VwGH vom 22.01.2013, 2012/18/0200
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie die Hofräte Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des KS in W, vertreten durch Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/106772/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen georgischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am habe er einen Asylantrag gestellt, der am rechtskräftig im Instanzenzug abgewiesen worden sei. Der Verfassungsgerichtshof habe die Behandlung einer dagegen gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.
Im November 2002 habe der Beschwerdeführer seine Ehefrau und sein Kind nach Österreich nachkommen lassen. Diese seien ebenfalls unrechtmäßig in das Bundesgebiet gelangt. Es sei dem Beschwerdeführer klar gewesen, dass er in Österreich ein Familienleben auf Dauer nicht führen könne.
Die Ehefrau und die Tochter des Beschwerdeführers, die ebenso wie er unrechtmäßig in Österreich aufhältig seien, seien - nach Abschluss ihrer Asylverfahren - im Juli 2009 ebenfalls im Instanzenzug ausgewiesen worden. Weiters sei festzuhalten, dass am in Wien die zweite Tochter des Beschwerdeführers geboren worden sei.
Im Zuge des gegenständlichen Verfahrens sei eine "recht gute" Integration der ganzen Familie glaubhaft gemacht worden. Auch die Deutschkenntnisse dürften sich den vorgelegten Nachweisen zufolge auf "recht hohem" Niveau bewegen. Etliche Personen - darunter auch der Pfarrer - in B, wo der Beschwerdeführer mit seiner Familie wohne, setzten sich für den Verbleib der Familie in Österreich ein.
In ihrer rechtlichen Beurteilung gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Blickwinkel des § 66 FPG zulässig sei. Dabei rückte sie in den Vordergrund, dass die familiären Bindungen in Österreich stark zu relativieren seien, weil abgesehen von der jüngsten Tochter alle hier lebenden Familienmitglieder ausgewiesen worden seien. Es könne somit auf legalem Weg im Bundesgebiet kein Familienleben stattfinden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () nach den Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.
Die belangte Behörde hat das Schwergewicht ihrer Überlegungen zur Rechtmäßigkeit der Ausweisung unter dem Blickwinkel des § 66 FPG darauf gelegt, dass nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch die übrigen Familienmitglieder - abgesehen von einer Tochter - ausgewiesen worden seien und daher nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings mit Erkenntnis vom , Zlen. 2011/23/0435 und 0436, die gegen die Ehefrau und das im Jahr 1999 geborene Kind des Beschwerdeführers erlassenen Ausweisungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Infolge der mit dieser Aufhebung verbundenen ex tunc-Wirkung ist daher jener sachverhaltsbezogenen Grundlage, von der die belangte Behörde im vorliegenden Fall tragend ausging, der Boden entzogen. Es kann daher der hier angefochtene Bescheid schon deshalb keinen Bestand haben. Allerdings hat die belangte Behörde zudem dem Umstand, dass gegen das in Österreich im Jahr 2003 geborene Kind keine fremdenpolizeilichen Maßnahmen ergriffen wurden, in rechtswidriger Weise überhaupt keine Beachtung geschenkt. Der angefochtene Bescheid enthält keine Ausführungen dazu, ob und aus welchen Gründen (allenfalls) davon auszugehen wäre, dass dieses Kind jedenfalls - also auch ohne dass gegen dieses eine Ausweisung erlassen werden müsste - die Eltern im Fall deren Ausreise begleiten würde. Ebenso wenig kann dem angefochtenen Bescheid entnommen werden, dass und auf welche Weise die Versorgung dieses Kindes, für den Fall, dass es die Eltern nicht begleiten würde, in adäquater Form sichergestellt wäre.
Der angefochtene Bescheid war sohin wegen - vorrangig wahrzunehmender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das sonstige Beschwerdevorbringen hätte eingegangen werden müssen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
RAAAE-76567