VwGH vom 28.08.2012, 2012/21/0087
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des I, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Haslinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-FR-12-0017, betreffend u. a. Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der genannte Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (Schubhaft, Anhaltung und Kostenaussprüche) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, hatte ab dem über Aufenthaltstitel zum Zweck eines Universitätsstudiums verfügt. Zuletzt wurde er allerdings mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vom gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG mangels ausreichenden Studienerfolges ausgewiesen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0118, dem die Einzelheiten dieses Verfahrens entnommen werden können, als unbegründet abgewiesen.
Am und neuerlich am beantragte der Beschwerdeführer erfolglos die Gewährung von internationalem Schutz; es ergingen jeweils rechtskräftige Ausweisungen nach Ägypten (zuletzt mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom und vom ).
Mit - am selben Tag in Vollzug gesetztem - Bescheid vom verhängte die Bezirkshauptmannschaft Amstetten über den schon davor festgenommenen Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung.
Der Beschwerdeführer erhob am Tag darauf gegen seine Festnahme und die Schubhaft Beschwerde, in der er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte und - unter anderem - vorbrachte, im Verlauf seiner Einvernahme (vor Verhängung der Schubhaft) neuerlich erklärt zu haben, internationalen Schutz zu benötigen und dazu "eine aktuelle Bestätigung des UNHCR" (vom ) vorgelegt zu haben. Dessen ungeachtet habe ihn die Bezirkshauptmannschaft Amstetten nicht als Asylwerber behandelt. Er habe dann, am Abend des , formal schriftlich und mündlich einen (dritten) Asylantrag gestellt.
Mit Bescheid vom gab der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (die belangte Behörde) dieser Beschwerde gemäß § 83 FPG keine Folge und stellte fest, dass auch die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.
Begründend verneinte er - der mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift vom und einer (nicht dem Parteiengehör unterzogenen) behördlichen Stellungnahme folgend - die Stellung eines weiteren Asylantrages vor Verhängung der Schubhaft. Insoweit hielt die belangte Behörde auch die Vornahme einer mündlichen Verhandlung für entbehrlich, weil der Sachverhalt im Sinne des § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine. Die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 und 6 FPG (unter Berücksichtigung des erst später gestellten Asylantrages) seien insgesamt erfüllt.
Über die gegen diesen Bescheid - erkennbar nur in seinen Aussprüchen über die Schubhaft, die Anhaltung und in den Kostenaussprüchen - erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer hatte in seiner Administrativbeschwerde zentral geltend gemacht, dass er bei Erlassung des die Schubhaft anordnenden Bescheides vom infolge Stellung eines weiteren Antrages auf internationalen Schutz als Asylwerber zu behandeln gewesen wäre. Dieses strittige und für den Ausgang des Verfahrens wesentliche Vorbringen (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0079, mwN) wäre im Rahmen der ausdrücklich beantragten mündlichen Verhandlung abzuklären gewesen.
Hätte sich bei den nach dem Gesagten gebotenen Ermittlungen im Sinn des Vorbringens des Beschwerdeführers ergeben, dass der Antrag auf internationalen Schutz vor Verhängung der Schubhaft gestellt worden war, so hätte die Schubhaft nicht auf § 76 Abs. 1 und - in weiterer Folge - auf § 76 Abs. 6 FPG (auf diesen Bestimmungen beruht auch der Fortsetzungsausspruch der belangten Behörde) gestützt werden dürfen.
Der genannte Bescheid ist daher im Umfang seiner Anfechtung mit einem wesentlichen Verfahrensfehler belastet, weshalb er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die in dieser Verordnung normierte Pauschalierung die - vom Beschwerdeführer gesondert verzeichnete - Umsatzsteuer bereits umfasst.
Wien, am
Fundstelle(n):
YAAAE-76757