VwGH 13.12.2010, 2010/10/0213
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | AVG §56; AVG §68 Abs1; NatSchV Altausseer See 1991 §2 lita; NatSchV Altausseer See 1991 §3 Abs2; VwRallg; |
RS 1 | Das Verfahren betreffend die Bewilligung von Ausnahmen vom Verbot des § 2 lit. a der Verordnung der Stmk. Landesregierung über die Erklärung des Altausseer Sees zum Naturschutzgebiet ist ein ausschließlich projekt- und standortbezogenes Verfahren. Auf persönliche Eigenschaften des Antragstellers kommt es nicht an. Ein über einen solchen Antrag ergehender Abspruch entfaltet daher nicht nur Wirkungen gegenüber dem Antragsteller, sondern gegenüber jedem, der entsprechende Rechte an der "betroffenen Sache" hat, somit auch gegenüber seinem Rechtsnachfolger (sog. "dingliche Bescheidwirkung"; vgl. E , 96/10/0255). Unter der Voraussetzung einer neuerlichen Geltendmachung der in einer schon früher ergangenen Entscheidung verneinten Ausnahmevoraussetzungen ist von der dinglichen Gebundenheit der Versagung der Ausnahmebewilligung auszugehen (vgl. E , 93/10/0054). Der seinerzeitigen Abweisung der Ausnahmebewilligung lag die Auffassung zu Grunde, dass es sich bei der Wiedererrichtung einer Bootshütte auf dem Standort einer früher bestandenen Bootshütte nicht um die Erneuerung eines bestehenden Bauwerks iSd § 3 Abs. 2 der NatSchV Altauseer See 1991 handelt. Ob diese Auffassung rechtmäßig war, ist bei der Beurteilung, ob iSd § 68 Abs. 1 AVG eine bereits entschiedene Sache vorliegt, nicht entscheidend. Wesentlich ist vielmehr, ob sich die nach dem früheren Bescheid maßgeblich gewesene Sachlage bzw. die diesen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften zwischenzeitig so geändert haben, dass die Erlassung eines neuen Bescheides in Betracht kommt (vgl. E , 2006/10/0067). Dies ist nicht der Fall. Die Zurückweisung erfolgte daher zu Recht. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des H H in A, vertreten durch Dr. Karl Wilfinger, Rechtsanwalt in 8990 Bad Aussee, Bahnhofstraße 122, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13C-54A- 147/1992-4, betreffend Zurückweisung eines Antrages nach dem Stmk. Naturschutzgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung vom Verbot des Errichtens von Bauten im Naturschutzgebiet Nr. III "Altausseer See" für die Wiedererrichtung einer Bootshütte auf dem Grundstück Nr. 1719, KG Altaussee, wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Bewilligungsantrag des Beschwerdeführers solle eine in den 1970er Jahren durch ein Elementarereignis zerstörte und nicht wieder aufgebaute Bootshütte in einem etwas kleineren Ausmaß wieder errichtet werden; der frühere Bestand sei aus den Resten der Piloten der alten Bootshütte ersichtlich. Mit Bescheid vom sei jedoch bereits dem Vater des Beschwerdeführers die naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung für die Wiedererrichtung der nicht mehr vorhandenen Bootshütte auf dem gleichen Standort rechtskräftig versagt worden. Die maßgebliche Sach- und Rechtslage sei unverändert. Beim nunmehrigen Vorhaben handle es sich daher um eine bereits entschiedene Sache. Durch die Novelle der Naturschutzgebietsverordnung "Altausseer See", LGBl. Nr. 71/2002, sei zwar der Ausnahmetatbestand gemäß § 3 Abs. 2 dahin erweitert worden, dass auch "die Errichtung von untergeordneten Bauten auf Grundstücken mit Wohnhäusern der Fischerer-Felder, wenn der Eingriff dem Zweck des Schutzes nicht widerspricht", zugelassen werden könne. Die beantragte Bootshütte solle aber nicht auf einem solchen Grundstück errichtet werden.
Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom , B 873/10, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, der hierüber erwogen hat:
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Fällen - die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass - entsprechend den Annahmen im angefochtenen Bescheid - bereits seinem Vater die Erteilung der naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung für die Wiedererrichtung einer bis in die 1970er Jahre bestehenden Bootshütte im Naturschutzgebiet "Altausseer See" rechtskräftig verweigert wurde. Er ist vielmehr der Auffassung, dass diese Entscheidung kein Hindernis für eine Entscheidung über seinen nunmehrigen Antrag darstellen könne, weil jetzt "eine andere Person" die Ausnahmebewilligung beantragt und das nunmehrige Projekt eine kleinere als die ehemals vorhandene Hütte zum Gegenstand habe. Es handle sich um eine zulässige "Erneuerung" im Sinne der Naturschutzgebietsverordnung, weil die Piloten der seinerzeitigen Bootshütte der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers noch vorhanden seien. Schließlich sehe die Naturschutzgebietsverordnung auch Ausnahmen vom Verbot der Errichtung von Anlagen für öffentliche Zwecke vor. Da die beantragte Bootshütte dem Gewerbe der Bootsvermietung dienen solle, gehe es nunmehr um ein Vorhaben, das öffentlichen Zwecken diene. Überdies habe sich seit dem Jahre 1992 die Rechtslage geändert: Durch die Novellierung der Naturschutzgebietesverordnung "Altausseer See" im Jahre 2002 könnten auf Grundstücken mit Wohnhäusern der Fischerer-Felder untergeordnete Bauten zugelassen werden.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:
Nach § 2 der Verordnung der Stmk. Landesregierung über die Erklärung des Altausseer Sees zum Naturschutzgebiet, LGBl. Nr. 38/1991 idF LGBl. Nr. 71/2002, sind im Naturschutzgebiet "das Errichten und die wesentliche Veränderung von Bauten" (lit. a) sowie "das Errichten oder Aufstellen sonstiger Anlagen aller Art" (lit. b) verboten. Ausnahmen vom Verbot nach § 2 lit. a sind gemäß § 3 Abs. 2 der zitierten Verordnung "nicht zulässig, ausgenommen die Erneuerung bestehender Bauwerke in ihrem bisherigen Umfang oder die Errichtung von untergeordneten Bauten auf Grundstücken mit Wohnhäusern der Fischerer-Felder, wenn der Eingriff dem Zweck des Schutzes nicht widerspricht". Ausnahmen vom Verbot nach § 2 lit. b sind gemäß § 3 Abs. 3 der Verordnung "nicht zulässig, ausgenommen für Anlagen im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen oder für öffentliche Zwecke".
Das Verfahren betreffend die Bewilligung von Ausnahmen vom Verbot des § 2 lit. a der zitierten Verordnung ist ein ausschließlich projekt- und standortbezogenes Verfahren. Auf persönliche Eigenschaften des Antragstellers kommt es nicht an. Ein über einen solchen Antrag ergehender Abspruch entfaltet daher nicht nur Wirkungen gegenüber dem Antragsteller, sondern gegenüber jedem, der entsprechende Rechte an der "betroffenen Sache" hat, somit auch gegenüber seinem Rechtsnachfolger (sog. "dingliche Bescheidwirkung"; vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/10/0255, und die dort zitierte Judikatur). Unter der Voraussetzung der neuerlichen Geltendmachung der in der seinerzeitigen Entscheidung verneinten Ausnahmevoraussetzungen ist von der dinglichen Gebundenheit der Versagung der Ausnahmebewilligung auszugehen (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/10/0054, und die dort zit. Vorjudikatur).
Der dem Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers die Ausnahmebewilligung zur Wiedererrichtung der früher bestandenen Bootshütte versagende Bescheid vom entfaltet daher auch gegenüber dem Beschwerdeführer Wirkungen und zwar insoweit, als eine Änderung dieser Entscheidung bei unveränderter Sach- und Rechtslage unzulässig ist.
Nach den unbestrittenen Annahmen im angefochtenen Bescheid lag der seinerzeitigen Abweisung der beantragten Ausnahmebewilligung die Auffassung zu Grunde, dass es sich bei der Wiedererrichtung einer Bootshütte auf dem Standort einer früher bestandenen Bootshütte nicht um die Erneuerung eines bestehenden Bauwerks iSd § 3 Abs. 2 der zitierten Naturschutzgebietsverordnung handle. Ob diese Auffassung rechtmäßig war, ist bei der Beurteilung, ob iSd § 68 Abs. 1 AVG eine bereits entschiedene Sache vorliegt, nicht entscheidend. Wesentlich ist vielmehr, ob sich die nach dem früheren Bescheid maßgeblich gewesene Sachlage bzw. die diesen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften zwischenzeitig so geändert haben, dass die Erlassung eines neuen Bescheides in Betracht kommt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/10/0067). Dies ist selbst nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht der Fall:
Auch ein kleineres Projekt als die früher bestandene Bootshütte ändert nichts am Fehlen der Ausnahmevoraussetzung des "bestehenden Bauwerks". Mit diesem Vorbringen wird daher keine Änderung des Sachverhalts aufgezeigt, die eine andere Entscheidung ermöglichte. Gleiches gilt für den Hinweis, dass die vom Beschwerdeführer beantragte Bootshütte nunmehr einem öffentlichen Zweck, nämlich dem Betrieb einer Bootsvermietung dienen solle. Selbst wenn eine Widmung für öffentliche Zwecke vorläge, wäre dies für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zur Errichtung von Bauwerken, wie sie die in Rede stehende Bootshütte darstellt, ohne Bedeutung. Es stellt nämlich - wie oben dargestellt - lediglich die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 3 der Naturschutzgebietsverordnung auf eine solche Zweckwidmung ab, diese bezieht sich aber - wie die Bezugnahme auf § 2 lit. b der Verordnung zeigt - auf die Errichtung oder das Aufstellen von "sonstigen Anlagen" und erfasst Bauten gemäß § 2 lit. a ausdrücklich nicht. Was aber den Hinweis auf die Änderung des § 3 Abs. 2 der Naturschutzgebietsverordnung "Altausseer See" durch die Novelle LGBl. Nr. 71/2002, anlangt, betraf diese Änderung ausschließlich die Errichtung von Bauten auf Grundstücken im Bereich der "Fischerer-Felder". Die beantragte Bootshütte liegt aber unbestrittenermaßen nicht auf einem solchen Grundstück.
Schließlich ist der Rüge des Beschwerdeführers, er sei im Recht auf Parteiengehör verletzt worden, zu entgegnen, dass er nicht zugleich auch konkret aufgezeigt hat, an der Erstattung welchen zu einem im Ergebnis anders lautenden Bescheid führenden Vorbringens er durch diesen behaupteten Verfahrensmangel gehindert worden wäre. Er hat es daher unterlassen, die Wesentlichkeit eines in der behaupteten Verletzung des Parteiengehörs liegenden Verfahrensmangels iSd § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuzeigen.
Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
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Normen | AVG §56; AVG §68 Abs1; NatSchV Altausseer See 1991 §2 lita; NatSchV Altausseer See 1991 §3 Abs2; VwRallg; |
Schlagworte | Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Zurückweisung wegen entschiedener Sache Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Person des Bescheidadressaten dingliche Wirkung Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2010:2010100213.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAE-76561