VwGH vom 20.07.2018, Ra 2018/03/0059
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dr. S E in L, vertreten durch Dr. Herbert Veit, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Coulinstraße 20, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W195 2193473-1/3E, betreffend Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Streichung aus der Verteidigerliste (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Oberlandesgerichtes Linz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichtes Linz vom wurde der Revisionswerber gemäß § 39 Abs. 3 dritter Satz StPO alter Fassung in Verbindung mit § 516 Abs. 4 letzter Satz StPO in der Fassung BGBl. I Nr. 93/2007 aus der von der Präsidentin des Oberlandesgerichtes Linz zu führenden Verteidigerliste gestrichen (Spruchpunkt 1). Mit Spruchpunkt 2 dieses Bescheides wurde einer dagegen eingebrachten Beschwerde "gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt."
Begründend führte die Behörde zu Spruchpunkt 2 dieses Bescheides aus, der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung sei angesichts des auch Schaden verursachenden, habituellen Fehlverhaltens über einen langen Zeitraum im Umgang mit Fremdgeld bzw. Treuhandpflichten zur Abwehr konkreter Nachteile für Mandanten erforderlich.
2 Mit dem nun angefochtenen Erkenntnis wurde die gegen Spruchpunkt 2 dieses Bescheides erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
Begründend führte das Verwaltungsgericht - nach einer Darlegung des Verfahrensganges sowie allgemeinen Ausführungen zur Zuständigkeit, jedoch ohne den entscheidungserheblichen Sachverhalt festzustellen - im Wesentlichen aus, dass der in § 13 Abs. 2 VwGVG nicht vorgesehene Ausspruch über die "Nichtzuerkennung" der aufschiebenden Wirkung dahin zu verstehen sei, dass damit die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen worden sei. Für die Beurteilung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung seien neben den Interessen des Revisionswerbers die öffentlichen Interessen maßgeblich. Das öffentliche Interesse "in das Vertrauen der Normunterworfenen in die Rechtsordnung und damit in die Rechtsprechung sowie die befassten Rechtsberufe" sei "unbestrittenermaßen gegeben." Ein Verhaltensmuster eines Rechtsanwaltes, der mit Geldern der Mandanten nicht die notwendige Sorgfalt walten lasse, sei äußerst bedenklich. Noch schlimmer sei hingegen, wenn ein Anwalt ihm treuhändig übertragene Gelder von Mandanten nicht regelkonform verwalte und für eigene Zwecke verwendet; letztlich habe dieses Verhalten des Revisionswerbers "zu entsprechenden Verurteilungen und Disziplinarerkenntnissen geführt", die eine Berufspflichtverletzung sowie die Beeinträchtigung der Ehre und des Ansehens des Standes festgestellt hätten. "Diese Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Bescheid" seien in der Beschwerde unbestritten geblieben und seien für das Verwaltungsgericht "als wesentlicher Sachverhalt unstrittig" (das Verwaltungsgericht nimmt damit offensichtlich Bezug auf die Feststellungen im angefochtenen Bescheid betreffend eine disziplinarrechtliche Entscheidung des OGH, mit der letztinstanzlich die Streichung des Revisionswerbers von der Liste der Rechtsanwälte verfügt wurde, wegen nicht vollständiger Zahlung von Bewirtschaftungskosten seiner Eigentumswohnung, Nichtzahlung einer Urteilsschuld und unzulässiger Einbehaltung von Fremdgeldbeträgen; weiters auf ein Erkenntnis der OBDK und ein Erkenntnis des Disziplinarrates der OÖ. Rechtsanwaltskammer, jeweils betreffend Zuwiderhandlungen gegen einen Treuhandauftrag, sowie auf zwei Erkenntnisse des Disziplinarrates der OÖ. Rechtsanwaltskammer betreffend unwürdige Ausdrucksweise bzw. unsachliche Angriffe in einer Rechtsmittelschrift).
Der Revisionswerber habe vorgebracht, er sei nur Verteidiger in Strafsachen, der weder befugt sei, Fremdgelder entgegenzunehmen, noch diese treuhändig zu verwalten; da dies von der OÖ. Rechtsanwaltskammer penibel überwacht werde, bestehe keine konkrete Gefährdung, "durch den (Revisionswerber) mit Fremdgeldern in Berührung zu kommen." Das Verwaltungsgericht könne dieser Ansicht nicht folgen. Auch als "nur" Strafverteidiger gelange ein Rechtsanwalt regelmäßig mit Fremdgeldern in Berührung, etwa bei durchaus üblichen Honorarvorschüssen in der Strafverteidigung oder im Rahmen zivilrechtlicher Ansprüche allfälliger "Nebenkläger."
Die Argumentation des Revisionswerbers, er würde als Strafverteidiger nicht mit Fremdgeldern in Berührung kommen, laufe daher ins Leere. Hingegen sei die unbestrittene Tatsache, dass der Revisionswerber wiederholt Standesregeln durch Zugriff auf Fremdgelder verletzt habe, ausschlaggebend und rechtfertige, dass die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen Spruchpunkt 1 des Bescheides "des OLG Linz" (richtig: der Präsidentin des Oberlandesgerichtes Linz) ausgeschlossen werden müsse. Anderweitig könne eine unmittelbare Gefährdung von Fremdgeldern und Treuhandverpflichtungen nicht ausgeschlossen werden.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurück-, in eventu abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
4 Vorweg ist festzuhalten, dass der Revisionswerber nach Ausweis der vorgelegten Verfahrensakten innerhalb der Beschwerdefrist auch - gesondert - gegen Spruchpunkt 1 des Bescheides der Präsidentin des Oberlandesgerichtes Linz vom Beschwerde erhoben hat und das diesbezügliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anhängig ist, sodass es nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses gekommen ist.
5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, was bei einem Verteidiger in Strafsachen unter den Begriff der öffentlichen Interessen in § 13 Abs. 2 VwGVG subsumiert werden könne. Mit dem angefochtenen Erkenntnis sei der Revisionswerber nicht nur hinsichtlich der Standesregeln, sondern auch hinsichtlich des Umfanges der Berufsberechtigung dem Rechtsanwalt gleichgehalten worden; der Revisionswerber sei aber kein Rechtsanwalt, sondern Verteidiger in Strafsachen. Ihm kämen (nur) jene Rechte zu, die sich aus den §§ 57 bis 60 StPO ergeben, nicht hingegen etwa die Rechte des Privatbeteiligtenvertreters nach § 73 StPO. Ihm gezahlte Kostenvorschüsse seien nicht Fremdgeld, sondern eigenes Geld.
6 Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber im Ergebnis - entgegen der im angefochtenen Erkenntnis nur formelhaft und damit nicht gesetzmäßig ausgeführten Begründung für die Nichtzulassung der Revision - die Zulässigkeit der Revision dar. Zwar ist die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung (Ausschluss) der aufschiebenden Wirkung das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung und daher im Allgemeinen nicht revisibel; dies setzt jedoch voraus, dass die im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung vom Verwaltungsgericht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wird (vgl. ). Dies ist hier schon deshalb nicht Fall, weil das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis - wie vom Revisionswerber dargelegt - erkennbar davon ausgegangen ist, dass der Revisionswerber, wäre die aufschiebende Wirkung der Bescheidbeschwerde nicht ausgeschlossen worden, als Rechtsanwalt - wenn auch eingeschränkt auf eine Tätigkeit im Bereich des Strafrechts - tätig geworden wäre, wie sich insbesondere aus den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis ergibt, wonach "ein Rechtsanwalt" auch als "nur" Strafverteidiger regelmäßig mit Fremdgeldern in Berührung gelange. Verfahrensgegenständlich ist jedoch nicht eine Tätigkeit als Rechtsanwalt, sondern als gesetzlich nach § 516 Abs. 4 StPO - als Verteidiger im Sinne des § 48 Abs. 1 Z 5 StPO - zur Vertretung im Strafverfahren berechtigte Person.
7 Das Verwaltungsgericht hat zudem lediglich für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung sprechende öffentliche Interessen berücksichtigt, es aber gänzlich unterlassen, die gebotene Abwägung mit den vom Revisionswerber geltenden gemachten Interessen vorzunehmen, sodass sich das angefochtene Erkenntnis schon aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig erweist.
8 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030059.L00 |
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