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VwGH vom 25.10.2012, 2012/21/0030

VwGH vom 25.10.2012, 2012/21/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des I in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-730136/4/Sr/ER/Wu, betreffend Rückkehrentscheidung (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1984 geborene Beschwerdeführer ist georgischer Staatsangehöriger und reiste im Oktober 2006 nach Österreich ein. Hier befanden sich bereits seine Mutter und sein Bruder, ebenfalls georgische Staatsangehörige.

Der Beschwerdeführer beantragte in der Folge internationalen Schutz, seine Mutter und sein Bruder hatten bereits im Oktober 2005 Asylanträge gestellt.

Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers vollinhaltlich ab. Von einer Ausweisung des Beschwerdeführers sah das Bundesasylamt jedoch ab, weil - ebenfalls mit Bescheiden vom - seinem Bruder wegen Unzulässigkeit einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zuerkannt und seine Mutter im Hinblick darauf gleichfalls nicht ausgewiesen worden war. Davon ausgehend ergebe sich, dass - so das Bundesasylamt wörtlich - "zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Ausweisung des (Beschwerdeführers) einen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen würde".

Der unabhängige Bundesasylsenat gab den gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom erhobenen Berufungen nur insofern Folge, als nunmehr auch der Mutter des Beschwerdeführers eine bis zum befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde. (Diese wurde mittlerweile ebenso wie jene des Bruders des Beschwerdeführers mehrfach verlängert.) Die Behandlung der gegen alle drei Berufungsbescheide eingebrachten Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Zlen. 2008/23/1162 bis 1164, ab.

Hierauf wies die Bundespolizeidirektion Linz den Beschwerdeführer mit Bescheid vom gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 und 1a sowie § 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus. Über die Berufung des Beschwerdeführers erkannte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (die belangte Behörde) dann mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom wie folgt:

"Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als eine Rückkehrentscheidung unzulässig ist, solange (Mutter des Beschwerdeführers) und (Bruder des Beschwerdeführers) der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Asylgesetz 2005 … zukommt."

Ihre Entscheidung begründete die belangte Behörde - auf das Wesentliche zusammengefasst - damit, dass gegen den unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Beschwerdeführer, vorbehaltlich der Beurteilung nach Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Was die gebotene Interessenabwägung nach den genannten Bestimmungen anlange, so würden die für die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sprechenden "Elemente des öffentlichen Interesses" die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet grundsätzlich überwiegen. Der Beschwerdeführer lebe aber mit seiner Mutter und mit seinem Bruder im gemeinsamen Haushalt, weshalb insoweit auch von einem aufrechten Familienleben auszugehen sei. Dieses Familienleben habe bereits vor der Einreise nach Österreich bestanden und sei dadurch gekennzeichnet, dass der Beschwerdeführer die "Rolle des Familienhaupts" innehabe und seine Mutter und seinen Bruder, die beide nachweislich krank seien, unterstütze. Von daher greife die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unzulässig in das Familienleben des Beschwerdeführers ein, weil seine Mutter und sein Bruder auf Grund der Zuerkennung subsidiären Schutzes vorerst bis über eine befristete Aufenthaltsberechtigung in Österreich verfügten. Die durch die Rückkehrentscheidung "drohende Verletzung des Familienlebens" sei aber angesichts der Befristung des Aufenthaltsrechts von Mutter und Bruder mit als bloß vorübergehend zu betrachten. Eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erweise sich somit nicht auf Dauer als unzulässig.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Erlangung eines Ausspruches, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, verletzt erachtet, hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

1. Mit dem bekämpften Bescheid hat die belangte Behörde im Ergebnis in Stattgebung der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung die erstinstanzlich gegen ihn verhängte aufenthaltsbeendende Maßnahme beseitigt. Sie hat aber insbesondere auch zum Ausdruck gebracht, dass eine Rückkehrentscheidung (in Zukunft nur) unzulässig sei, solange der Mutter und dem Bruder des Beschwerdeführers (weiterhin) der Status von subsidiär Schutzberechtigten zukomme.

2.1. Erkennbare rechtliche Grundlage des letztgenannten Ausspruches ist § 61 Abs. 3 FPG.

2.1.1. § 61 FPG insgesamt lautet (in der Fassung des FrÄG 2011) wie folgt:

"Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 61. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;


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2.
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3.
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4.
der Grad der Integration;
5.
die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6.
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8.
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9.
die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung deren Unzulässigkeit gemäß Abs. 3 festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung nach Abs. 1 vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung rechtfertigen würde."

2.1.2. § 61 Abs. 3 FPG entspricht im Wesentlichen § 66 Abs. 3 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011 und geht insoweit auf die am in Kraft getretene Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 zurück. Mit dieser Novelle wurde das humanitäre Aufenthaltsrecht neu geregelt. In den ErläutRV (88 BlgNR 24. GP 6) heißt es dazu:

"Nach der bisherigen Rechtslage und in der Entscheidungspraxis der Fremdenpolizeibehörden war im Falle der Unzulässigkeit der Ausweisung keine formale Entscheidung darüber vorgesehen. Der neue Abs. 3 verpflichtet die Fremdenpolizeibehörden nunmehr über die Unzulässigkeit einer Ausweisung jedenfalls abzusprechen, um der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde eine taugliche Entscheidungsgrundlage für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44a NAG zur Verfügung stellen zu können. Dabei ist insbesondere auch anzuführen, ob eine Ausweisung aus Gründen des Art. 8 EMRK dauerhaft unzulässig ist, da nur eine dauerhafte Unzulässigkeit die amtswegige Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44a zur Folge hat. Eine Entscheidungspflicht der Fremdenpolizeibehörde besteht naturgemäß nur nach (amtswegiger) Einleitung eines fremdenpolizeilichen Verfahrens. Insbesondere wird mit dieser Bestimmung kein Antragsrecht auf Durchführung eines Ausweisungsverfahrens oder auf Feststellung der dauerhaften Unzulässigkeit geschaffen. Im Übrigen siehe die Erläuterungen zu § 10 Abs. 5 AsylG."

2.2. Die in den eben zitierten ErläutRV erwähnten Bestimmungen (§ 10 Abs. 5 AsylG 2005 sowie § 44a NAG) beruhen im Kern gleichfalls auf der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009. Diese Bestimmungen - und § 10 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 sowie § 44b Abs. 1 NAG - haben folgenden Wortlaut:

2.2.1. § 10 AsylG 2005:

"Verbindung mit der Ausweisung

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn


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1.
der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;
2.
der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;
3.
einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4.
einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Ausweisungen nach Abs. 1 sind unzulässig, wenn

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;


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b)
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
c)
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
d)
der Grad der Integration;
e)
die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;
f)
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
g)
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
h)
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
i)
die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(5) Über die Zulässigkeit der Ausweisung ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre."

2.2.2. §§ 44a und 44b Abs. 1 NAG:

"§ 44a. (1) Die Behörde hat einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Ausweisung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 10 AsylG 2005 oder eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG jeweils auf Grund des § 61 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt. Die Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG beginnt mit der Zustellung der gemäß § 22 Abs. 9 AsylG 2005 oder § 105 Abs. 7 FPG zu übermittelnden Entscheidung an die Behörde.

§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 vor, sind Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn

1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder

2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG jeweils auf Grund des § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 bloß vorübergehend unzulässig ist, oder

3. die Landespolizeidirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in ihrer Beurteilung festgestellt hat, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG zulässig oder jeweils auf Grund des § 61 FPG bloß vorübergehend unzulässig ist,

und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt."

2.2.3. Zur damaligen Einführung des § 10 Abs. 5 AsylG 2005 wurde in den ErläutRV (aaO. 3 f) ausgeführt:

"Entsprechend der bisherigen Rechtslage und in der Entscheidungspraxis des Bundesasylamtes war im Falle der Unzulässigkeit der Ausweisung kein Spruch darüber vorgesehen. Der neue Abs. 5 verpflichtet nunmehr auch das Bundesasylamt - der Asylgerichtshof hat darüber, soweit beschwerdegegenständlich, ohnehin abzusprechen - über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Ausweisung jedenfalls abzusprechen, um der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde eine taugliche Entscheidungsgrundlage für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44a NAG zur Verfügung stellen zu können. Dabei ist insbesondere auch anzuführen, ob eine Ausweisung aus Gründen des Art. 8 EMRK dauerhaft unzulässig ist, da nur eine dauerhafte Unzulässigkeit die amtswegige Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44a zur Folge hat. Entsprechend der Definition in § 10 Abs. 5 ist die Unzulässigkeit einer Ausweisung nur dann 'auf Dauer', wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Es wird damit klargestellt, dass Umstände, die lediglich potenziell zu einer dauernden Unzulässigkeit führen könnten, nicht umfasst sind. So wird insbesondere der Umstand, dass eine Ausweisung gegen den Fremden im Entscheidungszeitpunkt nicht möglich ist, weil Familienangehörige des Fremden - etwa weil sie sich in einem laufenden Verfahren befinden - über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht verfügen und daher nicht gleichzeitig ausgewiesen werden können, gerade nicht als dauerhaft zu bezeichnen sein. Abs. 5 führt im letzten Satz schließlich demonstrativ an, in welchen Fällen eine festgestellte Unzulässigkeit 'auf Dauer' sein wird. Dies wird demnach dann der Fall sein, wenn der Grund für die Unzulässigkeit der Ausweisung im Familienleben mit einem österreichischen Staatsbürger oder einem Fremden, der über eine dauerhafte Niederlassung im Sinne der §§ 45, 48 und 51 ff NAG verfügt, liegt. Naturgemäß stellt sich die Frage der 'Dauerhaftigkeit' aber nur in jenen Fällen, in denen die Ausweisung auf Grund der Umstände des Einzelfalles oder im Rahmen der Abwägung gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 als unzulässig zu qualifizieren ist. § 10 Abs. 5 kann daher jedenfalls nicht so verstanden werden, dass bereits 'jedes' Familienleben im Sinne des letzten Satzes zu einer Unzulässigkeit der Ausweisung führt."

2.2.4. Die Erlassung des § 44a NAG haben die ErläutRV (aaO. 12) schließlich wie folgt begründet:

"§ 44a bestimmt, dass diese (humanitäre Aufenthaltstitel) von Amts wegen zu erteilen sind, wenn eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder gemäß § 66 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. Damit wird klargestellt, dass nur rechtskräftige und auf Dauer für unzulässig erklärte Ausweisungen zur amtswegigen Erteilung eines Titels nach §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 (nunmehr: § 41a Abs. 9 oder § 43 Abs. 3) führen sollen, da ein Aufenthaltsrecht erst nach endgültigem Abschluss des vorgelagerten asyl- oder fremdenpolizeilichen Verfahrens sinnvoll ist und auch nur dann, wenn die Ausweisung auf Grund der individuellen Umstände des Betroffenen dauerhaft nicht möglich sein wird. Eine bloß vorübergehende Unzulässigkeit der Ausweisung aus Gründen des Art. 8 EMRK kann demnach gemäß § 44a jedenfalls nicht zur Erteilung eines Titels führen. § 44a stellt damit das wesentliche Bindeglied zwischen NAG, Asylgesetz 2005 und FPG dar, indem es in den Fällen einer auf Dauer unzulässigen Ausweisungsentscheidung die gleichsam 'automatische' Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter den in den §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 normierten Voraussetzungen - vorsieht und damit dem Bedürfnis Rechnung trägt, nicht auszuweisenden Fremden ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu gewähren. …"

3.1. Die dargestellte Rechtslage verfolgt das Ziel, durch Aussprüche der Fremdenpolizei- oder der Asylbehörde eine eindeutige Grundlage für die von der Niederlassungsbehörde zu beantwortende Frage zu bieten, ob einem Fremden "aus humanitären Gründen" - in Entsprechung der sich aus Art. 8 EMRK ergebenden Verpflichtung - ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist. Vor diesem Hintergrund stehen dem unabhängigen Verwaltungssenat, wenn er als Berufungsbehörde mit einer mit § 52 FPG in Einklang stehenden Rückkehrentscheidung konfrontiert wird, nach Maßgabe seiner Beurteilung nach Art. 8 EMRK bzw. der gebotenen Interessenabwägung nach § 61 FPG folgende Möglichkeiten offen:

3.2. Gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zu dem Ergebnis, dass mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung kein Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Fremden erfolgt oder dass ein solcher Eingriff nach den genannten Maßstäben zulässig (verhältnismäßig) ist, so hat er die Berufung (die Frage eines allfälligen Einreiseverbotes bleibt hier ausgeklammert) abzuweisen.

3.3. Ergibt die gebotene Abwägung hingegen, dass - bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt - die privaten oder familiären Interessen des Fremden das öffentliche Interesse an der Erlassung einer Rückkehrentscheidung überwiegen, so hat er der Berufung dergestalt stattzugeben, dass die erstinstanzlich verhängte Rückkehrentscheidung behoben wird. Zugleich hat er in einem solchen Fall aber auch auszusprechen, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer oder nur vorübergehend unzulässig ist. Dieses Erfordernis ergibt sich nicht nur aus § 61 Abs. 3 FPG, sondern - in Bezug auf den Ausspruch bloß vorübergehender Unzulässigkeit - insbesondere auch aus § 44b Abs. 1 Z 2 NAG ("rechtskräftig festgestellt"). Der Ausspruch über die - auf Dauer oder vorübergehende - Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist untrennbar mit der Behebung der erstinstanzlichen Rückkehrentscheidung verbunden und liegt daher auch innerhalb der Sache des Berufungsverfahrens, stellt er doch nur die Kehrseite der erstinstanzlich erlassenen Entscheidung (mit der zum Ausdruck gebracht wurde, eine Rückkehrentscheidung sei zulässig) dar.

3.4. Gemäß § 61 Abs. 3 zweiter Satz FPG ist die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- oder Familienlebens des Fremden auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Nach dem dann anschließenden Satz ist dies insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung schon allein auf Grund des Privat- oder Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Diesen Beispielsfällen sowie den oben dargestellten ErläutRV zur Parallelbestimmung des § 10 Abs. 5 AsylG 2005 ist zu entnehmen, dass etwa dann regelmäßig von der Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung auf Dauer auszugehen sein wird, wenn familiäre Bindungen aktuell einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen und anzunehmen ist, dass sich die Ankerpersonen weiterhin auf Dauer rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten werden. Ist das nicht der Fall und kommt diesen Ankerpersonen - so ausdrücklich die erwähnten ErläutRV - beispielsweise, weil sie sich in einem laufenden Verfahren befinden, nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu, so liegt dagegen lediglich eine vorübergehende Unzulässigkeit vor.

Wenn die Gesetzesmaterialien eine derartige Konstellation ansprechen, so wird damit erkennbar auf jene Fälle Bezug genommen, in denen in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ausweisungen von Fremden im Hinblick darauf für rechtswidrig erklärt wurden, dass sich ihre Angehörigen, in Bezug auf die ein schützenswertes Familienleben besteht, noch in einem offenen Asylverfahren befanden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/21/0615, und vom , Zl. 2009/21/0197). Aus dem Blickwinkel der (Un )Zulässigkeit asylrechtlicher Ausweisungen wird überdies offenkundig der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung getragen, wonach "partielle asylrechtliche Ausweisungen" einzelner Familienmitglieder, während andere nur zukünftig einer fremdenpolizeilichen Ausweisung unterzogen werden könnten, nicht zulässig sind (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/19/0851); auch dann liegt aber bloß eine vorübergehende Unzulässigkeit im Sinn des § 61 Abs. 3 FPG vor.

Bei der Bewertung anderer Fälle ist jedenfalls auch auf den Gesichtspunkt Bedacht zu nehmen, dass der Ausspruch über die dauernde Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung Basis für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 44a NAG darstellt und dass - so im Ergebnis die ErläutRV zu dieser Bestimmung - ein Bedürfnis besteht, nicht auszuweisenden Fremden ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu gewähren. Lange Schwebezustände sind daher nach Möglichkeit zu vermeiden. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass der weitere Verbleib eines Fremden im Bundesgebiet zwecks Aufrechterhaltung familiärer Bindungen in der Folge regelmäßig das private Interesse dieses Fremden an einem Aufenthalt in Österreich verstärken wird. Das ist in die "Dauerbeurteilung" miteinzubeziehen, sodass allenfalls auch das prognostizierbare Ende der Aufenthaltsberechtigung einer Ankerperson nicht zwingend zu dem Ergebnis führen muss, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei nur vorübergehend unzulässig.

4.1. Wendet man sich damit wieder dem vorliegenden Fall zu, so ergibt sich Folgendes:

Der Spruch des bekämpften Bescheides bringt ausreichend deutlich zum Ausdruck, dass die erstinstanzlich im Dezember 2010 verhängte Ausweisung des Beschwerdeführers, die nunmehr im Hinblick auf das Inkrafttreten des FrÄG 2011 mit unter dem Blickwinkel "Rückkehrentscheidung" zu überprüfen war (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0277), behoben werde und dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer vorübergehend unzulässig sei. Insoweit entspricht der bekämpfte Bescheid einer der beiden zuvor unter 3.3. und 3.4. erörterten Varianten. Eine rechtskraftfähige nähere Festlegung der Dauer der vorübergehenden Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist im Gesetz allerdings nicht vorgesehen. Sie ist auch nach dessen Konzept unter dem Aspekt der an den fremdenpolizeilichen Ausspruch anknüpfenden Entscheidung der Niederlassungsbehörde nach § 44a bzw. § 44b Abs. 1 Z 2 NAG nicht erforderlich. Es hätte daher genügt, im Spruch des bekämpften Bescheides nur die Feststellung der vorübergehenden Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung aufzunehmen und die dafür maßgebenden Überlegungen bzw. die angenommenen zeitlichen Grenzen (konkret, solange der Mutter und dem Bruder des Beschwerdeführers der Status von subsidiär Schutzberechtigten zukommt) bloß in der Begründung anzuführen.

4.2. Vor dem Hintergrund des gegenständlichen Beschwerdefalles ist des Weiteren klarzustellen, dass der Ausspruch, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer sei (nur) vorübergehend unzulässig, diesen potentiell in Rechten verletzt. Das ergibt sich schon aus der bereits mehrfach dargestellten niederlassungsrechtlichen Anknüpfung an den Unzulässigkeitsausspruch, im Besonderen daraus, dass nur die Feststellung einer dauernden Unzulässigkeit die Verpflichtung der Niederlassungsbehörde nach § 44a Abs. 1 NAG zur Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels nach sich zieht.

4.3. Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer angesichts der familiären Bindungen zu seiner Mutter und zu seinem Bruder, die beide subsidiären Schutz genießen, nicht rechtens sei. Da das den genannten Angehörigen zukommende Aufenthaltsrecht mit befristet sei, sei die dem Beschwerdeführer durch die Rückkehrentscheidung drohende Verletzung seines Familienlebens aber als bloß vorübergehend zu betrachten; die "befristete Unzulässigkeit" der Rückkehrentscheidung habe sich, wie dazu in der Gegenschrift formuliert wird, "an der Befristung der genannten Familienangehörigen zu orientieren".

Mit diesen Überlegungen wird außer Acht gelassen, dass die befristeten Aufenthaltsberechtigungen der Mutter und des Bruders des Beschwerdeführers bereits über Jahre hindurch aufrecht sind und dass nicht ersichtlich ist, was einer (weiteren) Verlängerung dieses Status über den hinaus entgegenstehen könnte. Allenfalls käme die Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" nach § 41a Abs. 7 NAG in Betracht, weil eine "längerfristige Integrationsperspektive geboten" werden soll (vgl. in diesem Sinn die ErläutRV, 330 BlgNR 24. GP 48, zu der mit dem FrÄG 2009 neu eingeführten Vorgängerbestimmung des § 43 Abs. 6 NAG). Von daher ist aber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sich die Mutter und der Bruder des Beschwerdeführers weiterhin und auf nicht absehbare Dauer rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten werden. Gemäß den oben unter 3.4. angestellten Erwägungen erweist sich damit die lediglich rein formal an die aktuelle Befristung der Aufenthaltsberechtigung der Ankerpersonen anknüpfende Beurteilung der belangten Behörde, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer sei nur vorübergehend unzulässig, als rechtswidrig.

5. Im Ergebnis ist der bekämpfte Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am