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VwGH vom 18.12.2012, 2010/11/0036

VwGH vom 18.12.2012, 2010/11/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der L A in S, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Herrengasse 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-09-0167, betreffend Austausch eines Nicht-EWR-Führerscheins (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation aus der Republik Tschetschenien, reiste laut den im Verwaltungsakt befindlichen Unterlagen am in das Bundesgebiet ein und ist seit durchgehend mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet behördlich gemeldet.

Am stellte sie einen Antrag auf "Austausch (ihres) ausl. Nicht-EWR-Führerscheines". Im erstinstanzlichen Verfahren legte sie unter anderem ihren Führerschein und ihre Lenkerkarte, beide vom , eine Bescheinigung über die Absolvierung der Lenkerausbildung in Tschetschenien von bis und die Geburtsurkunde ihres Sohnes vom , allesamt in der Russischen Föderation (Grozny) ausgestellt, vor. Weiters legte die Beschwerdeführerin einen "Pass für Bürger der Russischen Föderation" vom vor, aus dem hervorgeht, dass sie seit 1992 an einer Adresse in Grozny ihren Wohnsitz angemeldet hatte. Allen Dokumenten ist eine Übersetzung durch einen gerichtlich beeideten Dolmetscher angeschlossen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Lenkberechtigung abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde unter Verweis auf § 23 Abs. 3 FSG aus, der Beschwerdeführerin sei "der Nachweis, dass sie sich zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Lenkberechtigung in dem betreffenden Staat während mindestens 6 Monaten aufhielt und dort ihren Hauptwohnsitz" gehabt habe, nicht gelungen. Es ergebe sich "aus den vorgelegten Dokumenten keineswegs, dass ein durchgehender Aufenthalt mit Hauptwohnsitzbegründung während sechs Monaten in Tschetschenien gegeben war". Wenn und solange die Beschwerdeführerin das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 23 Abs. 3 FSG nicht zweifelsfrei dartue, fehle es der österreichischen Behörde an der Berechtigung zur Ausstellung eines Führerscheines. Im Übrigen hätte die Beschwerdeführerin selbst bei zweifelsfreiem Vorliegen einer russischen Lenkberechtigung die fachliche Befähigung im Sinne des § 23 Abs. 3 Z 4 FSG nachzuweisen gehabt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. § 23 des Führerscheingesetzes in der gegenständlich maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 31/2008 (FSG) lautet:

"Ausländische Lenkberechtigungen

§ 23. (1) Das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen von Anhängern auf Grund einer von einer Vertragspartei des Pariser Übereinkommens über den Verkehr von Kraftfahrzeugen, BGBl. Nr. 304/1930, des Genfer Abkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 222/1955, oder des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 289/1982, in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung durch Personen mit Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) im Bundesgebiet ist zulässig, wenn seit dessen Begründung nicht mehr als sechs Monate verstrichen sind und der Besitzer der Lenkberechtigung das 18. Lebensjahr vollendet hat. …

(3) Dem Besitzer einer in einem Nicht-EWR-Staat oder sonstigem Gebiet erteilten Lenkberechtigung ist ab Vollendung des 18. Lebensjahres auf Antrag eine Lenkberechtigung im gleichen Berechtigungsumfang zu erteilen, wenn:

1. der Antragsteller nachweist, dass er sich zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Lenkberechtigung in dem betreffenden Staat während mindestens sechs Monaten aufhielt oder dort seinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) hatte; dieser Nachweis entfällt, wenn der Antragsteller die Staatsbürgerschaft des Ausstellungsstaates des Führerscheines besitzt und bei Begründung des Wohnsitzes (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich die ausländische Lenkberechtigung bereits besessen hat und die Behörde keine Zweifel am tatsächlichen Vorliegen des Wohnsitzes (§ 5 Abs. 1 Z 1) oder sechsmonatigen Aufenthaltes in dem betreffenden Staat zum Zeitpunkt des Erwerbes der Lenkberechtigung hat.

2. der Antragsteller seinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) nach Österreich verlegt hat oder während seines Auslandsaufenthaltes behalten hat,

3. keine Bedenken hinsichtlich der Verkehrszuverlässigkeit bestehen sowie die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 nachgewiesen ist und

4. entweder die fachliche Befähigung durch eine praktische Fahrprüfung gemäß § 11 Abs. 4 nachgewiesen wird oder

5. angenommen werden kann, daß die Erteilung seiner Lenkberechtigung unter den gleichen Voraussetzungen erfolgt ist, unter denen sie in Österreich erteilt wird. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat mit Verordnung festzulegen, in welchen Staaten für welche Lenkberechtigungen eine derartige Gleichartigkeit besteht.

…"

Die zitierte Fassung der Z 1 des § 23 Abs. 3 FSG geht auf die Novelle BGBl. I Nr. 81/2002 zurück. Nach den Erläuterungen zu dieser Novelle (RV 1033 BlgNR, 21. GP, 28) entfällt der Nachweis über den mindestens sechsmonatigen Aufenthalt im Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Lenkberechtigung dann,

"wenn feststeht, dass (der Antragsteller) bei Begründung des Hauptwohnsitzes in Österreich die ausländische Lenkberechtigung bereits besessen hat und zusätzlich die Behörde keine Zweifel am tatsächlichen Vorliegen des Wohnsitzes in dem betreffenden Staat hat. Dadurch wird der Behörde die Möglichkeit gegeben, gewisse dubiose Fälle näher zu untersuchen und genauere Nachweise zu verlangen, beispielsweise wenn der Behörde bekannt ist, dass die betreffende Person seit langem in Österreich wohnt, die vorgewiesene ausländische Lenkberechtigung jedoch erst vor kurzem erteilt wurde."

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Voranzustellen ist, dass die belangte Behörde davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin die Staatsbürgerschaft des Ausstellungsstaates des von ihr vorgelegten Führerscheines der Russischen Föderation besitzt und diese Lenkberechtigung bei Begründung ihres Wohnsitzes in Österreich, bereits besessen hat. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob gegenständlich der Alternativtatbestand des § 23 Abs. 3 Z. 1 FSG ("dieser Nachweis entfällt, wenn ...") erfüllt ist. Nach diesem Tatbestand ist der Nachweis nur zu erbringen, wenn begründete Zweifel am tatsächlichen Vorliegen des Wohnsitzes oder sechsmonatigen Aufenthaltes in dem betreffenden Staat zum Zeitpunkt des Erwerbs der Lenkberechtigung bestehen.

Derartige begründete Zweifel hat die belangte Behörde nicht dargelegt.

2.2. Zur Eventualbegründung, die Beschwerdeführerin habe es überdies unterlassen, den Nachweis gemäß § 23 Abs. 3 Z 4 FSG betreffend ihre fachliche Befähigung durch eine praktische Fahrprüfung zu erbringen, genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die diesbezügliche Begründung des (ebenfalls eine russische Lenkberechtigung betreffenden) hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2009/11/0272, zu verweisen.

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-76734