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VwGH vom 27.03.2012, 2010/10/0212

VwGH vom 27.03.2012, 2010/10/0212

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Landes Vorarlberg, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Bregenz in 6900 Bregenz, Bahnhofstraße 41, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 11 - 185/2010, betreffend Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom wurde der Antrag des Landes Vorarlberg auf Ersatz der für SR. sowie für die mj. M, G, J, V und GR. in der Zeit vom bis in der Höhe von insgesamt EUR 142.115,14 für Maßnahmen der Jugendwohlfahrt aufgewendeten Kosten gemäß Art. 7 der Vereinbarung über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 9/1974, abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Familie R. habe sich in der Zeit vom bis in Wien aufgehalten. Seit sei die Familie in Vorarlberg aufhältig. Vom bis seien erste Jugendwohlfahrtsmaßnahmen durchgeführt worden, und zwar ein ambulanter Familiendienst zur Abklärung der Situation. Vom bis seien keine Jugendwohlfahrtsmaßnahmen mehr gesetzt worden.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 der erwähnten Ländervereinbarung sei jener Träger zum Kostenersatz verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfe Suchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate aufgehalten habe. Für die Tragung der Kosten der Jugendwohlfahrtsmaßnahmen, die der Familie R. vom bis geleistet worden seien, sei daher Wien zuständig; diese Kosten seien auch ersetzt worden.

Gemäß Art. 4 der Ländervereinbarung ende die Verpflichtung zum Kostenersatz jedoch, wenn mindestens drei Monate keine Hilfeleistung erbracht worden sei. Da - wie ausgeführt - vom bis keine Jugendwohlfahrtsmaßnahmen mehr gesetzt worden seien, sei durch mehr als drei Monate keine Hilfeleistung iSd Ländervereinbarung erbracht worden. Die Kostenersatzpflicht Wiens habe daher im März 2005 geendet; für die Tragung der Kosten von Jugendwohlfahrtsmaßnahmen ab dem sei das Land Vorarlberg zuständig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid zwar auf die Bestimmungen der Vereinbarung über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 9/1974 idF LGBl. Nr. 30/1978, gestützt. Diese Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG (Ländervereinbarung) bindet allerdings nur die vertragschließenden Länder selbst. Darüber hinausgehende Rechtswirkungen (Berechtigungen bzw. Verpflichtungen von Sozialhilfeträgern) bedürfen daher der Transformation in die Landesrechtsordnung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/10/0051), wie dies für Wien durch die Bestimmungen des § 44 Wiener Sozialhilfegesetz erfolgt ist. Im vorliegenden Beschwerdefall sind daher diese Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973 idF LGBl. Nr. 3/2009, (WSHG) maßgeblich; diese lauten auszugsweise wie folgt:

"Kostenersatz an andere Länder

§ 44. (1) Das Land Wien hat den Trägern der Sozialhilfe anderer Länder die für Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.

(2) Zu den Kosten der Sozialhilfe gehören die Kosten, die einem Träger für einen Hilfesuchenden

a) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Sozialhilfe oder

b) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Jugendwohlfahrtspflege und nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl. Nr. 152/1945, in der Fassung BGBl. Nr. 54/1945, erwachsen.

(3) Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, ist das Land Wien zum Kostenersatz verpflichtet, wenn sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens fünf Monate lang in Wien aufgehalten hat und wenn das Land Wien nach den Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zu Grunde liegen, zu tragen hat.

...

4) Die Verpflichtung zum Kostenersatz dauert, solange der Hilfesuchende Anspruch auf Hilfe hat oder Hilfe empfängt, ohne Rücksicht auf einen nach dem Einsatz der Hilfe erfolgten Aufenthaltswechsel. Die Verpflichtung zum Kostenersatz endet, wenn mindestens drei Monate keine Hilfeleistung erbracht wurde.

...

7) Über die Verpflichtung des Landes Wien zum Kostenersatz hat im Streitfalle die Landesregierung im Verwaltungsweg zu entscheiden."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, es bestehe keine Verpflichtung des Landes Wien, die Kosten der Maßnahmen der Jugendwohlfahrt, die die beschwerdeführende Partei für die Familie R. ab aufgewendet habe, zu ersetzen, weil nach ersten Maßnahmen der Jugendwohlfahrt für diese Familie zwischen dem und dem keine Jugendwohlfahrtsmaßnahmen mehr erbracht worden seien. Weil für die Familie R. somit durch mindestens drei Monate keine Hilfeleistung mehr erbracht worden sei, habe die Kostentragungspflicht des Landes Wien geendet.

Die beschwerdeführende Partei wendet dagegen im Wesentlichen ein, es sei unzutreffend, dass drei Monate keine Hilfeleistung erbracht worden sei. Vielmehr sei der Familie R. unmittelbar nach ihrem Umzug nach Vorarlberg Sozialhilfe (Sicherstellung des Lebensunterhaltes, Mietkosten) gewährt worden. Vom Magistrat der Stadt Wien sei die Erstattungspflicht für die angefallenen Kosten ab auch anerkannt worden. Seit 2004 habe es keine Unterbrechung des Leistungsbezuges der Sozialhilfe gegeben und es seien der beschwerdeführenden Partei vom Land Wien auch laufend die Kosten der der Familie R. nach dem Sozialhilfegesetz gewährten Leistungen ersetzt worden. Der angefochtene Bescheid unterscheide nunmehr zwischen Hilfen, die im Rahmen der Vollziehung des Sozialhilfegesetzes und solchen, die im Rahmen der Vollziehung des Jugendwohlfahrtsgesetzes entstanden seien. Dies sei jedoch unzulässig. Im Übrigen seien die für Jugendwohlfahrtsmaßnahmen vom bis entstandenen Kosten - im Gegensatz zur Darstellung im angefochtenen Bescheid - nicht ersetzt worden. Bisher seien lediglich Kosten ersetzt worden, die aus der Vollziehung des Sozialhilfegesetzes entstanden seien.

Die Beschwerde ist berechtigt:

Gemäß § 44 Abs. 4 WSHG dauert die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten, die einem Träger der Sozialhilfe für einen Hilfebedürftigen erwachsen, so lange an, als der Hilfe Suchende Anspruch auf Hilfe hat oder Hilfe empfängt. Sie endet, wenn mindestens drei Monate "keine Hilfeleistung" erbracht wurde.

"Hilfe" bzw. "Hilfeleistung" in diesem Sinne bezieht sich auf sämtliche Leistungen der Sozialhilfe, deren Kosten gemäß § 44 Abs. 1 WSHG zu ersetzen sind, somit auf Leistungen, die nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Sozialhilfe oder nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Jugendwohlfahrtspflege bzw. nach dem Geschlechtskrankheitengesetz erbracht wurden (vgl. § 44 Abs. 2 WSHG). So lange nach einer dieser Vorschriften eine Maßnahme erbracht wird, dauert daher die Hilfeleistung iSd § 44 Abs. 4 WSHG an. Ob Hilfe in Vollziehung des Sozialhilfegesetzes und/oder in Vollziehung eines Jugendwohlfahrtsgesetzes geleistet wird, ist nach dem Gesetz nicht entscheidend. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob im relevanten Zeitraum ihrer Art nach unterschiedliche Hilfen gewährt wurden, also z.B. zunächst nach dem Sozialhilfegesetz und dann nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz.

Indem die belangte Behörde demgegenüber "Hilfeleistung" iSd § 44 WSHG mit Maßnahmen in Vollziehung des Jugendwohlfahrtsgesetzes gleichgesetzt und angenommen hat, es sei, weil zwischen und keine Maßnahme der Jugendwohlfahrt gesetzt worden sei, der Familie R. durch mindestens drei Monate keine Hilfe iSd. § 44 Abs. 4 WSHG mehr geleistet worden, ohne jedoch Feststellungen betreffend in diesem Zeitraum erbrachte Maßnahmen in Vollziehung der Sozialhilfevorschriften zu treffen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-76556