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VwGH vom 24.01.2013, 2012/21/0059

VwGH vom 24.01.2013, 2012/21/0059

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des DF in H, vertreten durch Dr. Alexander Rehrl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Alpenstraße 54, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom , Zl. UVS-5/14300/9-2012, betreffend Bestrafung wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am nach Österreich ein und beantragte zwei Tage danach erfolglos die Gewährung von Asyl (der erstinstanzliche Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde nach der Aktenlage am Tag darauf erlassen; ein bestätigendes Erkenntnis des Asylgerichtshofes erging am ). Am stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nach § 44 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG. Am heiratete er die Österreicherin Z., mit der er seither zusammen lebt (Erhebungen zum Vorliegen einer Scheinehe blieben ohne Ergebnis). Im Jänner 2012 wurde ihm der beantragte Aufenthaltstitel erteilt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom bestätigte die belangte Behörde das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom , mit welchem dem Beschwerdeführer zur Last gelegt worden war, er hätte sich am nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Wegen der dadurch bewirkten Verletzung des § 31 Abs. 1 iVm § 120 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 160 Stunden) verhängt.

Begründend bejahte sie den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers, dem ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen nicht mehr zukomme und für den kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 31 Abs. 1 FPG vorliege. Auch die Antragstellung nach § 44 Abs. 4 NAG begründe kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz. Daran ändere auch die erwähnte Eheschließung mit einer Österreicherin nichts, sodass der Beschwerdeführer am Tattag rechtswidrig und auch vorsätzlich im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei. Die Bestrafung sei daher zu Recht erfolgt, auch erscheine die verhängte Strafe tat- und schuldangemessen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, die Begründung einer Pflicht, trotz des Aufenthalts im Bundesgebiet seit 2002 sowie des - letztlich erfolgreichen - Antrages nach § 44 Abs. 4 NAG seine hier lebende österreichische Ehefrau zu verlassen, stellte eine Verletzung des Art. 8 EMRK dar. Dieser Umstand stehe auch der Bestrafung wegen nicht rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entgegen.

Damit zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Die belangte Behörde hat weder festgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits - unter Vornahme einer Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK - rechtskräftig ausgewiesen worden sei (eine derartige Ausweisung kann den vorgelegten Verwaltungsakten nicht entnommen werden) und sich die für die Beurteilung nach Art. 8 EMRK maßgeblichen Umstände seither nicht geändert hätten, noch hat sie im Rahmen einer Vorfragenbeurteilung selbst die gebotene Interessenabwägung im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Ausweisung vorgenommen.

Hätte sich ergeben, dass eine (hypothetische) Ausweisung des Beschwerdeführers im angelasteten Tatzeitraum nicht gerechtfertigt gewesen wäre, so hätte sich dies im Ergebnis auch auf die Strafbarkeit des inländischen Aufenthaltes gemäß § 120 Abs. 1a FPG auswirken müssen. Denn wären auch Fremde, die derart gravierende private und familiäre Bindungen in Österreich haben, dass ihr Interesse an deren Aufrechterhaltung die entgegenstehenden öffentlichen Interessen an einer Ausweisung überwiegt, von der Strafdrohung der genannten Norm erfasst, so läge darin ein dem Gesetzgeber nicht zusinnbarer Wertungswiderspruch. Es muss daher das Vorliegen eines gesetzlichen Strafausschließungsgrundes nach § 6 VStG angenommen werden, wenn einer Ausweisung des Fremden eine zu seinen Gunsten ausfallende Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Weg steht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 2010/21/0049 und 0050, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2011/21/0211 und 0222, jeweils mwN).

In Verkennung dieser Rechtslage hat die belangte Behörde die Zulässigkeit einer (hypothetischen) Ausweisung des Beschwerdeführers bezogen auf den in Frage stehenden Tatzeitraum () ungeprüft gelassen und insbesondere keine Feststellungen zu seinen konkreten familiären Verhältnissen getroffen (die unbestritten letztlich zur Erteilung eines Aufenthaltstitels geführt haben).

Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
KAAAE-76698