VwGH vom 31.03.2011, 2010/10/0248
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der IB in S, vertreten durch Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zlen. VwSen-590259/2/Gf/Mu, VwSen-590260/2/Gf/Mu, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (mitbeteiligte Parteien: 1. AL in L, vertreten durch Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 14/2/9, 2. NT in S, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom wurde der Beschwerdeführerin die Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in St. Georgen im Attergau, Ortschaft Thern, mit der voraussichtlichen Betriebsstätte in einem Geschäftslokal im Gebiet A 1 "E." erteilt. Als Standort wurde der Ortsteil Thern festgelegt. Gleichzeitig wurde das Konzessionsansuchen der erstmitbeteiligten Partei zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in St. Georgen im Attergau mit der voraussichtlichen Betriebsstätte in der S-Straße 4 und dem Standort Thern abgewiesen.
Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe - dem Gutachten der österreichischen Apothekerkammer folgend, wonach der bestehenden Schutzengelapotheke der zweitmitbeteiligten Partei im Falle der Errichtung einer weiteren öffentlichen Apotheke ein Potenzial von mehr als 5.500 Personen zur Versorgung verbliebe - Bedarf an (nur) einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in Thern; die beiden Konzessionsansuchen schlössen einander aus. Dem zeitlich früheren Antrag der Beschwerdeführerin (vom ) sei Folge zu geben und der mit diesem Antrag konkurrierende Konzessionsantrag der erstmitbeteiligten Partei (vom ) sei abzuweisen gewesen. Zur im Verwaltungsverfahren aufgeworfenen Frage, ob die von der Beschwerdeführerin in Aussicht genommene Betriebsstätte eine widmungswidrige Verwendung des betreffenden Grundstückes darstelle, sei klar zu stellen, dass die Errichtung der von der Beschwerdeführerin beantragten Apotheke an der beabsichtigten Betriebsstätte mit der Flächenwidmung übereinstimme. Von der Beschwerdeführerin sei daher eine mögliche Betriebsstätte glaubhaft gemacht worden.
Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien Berufung.
Mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (UVS) vom wurde der Berufung der erstmitbeteiligten Partei insoweit statt gegeben, als der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstbehörde zurückverwiesen wurde.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Gemeinde St. Georgen im Attergau habe mit dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der die Betriebsstätte der von der Beschwerdeführerin beantragten Apotheke in Aussicht genommen sei, am einen Vertrag über "die zeitgerechte und widmungsgemäße Nutzung" dieser Liegenschaft im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 1 Oö. Raumordnungsgesetz abgeschlossen. In diesem Vertrag habe der Liegenschaftseigentümer zugesagt, er würde im Falle der Genehmigung eines Umwidmungsantrages von einer Nutzung der in Rede stehenden Liegenschaft zur Errichtung bzw. zum Betrieb einer Apotheke und/oder eines Facharztzentrums Abstand nehmen. Mit Wirksamkeit vom sei die in der Vereinbarung angesprochene Umwidmung erfolgt. Es sei daher davon auszugehen, dass damit auch die vertragliche Verpflichtung des Liegenschaftseigentümers verbindlich geworden sei, eine Veräußerung oder Bestandgabe der Liegenschaft an Dritte zum Zweck der Errichtung einer Apotheke zu unterlassen. Es bestünden somit erhebliche Zweifel, ob die Errichtung der von der Beschwerdeführerin beantragten Apotheke an der in Aussicht genommenen Betriebsstätte noch wahrscheinlich sei. Eine entsprechende Klärung sei von der Erstbehörde unterlassen worden, obwohl unter Prioritätsgesichtspunkten ein subjektives Recht des Mitbewerbers bestehe, dass ein konkurrierendes Konzessionsgesuch abgewiesen werde, wenn Zweifel an der Wahrscheinlichkeit der angegebenen Betriebsstätte nicht ausgeräumt würden. Es sei daher der Berufung der erstmitbeteiligten Partei stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben gewesen. Die Erstbehörde werde im zurückverwiesenen Verfahren im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, insbesondere unter zeugenschaftlicher Einvernahme der Parteien des erwähnten Vertrages zu klären haben, ob die Beschwerdeführerin die beantragte Apotheke an der in Aussicht genommenen Betriebsstätte zulässigerweise errichten könne. Da der erstinstanzliche Bescheid somit bereits auf Grund der Berufung der erstmitbeteiligten Partei zu beheben gewesen sei, habe es weder eines formellen Abspruches über die Berufung der zweitmitbeteiligten Partei noch eines Eingehens auf das von ihr erstattete Sachvorbringen bedurft.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Behandlung der Beschwerde abzulehnen, in eventu mit kostenpflichtiger Abweisung der Beschwerde vorzugehen.
Auch die mitbeteiligten Parteien erstatteten Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, entscheidet zwischen mehreren Bewerbern um eine Apothekenkonzession, deren Ansuchen einander im Hinblick auf die Bedarfslage ausschließen ("Mitbewerber") - dies trifft nach den unbestritten gebliebenen Annahmen des angefochtenen Bescheides auf die Konzessionsanträge der Beschwerdeführerin und der erstmitbeteiligten Partei zu -, die Priorität des Einlangens der Anträge bei der Behörde (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/10/0138, und die dort zitierte Vorjudikatur). "Prioritätsbegründend" ist jener Antrag, der sämtliche Angaben enthält, die für die Beurteilung erforderlich sind, ob ein konkurrierender Antrag vorliegt. Vom Konzessionswerber ist auch glaubhaft zu machen, dass die Errichtung der Betriebsstätte am angegebenen Ort wahrscheinlich ist; diese Glaubhaftmachung ist bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Konzessionsantrag zu beurteilen. Gelingt einem Konzessionswerber diese Glaubhaftmachung nicht, müsste sein Konzessionsantrag aus diesem Grunde abgewiesen werden, was das Ausscheiden des betreffenden Bewerbers aus dem Kreis der Mitbewerber zur Folge hätte (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom ).
Bestünden daher im vorliegenden Beschwerdefall Umstände, die es zweifelhaft erscheinen lassen, dass die Errichtung der von der Beschwerdeführerin beantragten Apotheke am angegebenen Ort der Betriebsstätte wahrscheinlich ist, müsste der Konzessionsantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen werden, wenn diese Zweifel von ihr nicht ausgeräumt werden können. Derartige Umstände liegen im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde aber nicht vor:
Die Beschwerdeführerin hat nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten eine Erklärung des Liegenschaftseigentümers vorgelegt, dass sie berechtigt sei, auf dem für die Betriebsstätte in Aussicht genommenen Grundstück ein Lokal anzumieten oder zu errichten. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Errichtung der von der Beschwerdeführerin beantragten Apotheke an der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der bestehenden Grundstückswidmung widerspricht, wobei in dieser Frage weder dem Mitbewerber um eine Apothekenkonzession noch den Inhabern bestehender öffentlicher Apotheken ein Mitspracherecht eingeräumt ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/10/0303 und vom , Zl. 2006/10/0017). Somit hat die Beschwerdeführerin im Sinne der hg. Rechtsprechung glaubhaft gemacht, dass die Errichtung der Betriebsstätte am angegebenen Ort wahrscheinlich ist (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom , und die dort zitierte Vorjudikatur).
An diesem Ergebnis vermag der nach den Annahmen des angefochtenen Bescheides zwischen der Gemeinde St. Georgen im Attergau und dem Liegenschaftseigentümer im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 1 Oö. Raumordnungsgesetz abgeschlossene Vertrag, durch den sich der Liegenschaftseigentümer verpflichtet habe, er werde von einer Nutzung des in Rede stehenden Grundstückes zur Errichtung bzw. zum Betrieb einer Apotheke und/oder eines Facharztzentrums Abstand nehmen, nichts zu ändern. Denn abgesehen davon, dass eine solche Vereinbarung weder die "zeitgerechte", noch die "widmungsgemäße Nutzung" des erwähnten Grundstückes im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 1 Oö. Raumordnungsgesetz zum Inhalt hätte, besagte ein solcher Vertrag nichts über das Recht der Beschwerdeführerin, auf dem erwähnten Grundstück ein Lokal anzumieten oder zu errichten und dieses in der Folge zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke zu nutzen; ist die Beschwerdeführerin doch unbestrittenermaßen weder Partei dieses Vertrages, noch in sonst irgendeiner Weise aus diesem verpflichtet.
Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie sich ihrerseits mit einer der Vereinbarung zwischen Gemeinde und Liegenschaftseigentümer entsprechenden Einschränkung ihres Rechts einverstanden erklärt hätte oder dass ihr Recht, auf dem erwähnten Grundstück ein Lokal anzumieten oder errichten zu können, aus sonstigen Gründen nicht mehr bestünde. Vielmehr erliegt in den Verwaltungsakten eine dieses Recht - ungeachtet der erwähnten Vereinbarung mit der Gemeinde - bekräftigende Erklärung des Liegenschaftseigentümers.
Dazu kommt, dass es nicht Aufgabe der das Apothekengesetz vollziehenden Behörde ist, die Frage, ob die Errichtung einer beantragten öffentlichen Apotheke am Ort der angegebenen Betriebsstätte wahrscheinlich ist, in einem (aufwändigen) Ermittlungsverfahren zu klären. Vielmehr ist es - wie dargelegt - Sache des Antragstellers, die in Aussicht genommene Betriebsstätte glaubhaft zu machen, wofür jedoch der Nachweis etwa einer Mietoption völlig ausreichend ist. Denn es dient die Glaubhaftmachung der in Aussicht genommenen Betriebstätte ausschließlich der Festlegung des Ausgangspunktes der Bedarfsfeststellung iSd § 10 Apothekengesetz durch den Antragsteller, und es muss diese Festlegung aus Gründen der Verfahrensökonomie auch wahrscheinlich sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , VwSlg 12.196/A). Unter den für das Konzessionsverfahren nach dem Apothekengesetz maßgeblichen Gesichtspunkten ist es daher weder entscheidend, ob dem belegten Verfügungsrecht des Antragstellers über die in Aussicht genommene Betriebstätte allenfalls widersprechende Erklärungen des Grundeigentümers Dritten gegenüber abgegeben wurden, noch ob solche eingewendet oder sonstwie hindernd geltend gemacht werden könnten. Vielmehr genügt ein Beleg des Antragstellers über die (aufrechte) Möglichkeit, ein Grundstück entsprechend zu nutzen.
Die Auffassung der belangten Behörde, es bedürfe im vorliegenden Fall ungeachtet der erwähnten, aufrechten Erklärung des Liegenschaftseigentümers weiterer Ermittlungen über die Wahrscheinlichkeit der Errichtung einer Betriebsstätte am angegebenen Ort, insbesondere der "zeugenschaftlichen Einvernahme der Vertragspartner der vorangeführten Baulandsicherungsvereinbarung" im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, ist daher aus mehreren Gründen verfehlt.
Die belangte Behörde hat die Rechtslage aber noch in einem weiteren Punkt verkannt:
Nach § 66 Abs. 2 AVG ist die Berufungsbehörde nur dann berechtigt, den bei ihr angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückzuverweisen, wenn "der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft" ist, "dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidbar erscheint". Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, hat die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG - sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist - "immer in der Sache zu entscheiden".
Die Annahme der belangten Behörde, es müsste die Frage, ob die Errichtung der beantragten Apotheke am angegebenen Ort wahrscheinlich ist, in einer mündlichen Verhandlung unter Einvernahme bestimmter Zeugen geklärt werden, ist - wie dargelegt -
unzutreffend. Weitere Umstände, denen entnommen werden könnte, dass eine im Sinn des § 66 Abs. 2 AVG qualifizierte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlich ermittelten Sachverhaltes vorläge, sind weder ersichtlich, noch wurden sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegt. Vielmehr hat sich die belangte Behörde, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG erfüllt sind, für ermächtigt erachtet, im Sinne dieser Bestimmung vorzugehen. Auch mit dieser Auffassung hat sie die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid erweist sich aus den dargelegten Gründen als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am