VwGH 24.10.2011, 2010/10/0231
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | |
RS 1 | Für die Zurückweisung eines Anbringens nach § 68 Abs 1 AVG kommt es nicht auf den Wortlaut an; vielmehr genügt es, dass die Stattgebung auf eine Abänderung oder Behebung eines formell rechtskräftig gewordenen Bescheides hinauslaufen würde. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2006/03/0151 E RS 1 |
Normen | |
RS 2 | Keine rechtskräftig entschiedene Sache liegt vor, wenn sich das neue Ansuchen auf ein gänzlich verschiedenes Projekt bezieht und die Änderungen nicht nur Nebenumstände betreffen. |
Normen | |
RS 3 | Das Verfahren zur Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung gemäß § 29 Tir NatSchG 2005 ist ein ausschließlich projekt- und standortbezogenes Verfahren. Auf persönliche Eigenschaften des Antragstellers kommt es nicht an. Ein über einen solchen Antrag ergehender Abspruch entfaltet daher nicht nur Wirkungen gegen den Antragsteller, sondern gegenüber jedem, der entsprechende Rechte an der betroffenen Sache hat ("dingliche Wirkung"; vgl. E , 2010/10/0213). Bei einem solchen rechtskräftigen Vorbescheid steht der Wechsel in der Person des Antragstellers einer Zurückweisung gemäß § 68 Abs. 1 AVG daher nicht entgegen. |
Normen | NatSchG Tir 2005 §1 Abs1; NatSchG Tir 2005 §29 Abs2 lita; NatSchG Tir 2005 §29 Abs2 Z2; |
RS 4 | Stellt die Errichtung der Weganlage keine entscheidende Bedeutung für einen zeitgemäßen Betrieb der Almwirtschaft dar, so besteht kein langfristiges öffentliches Interesse an der Bewilligung des Vorhabens (vgl. E , 2004/10/0173). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde 1. der Agrargemeinschaft G in P, 2. der Agrargemeinschaft O in V und
3. des JK in P, alle vertreten durch Dr. Johannes Klausner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 6, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. U- 14.235/2, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom (im Folgenden: Vorbescheid) hat die Bezirkshauptmannschaft Lienz den Antrag des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung einer Bringungsanlage im M.-Tal gemäß §§ 6 lit. i, 7 Abs. 1 lit. b, 23, 29 und 42 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 - TNSchG 2005, LGBl. Nr. 26/2005, abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die 2.900 m lange Wegtrasse auf einer Seehöhe von 1.600 m an den bestehenden Almweg anschließe. Bis etwa hm 16,0 quere die Trasse eine sehr struktur- und artenreiche Verzahnung aus montanem Forstgrasrasen mit Geröllweiden und den Ausläufern von bergwärts einliegendem Hochstauden-Lärchenwald mit typischer Vegetation. Besonders auffallend und sehr zahlreich im Trassenverlauf vorkommend seien mannshohe Woll-Kratzdisteln. Soweit der Bürstlingrasen betroffen sei, handle es sich um die artenreiche nach der Tiroler Naturschutzverordnung geschützte Ausprägung. Etwa bei hm 24,5 werde von der Trasse auf zumindest 40 m Breite ein mehrarmiges quellflurartig ausgebildetes, naturkundlich wertvolles Kleingerinne gequert. Zum Trassenende hin, auf der Hangverflachung ab hm 27,0 dominierten Zwergstrauchgesellschaften. Zum Zeitpunkt der Begehung durch den naturkundefachlichen Sachverständigen hätten sieben namentlich genannte nach der Naturschutzverordnung geschützte Pflanzenarten im Trassenverlauf vorgefunden werden können. Das zu erschließende Gebiet sei auch von ornithologischem Interesse. In den Steilwänden des Talausganges befänden sich mehrere Steinadlerhorste. Nach dem Osttiroler Brutvogelatlas seien Felsenschwalbe, Gebirgsstelze, Bachstelze, Wasseramsel und Hausrotschwanz als Brutvögel nachgewiesen. Die Wegtrasse decke sich nur in sehr kurzen Abschnitten mit dem Wanderweg. Der Trassenverlauf sei vom im Sommer sehr stark frequentierten Wanderweg gut einsehbar.
Der Sachverständige habe gutachterlich ausgeführt, dass es bei Realisierung des Projektes zu einer Vielzahl von Beeinträchtigungen und somit zu einem überdurchschnittlichen Eingriff in Naturschutzinteressen komme. Infolge der Anzahl von insgesamt 14 Kehren mit zahlreichen Kunstbauten würde sich ein erheblicher Störfaktor im Landschaftsbild des bisher nahezu unbeeinflussten Talabschnittes im Bereich des Zugangs zum Nationalpark Hohe Tauern etablieren. Auf Grund des zusätzlichen Flächenverbrauches zum bereits bestehenden Wanderweg wäre für den geschützten Weiderasen kein günstiger Erhaltungszustand mehr gegeben. Einen erheblich negativen Eingriff würde auch die Gerinnequerung bei hm 24,5 bewirken, die wegen der quellflurartigen Ausbildung einem "Totalschaden" gleichkäme. Die angeführten Beeinträchtigungen seien durch die Lage unmittelbar beim Zugang zum Nationalpark als noch gravierender und problematischer anzusehen. Zusammenfassend stelle der projektierte Weg eine mittelschwere Beeinträchtigung des Erholungswertes und jeweils eine schwere Beeinträchtigung des Naturhaushaltes, der Pflanzen- und Tiergemeinschaften sowie des Landschaftsbildes dar. Diese Beeinträchtigungen seien durch Auflagen bzw. Vorschreibungen nicht abzumindern.
Auf Grund der somit zweifellos vorliegenden Beeinträchtigung von Naturschutzgütern sei zu prüfen, inwiefern langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung vorlägen. Der Antragsteller habe dazu ins Treffen geführt, dass die Erhaltung der Almwirtschaft im öffentlichen Interesse liege. Dies werde nicht in Frage gestellt, jedoch komme es im vorliegenden Fall nicht auf das Interesse an der Erhaltung der Almwirtschaft, sondern auf jenes am Bau des beantragten Weges an. In den vergangenen Jahren seien jeweils etwa 140 Rinder und 200 Schafe auf die gegenständlichen Almen aufgetrieben worden, wobei es sich nicht um Milchvieh handle. Die betroffenen Agrargemeinschaften hätten das öffentliche Interesse am Tierschutz ins Treffen geführt und dazu insbesondere vorgebracht, dass die Zugangsdauer für den Tierarzt etwa eineinhalb Stunden betrage, was diesem kaum mehr zumutbar sei. Insgesamt ergebe sich aus dem Vorbringen zum öffentlichen Interesse, dass vor allem persönliche Befindlichkeiten für die Errichtung des beantragten Weges sprächen, um rascher und bequemer ins betroffene Almgebiet gelangen zu können. Wenn auch die Aspekte des Tierschutzes für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses für den Wegebau sprächen, so könne doch anhand der Zahlen des in den Vorjahren aufgetriebenen Viehs davon ausgegangen werden, dass sich eine Almbewirtschaftung auf den durch das gegenständliche Projekt betroffenen Almen in der derzeitigen Form vielleicht zwar umständlich und aufwändig darstelle, jedoch keineswegs unzumutbare Umstände mit sich bringe, zu deren Beseitigung der Bau des beantragten Weges eine Voraussetzung darstellen würde.
Die dagegen gerichtete Berufung der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen.
Am haben die Beschwerdeführer die Projektunterlagen für ein "überarbeitetes generelles Projekt" vorgelegt und neuerlich um die Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung angesucht.
Der von der Behörde erster Instanz beigezogene Sachverständige hat in seinem Gutachten dazu ausgeführt, dass das überarbeitete und neu zur Bewilligung eingereichte Projekt in der Trassenführung teilweise abgeändert worden sei, was nunmehr eine (geringe) Verbesserung darstelle. Durch eine etwas größere Steigung und die vermehrte Einbeziehung eines bestehenden Fahrweges verkürze sich die Neubaustrecke um etwa 400 m und der Lebensraum "artenreicher montaner Borstgrasrasen" werde um etwa zwei Drittel weniger als bei der ursprünglichen Trassenführung beansprucht. Weiters seien auf Grund der größeren Steigung zwei Kehren eingespart worden. Vor allem auf Grund der nach wie vor erforderlichen insgesamt zwölf Kehren seien trotz der leichten Optimierung immer noch überdurchschnittliche Eingriffe in Naturschutzgüter zu erwarten. Die Kehren im mittleren Abschnitt zur Überwindung einer Steilstufe seien unvermeidlich. Neben der Biotopzerschneidung und dem unmittelbaren Biotopverlust des Hochstauden-Lärchenwaldes ergäben sich punktuelle Zerstörungen artenreicher Quellfluren samt geschützten Pflanzen. Bei sorgfältiger Bauweise und Einhaltung von Vorschreibungen könnten zwar Beeinträchtigungen verringert werden, es verblieben aber dennoch mittelschwere Beeinträchtigungen für alle Naturschutzgüter.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom hat die Tiroler Landesregierung den Antrag der Beschwerdeführer vom auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung der Bringungsanlage im M.-Tal gemäß dem Einreichoperat "Überarbeitetes Generelles Projekt" wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Rechtskraft des Vorbescheides einer weiteren Entscheidung in derselben Sache entgegenstehe. Es stehe zweifellos fest, dass sich die Rechtslage zwischenzeitig nicht geändert habe. Auch das Parteibegehren auf naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung der Bringungsanlage sei dasselbe.
Es verbleibe zu prüfen, ob sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt geändert habe. Der mit dem Vorbescheid abgewiesene Antrag sei von der Agrarbehörde gestellt worden, der nunmehrige Antrag von den Beschwerdeführern. Auf Grund der geänderten Trassenführung seien (nur mehr) mittelschwere Beeinträchtigungen für alle Schutzgüter nach dem TNSchG 2005 zu erwarten. Da im Vorbescheid nicht auf die persönlichen Eigenschaften des Antragstellers, sondern nur auf die Eigenschaften der Bringungsanlage abgestellt worden sei, stelle die Änderung der Person des Antragstellers für sich allein keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes dar. Weiters stehe fest, dass sowohl bei Verwirklichung des ursprünglichen Vorhabens als auch bei Realisierung des nunmehrigen Projekts mit Beeinträchtigungen von Naturschutzinteressen zu rechnen sei. Die erforderliche Bewilligung gemäß § 29 Abs. 2 Z. 2 TNSchG 2005 komme daher nur in Betracht, wenn andere langfristige Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes überwögen. Im Vorbescheid sei ausgeführt worden, dass vor allem persönliche Befindlichkeiten (der Mitglieder der beschwerdeführenden Agrargemeinschaften) für die Errichtung des beantragten Weges sprächen und der Weg keine unabdingbare Voraussetzung für die Almbewirtschaftung sei. Damit sei ein öffentliches Interesse an der Realisierung des Vorhabens klar verneint worden. Die sachliche Richtigkeit der Verneinung dieses öffentlichen Interesses dürfe auf Grund der Rechtskraft des Vorbescheides nicht mehr überprüft werden. Mangels öffentlichem Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens könnten die Änderungen des Projekts keineswegs dazu führen, dass die Bewilligungsvoraussetzungen gemäß § 29 Abs. 2 Z. 2 TNSchG 2005 nunmehr gegeben seien, erfordere diese Bestimmung doch ein Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Bewilligung.
Selbst wenn man davon ausgehe, dass im Vorbescheid ein langfristiges öffentliches Interesse an der Erteilung der Bewilligung angenommen worden sei, so handle es sich nach den Ausführungen in diesem Bescheid jedenfalls nur um ein öffentliches Interesse von minimalem Gewicht. Solche minimalen öffentlichen Interessen seien jedoch keineswegs geeignet, die nach wie vor gegebenen Beeinträchtigungen von Naturschutzinteressen durch das geänderte Projekt zu überwiegen. Die Projektänderungen seien daher im Ergebnis nicht geeignet, zu einer inhaltlich anderen Entscheidung zu führen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 leg.cit. die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Die Beschwerdeführer bringen zunächst vor, sie hätten weder die Abänderungen noch die Aufhebung des Vorbescheides beantragt.
Dem ist zu entgegnen, dass es für die Frage, ob ein Antrag nach § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen ist, nicht auf dessen Wortlaut ankommt (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2006/10/0093).
Das Entscheidungshindernis der entschiedenen Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn seit der Erlassung des rechtskräftigen Vorbescheides die maßgebende Sach- und Rechtslage in den entscheidungswesentlichen Punkten unverändert geblieben ist. Dies muss aus einer rechtlichen Betrachtungsweise beurteilt werden. Die Sache verliert ihre Identität, wenn in den entscheidungsrelevanten Fakten bzw. in den die Entscheidung tragenden Normen eine wesentliche, d.h. die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Änderung eingetreten ist (vgl. auch dazu etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2006/10/0093). Das Wesen einer Sachverhaltsänderung ist dabei nicht nach der objektiven Rechtslage, sondern nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/17/0217). Identität der Sache liegt überdies nur dann vor, wenn bei gleichgebliebener maßgeblicher Sach- und Rechtslage auch das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren Begehren übereinstimmt, also in derselben "Sache" eine nochmalige Entscheidung fordert. Keine rechtskräftig entschiedene Sache liegt demnach vor, wenn sich das neue Ansuchen auf ein gänzlich verschiedenes Projekt bezieht und die Änderungen nicht nur Nebenumstände betreffen (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar, Rz 36 zu § 68 wiedergegebene hg. Judikatur). Handelt es sich beim rechtskräftigen Vorbescheid um einen solchen mit dinglicher Wirkung, der seiner Rechtsnatur nach nur auf Eigenschaften der Sache abstellt, ist es ohne Belang, wenn das neue Begehren nicht vom selben Antragsteller, sondern von einer anderen Person eingebracht wird (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, aaO, Rz 37 wiedergegebene hg. Judikatur).
Das Verfahren zur Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung gemäß § 29 TNSchG ist ein ausschließlich projekt- und standortbezogenes Verfahren. Auf persönliche Eigenschaften des Antragstellers kommt es nicht an. Ein über einen solchen Antrag ergehender Abspruch entfaltet daher nicht nur Wirkungen gegen den Antragsteller, sondern gegenüber jedem, der entsprechende Rechte an der betroffenen Sache hat ("dingliche Wirkung"; vgl. etwa das zu einer Verordnung nach dem Steiermärkischen Naturschutzgesetz ergangene, auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/10/0213). Da es sich somit beim rechtskräftigen Vorbescheid um einen solchen mit dinglicher Wirkung handelt, steht der von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Wechsel in der Person des Antragstellers nach dem oben Gesagten einer Zurückweisung gemäß § 68 Abs. 1 AVG nicht entgegen.
Der gegenständliche Bringungsweg zählt unstrittig zu den gemäß § 29 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 bewilligungspflichtigen Vorhaben und ist ebenso unstrittig jedenfalls mit einer Beeinträchtigung von Naturschutzinteressen verbunden. Eine Bewilligung kommt daher gemäß § 29 Abs. 2 Z. 2 TNSchG nur in Betracht, wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 leg. cit. überwiegen. Eine maßgebliche Änderung dieser Rechtslage ist seit der Erlassung des Vorbescheides im Juli 2008 nicht eingetreten.
Die Bezirkshauptmannschaft Lienz hat im Vorbescheid ausgeführt, dass zwar ein öffentliches Interesse an der Almwirtschaft nicht in Frage gestellt werde, dass jedoch für die Errichtung des projektierten Weges vor allem "persönliche Befindlichkeiten" sprächen, um rascher und bequemer ins betroffene Almgebiet zu gelangen. Die Almbewirtschaftung in der derzeitigen Form sei "vielleicht zwar umständlich und aufwändig", jedoch keineswegs unzumutbar. Der projektierte Weg sei keineswegs eine unabdingbare Voraussetzung dafür.
Damit wurde deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Errichtung der Weganlage keine entscheidende Bedeutung für einen zeitgemäßen Betrieb der Almwirtschaft darstelle und somit im Sinn der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2004/10/0173) kein langfristiges öffentliches Interesse an der Bewilligung des Vorhabens bestehe. Die Bezirkshauptmannschaft Lienz hat lediglich ausgesprochen, dass "Aspekte des Tierschutzes" für ein öffentliches Interesse an der Anlage sprächen, wobei sie erkennbar auf die von der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin ins Treffen geführte Verkürzung des Anreiseweges für den Tierarzt Bezug genommen hat.
Nach der Wertung der zugrunde liegenden Sachverhaltselemente durch die Bezirkshauptmannschaft Lienz im rechtskräftigen Vorbescheid besteht somit an der Erteilung der Bewilligung lediglich auf Grund des verkürzten Anreiseweges des Tierarztes ein im Tierschutz gelegenes öffentliches Interesse.
Dass sich an den für diese Wertung der öffentlichen Interessen an der Verwirklichung des Vorhabens maßgeblichen Sachverhaltselementen seit der Erlassung des Vorbescheides eine Änderung ergeben hätte, wird von den Beschwerdeführern nicht behauptet und ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich. Nach der für die Frage, ob eine entschiedene Sache vorliegt, maßgeblichen Wertung im Vorbescheid ist daher davon auszugehen, dass an der Verwirklichung des Vorhabens nur ein im Tierschutz (Anreiseweg des Tierarztes) gelegenes öffentliches Interesse besteht.
Dem steht die Änderung des Sachverhaltes auf Grund der Modifikation des Antrages gegenüber.
Nach dem Vorbescheid umfasst der Weg eine Länge von 2.900 m und insgesamt 14 Kehren. Er beeinträchtigt neben dem Borstgrasrasen etwa auch Quellfluren, wobei er einen "Totalschaden" verursacht, mehrere geschützte Pflanzenarten und insbesondere das Landschaftsbild am Eingang zum Nationalpark.
Davon ausgehend zeigen die Beschwerdeführer mit ihrem Vorbringen, die geänderte Trassenführung sei mit der Verkürzung der Weglänge um etwa 450 m, der Einsparung einer Doppelkehre und der um zwei Drittel verringerten Inanspruchnahme des Borstgrasrasens verbunden, keine Rechtswidrigkeit der behördlichen Beurteilung auf, wonach die Naturschutzinteressen trotz der geänderten Trassenführung nach wie vor nicht vom öffentlichen Interesse an der Errichtung des Weges überwogen würden.
Die belangte Behörde ist daher zu Recht zum Ergebnis gekommen, dass dem gegenständlichen Antrag der Beschwerdeführer das Entscheidungshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG entgegensteht. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
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Normen | AVG §56; AVG §66 Abs4; AVG §68 Abs1 impl; AVG §68 Abs1; NatSchG Tir 2005 §1 Abs1; NatSchG Tir 2005 §29 Abs2 lita; NatSchG Tir 2005 §29 Abs2 Z2; NatSchG Tir 2005 §29; VwRallg; |
Schlagworte | Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Zurückweisung wegen entschiedener Sache Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Person des Bescheidadressaten dingliche Wirkung Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2010100231.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAE-76594