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VwGH vom 14.07.2011, 2010/10/0262

VwGH vom 14.07.2011, 2010/10/0262

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Steiermärkischen Krankenanstalten Gesellschaft m.b.H. in Graz, vertreten durch Dr. Uwe Niernberger und Dr. Angelika Kleewein, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Elisabethstraße 50c, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA11A-32-1551/2009-2, betreffend Spitalskostenrückersatz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Krankenanstaltengesellschaft auf Rückersatz der durch die stationäre Behandlung der Patientin M vom 6. bis entstandenen und nicht gedeckten Behandlungskosten in Höhe von EUR 4.296,60 ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Patientin M, rumänische Staatsbürgerin, sei vom 6. bis stationär im Landeskrankenhaus Universitätsklinikum Graz auf Grund eines vorzeitigen Blasensprunges und eines Harnwegsinfektes in Behandlung gewesen. Die Patientin habe angegeben, über keinen Sozialversicherungsanspruch zu verfügen und habe das Krankenhaus deshalb auch vorzeitig verlassen wollen. Die Diagnose habe jedoch einen stationären Aufenthalt bis medizinisch unbedingt erforderlich gemacht.

Mit Beginn der Krankenbehandlung habe das Krankenhaus über den Umstand Bescheid gewusst, dass für die Patientin kein Sozialversicherungsschutz bestehe. Die Patientin sei der Volksgruppe der Roma zugehörig und verfüge über keinen festen Wohnsitz in Österreich. Sie gehe keiner Beschäftigung nach und verfüge über kein Einkommen.

Die Beschwerdeführerin habe am einen Antrag auf Spitalskostenrückersatz gestellt. Sie habe darauf hingewiesen, dass auf Grund der durchgeführten Erhebungen laut Beilagen das Vorliegen der finanziellen Hilfsbedürftigkeit schlüssig anzunehmen sei.

Mit Bescheid vom habe der Magistrat Graz, Sozialamt, den Antrag der Beschwerdeführerin auf Spitalskostenrückersatz abgewiesen. Dies sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Hilfsbedürftigkeit der Patientin nicht glaubhaft gemacht worden sei.

Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin Berufung erhoben.

Nach Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde - unter näherer Begründung - aus, im Beschwerdefall sei von der Hilfsbedürftigkeit der Patientin auszugehen.

Die Voraussetzungen für einen Spitalskostenrückersatz gemäß § 31 Stmk. SHG seien dann erfüllt, wenn für den Hilfsbedürftigen eine Gefährdung des Lebensbedarfes gegeben gewesen sei, die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig habe gewährt werden können, und wenn der Dritte nicht selbst die Kosten der Hilfe zu tragen gehabt habe.

Der Rückersatzanspruch nach § 31 Stmk. SHG setze nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass die Hilfegewährung durch den Dritten so dringend habe erfolgen müssen, dass der zuständige Sozialhilfeträger nicht (vor der Hilfegewährung) habe verständigt werden können. Dies sei dann der Fall, wenn die Dringlichkeit der Hilfegewährung eine vorherige Benachrichtigung nicht zugelassen habe. Zudem bestehe weiters eine Ausnahme von der sofortigen Verständigungspflicht, wenn der Rechtsträger des Krankenhauses von der Notlage der zu behandelnden Person keine Ahnung gehabt habe. In Fällen, in denen der Krankenhausträger erst nach Beginn der Behandlung von der Hilfsbedürftigkeit Kenntnis erlange, bestehe vor dieser Kenntnisnahme auch keine Obliegenheit zur Verständigung des Sozialhilfeträgers. Es genüge vielmehr, wenn der Krankenhausträger nach Kenntnisnahme unter Fortsetzung der Behandlung der Obliegenheit nachkomme.

Die Patientin habe bereits bei ihrer Einlieferung in das Krankenhaus mitgeteilt, dass sie über keinen aufrechten Sozialversicherungsschutz verfüge und habe auch auf ihre vorzeitige Entlassung gedrängt, die aber auf Grund der medizinisch notwendigen Behandlung nicht möglich gewesen sei. Die Hilfe habe so dringend gewährt werden müssen, dass der zuständige Sozialhilfeträger vor Hilfegewährung nicht habe verständigt werden können. Es hätte im Beschwerdefall nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes genügt, wenn der Krankenhausträger nach Kenntnisnahme von der Hilfsbedürftigkeit seiner Obliegenheit zur Verständigung des Sozialhilfeträgers nachgekommen wäre. Da das Krankenhaus von der Hilfsbedürftigkeit der Patientin ausgegangen sei, hätte es zumindest während der Fortsetzung der Krankenbehandlung seiner Verständigungsobliegenheit nachkommen müssen.

Eine Meldung bzw. Antragstellung an den zuständigen Magistrat sei jedoch erst mit erfolgt. Die Patientin habe sich allerdings von 6. bis in stationärer Behandlung befunden und es wäre in diesem Zeitraum eine Verständigung des Sozialhilfeträgers möglich gewesen.

Zusammenfassend gelange die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass bei der Patientin zwar eine Hilfsbedürftigkeit im Sinne des Stmk. SHG vorgelegen sei, der Krankenhausträger jedoch diese Hilfsbedürftigkeit dem zuständigen Sozialhilfeträger nicht rechtzeitig im Sinne des § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG angezeigt habe, und dass aus diesem Grund nicht alle Voraussetzungen für einen Rückersatz der Spitalskosten erfüllt gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Stmk. SHG ist Voraussetzung der Hilfe u.a., dass der Betroffene (hier: die Patientin) den Lebensbedarf im Sinne des § 7 Stmk. SHG (darunter gemäß § 7 Abs. 1 lit. c auch die Krankenhilfe im Sinne des § 10) für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Gemäß § 5 Abs. 1 Stmk. SHG ist Hilfe nur soweit zu gewähren, als das Einkommen oder das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 7) zu sichern.

Nach § 31 Abs. 1 Stmk. SHG hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der einem Hilfebedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn:


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a)
eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war;
b)
die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte;
c)
der Dritte nicht selbst die Kosten der Hilfe zu tragen hatte.
Nach Abs. 2 leg. cit. muss der Rückersatz spätestens sechs Monate nach Beginn der Hilfeleistung bei sonstigem Anspruchsverlust beim örtlich zuständigen Sozialhilfeträger beantragt werden. Im Antrag ist die finanzielle Hilfsbedürftigkeit des Hilfeempfängers durch schlüssiges Vorbringen glaubhaft zu machen.
Die belangte Behörde begründet die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin damit, dass die Beschwerdeführerin den zuständigen Sozialhilfeträger nicht rechtzeitig im Sinne des § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG verständigt habe, sodass die dort normierte Voraussetzung für den Rückersatz der Spitalskosten nicht erfüllt sei.
Die Beschwerde hält dagegen, die Patientin habe angegeben, nur bis zu ihrem 18. Lebensjahr mit ihrem Vater mitversichert gewesen zu sein, seither jedoch ohne Krankenversicherung auskommen zu müssen. Erst über Anfrage an den rumänischen Krankenversicherer sei eine Sozialhilfebestätigung betreffend des Vaters der Patientin übermittelt worden, dies bereits am . Weiters sei an diesem Tag ein Identifikationsnachweis der rumänischen Krankenkasse, dass kein Versicherungsschutz bestehe, übermittelt worden. Der Freund der Patientin und Kindesvater sei angewiesen worden, entsprechende Unterlagen vorzulegen. Es hätten jedoch keine beigebracht werden können.
Die belangte Behörde übersehe, dass die Behandlung der Patientin unaufschiebbar gewesen sei und dass die Beschwerdeführerin selbstverständlich entsprechende Erhebungen durchgeführt habe, wie insbesondere durch Aufforderung des Kindesvaters, versicherungsrechtlich relevante Unterlagen beizuschaffen. Es seien sogar innerhalb des Behandlungszeitraumes aus Rumänien Unterlagen beigeschafft worden. Die belangte Behörde übersehe weiters, dass die Patientin einen Wohnsitz in Wien angegeben habe, sodass die von der Behörde herangezogene Meinung, die Beschwerdeführerin hätte bereits auf Grund der Angabe der Patientin, dass sie keine Versicherung habe, den Sozialhilfeträger verständigen müssen, verfehlt sei.
Zum einen sei es der Beschwerdeführerin auf Grund der Dringlichkeit der Behandlung nicht möglich gewesen, den Sozialhilfeträger zu verständigen, zum anderen habe sie nichts von der Notlage der Patientin gewusst. Vielmehr sei es Pflicht der Beschwerdeführerin gewesen, Erhebungen zu pflegen, was sie auch getan habe.
Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG eine Obliegenheit des Dritten, der die Hilfeleistung erbringt (hier: die Beschwerdeführerin), zur Verständigung des Sozialhilfeträgers begründet (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/10/0280, und Zl. 2007/10/0282 jeweils mwN). Der Verlust des Rückersatzanspruches infolge Unterlassung der Verständigung des Sozialhilfeträgers (durch den Dritten, der Hilfe geleistet hat) tritt dann nicht ein, wenn der Dritte - etwa der Rechtsträger einer Krankenanstalt, die medizinische Hilfe geleistet hat - nichts von der Notlage der Person, der Hilfe gewährt wurde, wusste oder die Verständigung des Sozialhilfeträgers vor Gewährung der Hilfeleistung wegen der Dringlichkeit nicht möglich war (vgl. z.B. die bereits zitierten Erkenntnisse vom sowie die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/10/0007, vom , Zl. 2005/10/0186, und vom , Zl. 2004/10/0209).
Der Zweck der gesetzlichen Regelung liegt offenkundig darin, die Ersatzansprüche Dritter auf jene Fälle zu beschränken, in denen der Sozialhilfeträger (wegen der Dringlichkeit) die Hilfe nicht selbst leisten konnte. Dieser Gesetzeszweck ist auch bei der Lösung der Frage, unter welchen Umständen eine Verletzung der Verständigungsobliegenheit vorliegt, die zum Verlust des Ersatzanspruches führt, in den Blick zu nehmen.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass die Verständigung des Sozialhilfeträgers vor Gewährung der Hilfeleistung wegen Dringlichkeit, nämlich der unabweislichen sofortigen Einleitung medizinischer Behandlung bei stationärer Aufnahme der Patientin am , nicht möglich war. Es bestand somit schon deshalb keine Obliegenheit der beschwerdeführenden Krankenanstalt, den Sozialhilfeträger vor Beginn der Hilfeleistung zu verständigen. Die Obliegenheit entsteht in einem solchen Fall in jenem Zeitpunkt, in dem die Krankenanstalt bei gehöriger Aufmerksamkeit die Hilfsbedürftigkeit der Patientin erkennen und bei ordnungsgemäßer Organisation ihrer Verwaltung die erforderlichen Maßnahmen einleiten, insbesondere die Anzeige an den Sozialhilfeträger erstatten, konnte. Für die bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Hilfeleistungen - etwa die Fortsetzung der Heilbehandlung - gebührt der Ersatz der Aufwendungen selbst dann, wenn die Anzeige an den Sozialhilfeträger später, jedoch innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 StmkSHG, erfolgt. Unter den Umständen des Beschwerdefalles, in dem die Spitalsbehandlung lediglich wenige Tage andauerte, kann nicht gesagt werden, dass die Unterlassung der Anzeige an den Sozialhilfeträger vor Beendigung der Hilfeleistung (Abschluss der Behandlung) zum Verlust des Ersatzanspruches infolge Obliegenheitsverletzung geführt hätte.
Demgegenüber hat die belangte Behörde den Ersatzanspruch verneint, weil die beschwerdeführende Krankenanstalt den Sozialhilfeträger nicht "zumindest während der Fortsetzung der Krankenbehandlung" verständigt hatte. Nach dem Gesagten kann diese Auffassung unter den Umständen des Beschwerdefalles nicht geteilt werden; der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am

Fundstelle(n):
ZAAAE-76680