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VwGH vom 22.01.2013, 2012/18/0202

VwGH vom 22.01.2013, 2012/18/0202

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie die Hofräte Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des SK in W, vertreten durch Dr. Aleksa Paunovic, seinerzeit Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 17/20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/157.176/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, ein auf § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung ging die belangte Behörde davon aus, der Beschwerdeführer, der zunächst über Aufenthaltstitel für den Zweck eines Studiums verfügt habe, habe am die österreichische Staatsbürgerin D geheiratet. Anschließend habe er gestützt auf diese Ehe die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt.

Es handle sich bei dieser Ehe um eine Aufenthaltsehe. In ihren beweiswürdigenden Überlegungen ging die belangte Behörde tragend davon aus, dass die (damalige) Ehefrau des Beschwerdeführers gegenüber einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen von Erhebungen zugestanden habe, mit dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen zu sein. Sie habe dafür kein Geld erhalten. Der Beschwerdeführer sei ein alter Bekannter ihrer Familie gewesen. Sie habe ihm und seinen Kindern helfen wollen. Die Ehe sei nur deshalb geschlossen worden, damit der Beschwerdeführer und seine Kinder in Österreich bleiben könnten. D habe sich allerdings geweigert, ihr Geständnis "niederschriftlich zu Protokoll" zu geben. Sie habe von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machen wollen. Ungeachtet dessen habe die belangte Behörde keinen Anlass, an der Richtigkeit der Angaben von D zu zweifeln. Es sei auch kein Grund ersichtlich, warum D das Vorliegen einer Aufenthaltsehe im Moment des Zugestehens bloß vorgetäuscht haben sollte. Dass sie anschließend nicht bereit gewesen sei, ihre Aussage auch in Form einer Niederschrift zu bekräftigen, könne die belangte Behörde nicht von ihrer Überzeugung abbringen, dass die Angaben von D zutreffend gewesen seien. Demgegenüber würden die anders lautenden Ausführungen des Beschwerdeführers als Schutzbehauptung gewertet.

In weiterer Folge legte die belangte Behörde noch dar, weshalb sie davon ausgehe, es liege ein maßgebliches Verhalten vor, das die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG rechtfertige, und weshalb die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch aus dem Blickwinkel des § 66 FPG zulässig sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () nach den Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.

In der Beschwerde wird die Verfahrensführung der belangten Behörde gerügt und geltend gemacht, die Fremdenpolizeibehörde habe die neuerliche Vernehmung der Ehefrau des Beschwerdeführers nicht mehr zulassen wollen. Die belangte Behörde habe ignoriert, dass die Ehefrau eine Niederschrift nicht habe unterfertigen wollen. Dem Antrag, die Ehefrau neuerlich zu vernehmen, damit sie ihre Angaben richtig stellen könnte, sei die Behörde nicht nachgekommen. Es wären dabei aber die Umstände ihrer Aussage "zu erklären" gewesen und es wäre auch zu Tage getreten, "dass diese Auseinandersetzung durchaus entschuldbar" gewesen sei. Weiters wäre hervorgekommen, dass seine Ehefrau "nach wie vor zu unserer Ehe hält". Dabei bezieht sich der Beschwerdeführer offenkundig auf das in der Berufung erstattete Vorbringen, wonach die Aussage seiner Ehefrau, auf die sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bezogen hat, "nach einer Streiterei" erfolgt wäre. Sie hätte damals die familiären Probleme "satt" gehabt. Diese wären entstanden, weil in der gemeinsamen Wohnung auch noch die Kinder des Beschwerdeführers gewohnt hätten, sodass seine Ehefrau keine Rückzugsmöglichkeit gehabt hätte. Auch wurde in der Berufung dazu vom Beschwerdeführer bereits ausgeführt, dass "ihre Vernehmung alles wieder erklären" könnte. Des Weiteren beantragte er in der Berufung, eine mündliche Berufungsverhandlung "im Beisein meiner Ehefrau" durchzuführen.

Aus dem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen geht hinreichend deutlich hervor, dass der Beschwerdeführer beantragt hat, seine Ehefrau als Zeugin zu vernehmen. Es wurde dazu auch dargestellt, was sie im Falle ihrer Vernehmung hätte angeben können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel (ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung) untauglich ist. Das Vorliegen von - nach Meinung der Behörde - ausreichenden und eindeutigen Beweisergebnissen für die Annahme einer bestimmten Tatsache rechtfertigt nicht die Auffassung, die Vernehmung eines zum Beweis des Gegenteils geführten Zeugen sei nicht geeignet, der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts zu dienen. Die begründungslose Unterlassung der Vernehmung eines Zeugen stellt einen relevanten Verfahrensmangel dar, es sei denn, dass die Zeugenaussage von vornherein nicht geeignet wäre, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen (vgl. zum Ganzen etwa aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0555, mwN).

Vor dem Hintergrund des oben wiedergegebenen Vorbringens des Beschwerdeführers kann im vorliegenden Fall aber keine Rede davon sein, dass die Zeugenaussage der Ehefrau des Beschwerdeführers von vornherein nicht geeignet gewesen wäre, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen. Das Unterbleiben der beantragten Vernehmung stellt im Sinn der dargestellten Rechtsprechung einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Die belangte Behörde hätte sich durch die Aufnahme des beantragten Beweises und die Einbeziehung des Ergebnisses dieser Ermittlungen ein umfassendes Bild davon zu verschaffen gehabt, ob die Behauptung des Beschwerdeführers, seine Ehefrau habe jene Angaben, auf die sich die belangte Behörde zentral gestützt hat, lediglich auf Grund einer Verärgerung über den Beschwerdeführer (wahrheitswidrig) gemacht, zutrifft oder nicht.

Da die belangte Behörde in rechtswidriger Weise dem Beweisantrag des Beschwerdeführers nicht nachgekommen ist, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Der angefochtene Bescheid war sohin aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf Ersatz von Verhandlungsaufwand abzielende Mehrbegehren war abzuweisen, weil eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht stattgefunden hat.

Wien, am