrativverfahren gerichtet war. Jede andere Auslegung des Wiedereinsetzungsantrages würde dem Antragsteller von Vornherein geradezu Unsinniges unterstellen. An keiner Stelle des Schriftsatzes vom ist von der Versäumung einer Frist im Verwaltungsstrafverfahren die Rede. Der Umstand, dass unter einem ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt wurde, vermag daran nichts zu ändern.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist es auch keineswegs geboten, den erstbehördlichen Zurückweisungsbescheid in dem von der belangten Behörde unterstellten Sinn zu verstehen. Aus der in der Begründung enthaltenen Passage "Gegenstand des Antrages ist das gegen den Antragsteller durchgeführte Verwaltungsstrafverfahren zur oa. Geschäftszahl" ergibt sich keineswegs, dass die Erstbehörde den Wiedereinsetzungsantrag als auf eine im Verwaltungsstrafverfahren versäumte Frist bezogen verstanden hat.

Schließlich ist der belangten Behörde die in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltene Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens entgegenzuhalten, aus der hervorgeht, dass sie selbst den Wiedereinsetzungsantrag als auf die Frist im Administrativverfahren bezogen verstanden hat.

2.2. Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen - vorliegendenfalls gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung - wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

2.3. Für das fortzusetzende Verfahren hält es der Verwaltungsgerichthof für zweckmäßig darauf hinzuweisen, dass er die in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretene Auffassung der belangten Behörde, der Wiedereinsetzungsantrag sei verfristet, weil dem Beschwerdeführer bereits mit Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung bekannt sein musste, dass die Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft am durch Hinterlegung zugestellt wurde, für zutreffend hält.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich, im Rahmen des gestellten Begehrens, auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-76770