VwGH vom 22.05.2013, 2012/18/0213
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Sulzbacher sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des C in L, vertreten durch Florian Plattner, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Enzersdorfer Straße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-12-0124, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gegen den Beschwerdeführer, einen marokkanischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (BH) vom ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 8 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbotes und begründete dies mit seinen geänderten Lebensverhältnissen (Lebensgefährtin und gemeinsames Kind mit österreichischer Staatsbürgerschaft).
Mit Bescheid vom wies die BH den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes ab.
Dagegen brachte der Beschwerdeführer am eine Berufung ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, dass der Antrag vom auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 9, 52, 53, 60 FPG in der Fassung des FrÄG 2011 zurückgewiesen wird.
Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes um eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Z 4 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) und ein Einreiseverbot im Sinn des Art. 3 Z 6 dieser Richtlinie handle. § 60 FPG in der Fassung des FrÄG 2011 sei daher auch auf Aufenthaltsverbote, die vor dem FrÄG 2011 erlassen worden seien und denen ein Einreiseverbot innewohne, anzuwenden. Diese Bestimmung sehe jedoch kein Antragsrecht eines Drittstaatsangehörigen auf Aufhebung eines Einreiseverbotes vor. Dem FPG in der Fassung des FrÄG 2011 sei somit ein Rechtsanspruch auf Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung eines Einreiseverbotes nicht mehr zu entnehmen. § 60 Abs. 5 FPG in der Fassung des FrÄG 2011, wonach ein Rückkehrverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben sei, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt hätten, weggefallen seien, sei seinem Wortlaut nach eben nur auf Rückkehrverbote im Sinn des § 54 FPG in der Fassung des FrÄG 2011 anzuwenden, nicht jedoch auf Einreiseverbote (wie § 60 Abs. 1 FPG in der Fassung des FrÄG 2011). Diese Auslegung gehe auch aus den erläuternden Bemerkungen zum FrÄG 2011 hervor und widerspreche nicht dem Gemeinschaftsrecht. Mangels eines Rechtsanspruches bzw. Antragsrechts sei der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, das sich nach der neuen Rechtslage nunmehr als Einreiseverbot darstelle, zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wurde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 gebildeten Senat erwogen:
Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob das gegen den Beschwerdeführer bestehende Aufenthaltsverbot, das noch nach § 60 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011 erlassen wurde, nach Inkrafttreten des FrÄG 2011 (am ) nunmehr als Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot anzusehen ist, auf das § 60 Abs. 1 FPG idF FrÄG 2011 anzuwenden ist, oder ob es einer Aufhebung gemäß § 69 Abs. 2 FPG in der Fassung des FrÄG 2011 zugänglich ist.
Diesbezüglich ist etwa auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2012/21/0159, sowie vom , Zl. 2012/21/0082, hinzuweisen, auf deren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird. Darin führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass Aufenthaltsverbote, die nach dem FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011 erlassen wurden, als solche weitergelten und einer Aufhebung gemäß § 69 Abs. 2 FPG in der Fassung des FrÄG 2011 zugänglich sind.
Demnach erweist sich auch der hier angefochtene Bescheid, in dem im Ergebnis die gegenteilige Auffassung vertreten wurde, als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-76598