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VwGH vom 01.07.2010, 2008/09/0098

VwGH vom 01.07.2010, 2008/09/0098

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie Senatspräsidentin Dr. Händschke, und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des WF in O, vertreten durch Dr. Reinhard Ratschiller, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 22/2, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 0/912-5102/8-2006, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2003/09/0143, wurde der im Instanzenzug ergangene Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , mit welchem die vom Beschwerdeführer angezeigte Verwendung von Räumlichkeiten für Zwecke der Prostitution gemäß § 3 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes untersagt worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren erging sodann der angefochtene Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , mit welchem die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen wurde. In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass seit Erlassung des mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom aufgehobenen Bescheides der Salzburger Landesregierung vom infolge des Inkrafttretens der Novelle LGBl. Nr. 108/2003 zum Salzburger Landes-Polizeistrafgesetz am nicht mehr die Möglichkeit bestehe, die Ausübung der Prostitution bei der zuständigen Behörde anzuzeigen, die unter bestimmten Umständen die künftige Verwendung der betreffenden Räumlichkeiten für diesen Zweck untersagen könne. Vielmehr sei die Ausübung von Prostitution nur mehr in Bordellen zulässig, die über eine Bewilligung verfügten, und die Bordellbewilligung sei bei der zuständigen Gemeinde zu beantragen.

Die Delegierungsverordnung der Salzburger Landesregierung, mit welcher die Besorgung der "Sittlichkeitspolizei" an die Bundespolizeidirektion Salzburg übertragen worden war, sei mit Wirkung vom aufgehoben worden (LGBl. Nr. 64/2003). Der Bundespolizeidirektion Salzburg komme daher seit diesem Zeitpunkt in Bereichen der "Sittlichkeitspolizei" keine behördliche Zuständigkeit mehr zu. Durch diese Änderung der Rechtslage sei die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung eines Berufungsbescheides weggefallen. Diese Änderung der Rechtslage sei auch im fortgesetzten Verfahren nach einem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet des § 63 Abs. 1 VwGG vorbehaltlich anders lautender Übergangsbestimmungen zu berücksichtigen.

Durch die Aufhebung der Delegierung mit der Verordnung LGBl. Nr. 64/2003 bestehe keine Zuständigkeit der belangten Behörde mehr, weshalb die Berufung zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem mit Beschluss vom , B 211/07, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird, und über die der Verwaltungsgerichtshof wie folgt erwogen hat:

Gemäß § 3 Abs. 3 und 4 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 58/1975 i.d.F. LGBl. Nr. 56/2003 (vor der Novelle LGBl. Nr. 108/2003), hatte eine Person, die beabsichtigte, eine Wohnung oder sonstige Räumlichkeiten für Zwecke der erwerbsmäßigen Prostitution zu nutzen oder zur Verfügung zu stellen, dies der Gemeinde anzuzeigen, und war die künftige oder weitere solche Verwendung zu untersagen, wenn zu befürchten war, dass dies im Hinblick auf die Umgebung oder auf den Charakter der Gemeinde zu Missständen (insbesondere sicherheits- oder sicherheitspolizeilicher oder hygienischer Art) führe, die das örtliche Gemeinschaftsleben in der Gemeinde oder in der Nachbarschaft störten.

Diese Bestimmungen wurden mit der Novelle LGBl. Nr. 108/2003 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes aufgehoben und es wurde in einem neuen § 1a Abs. 1 Z. 1 dieses Gesetzes die Ausübung der Prostitution außerhalb behördlich bewilligter Bordelle verboten und mit § 1a ff leg. cit. für Bordelle eine Bewilligungspflicht eingeführt. Diese Regelungen traten mit dem auf die Kundmachung des Gesetzes LGBl. Nr. 108/2003 folgenden Tag, also mit dem , in Kraft (vgl. § 8 Abs. 1 des angeführten Gesetzes).

§ 8 Abs. 2 und 3 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes in der Fassung LGBl. Nr. 108/2003 lauten:

"(2) Bordelle, die bis gemäß § 3 Abs 3 in der bisher geltenden Fassung der Behörde angezeigt und bis zu dem im Abs 1 bestimmten Zeitpunkt von dieser nicht untersagt worden sind oder eine bescheidmäßige Ausnahmebewilligung gemäß § 3 Abs 4 in der bisher geltenden Fassung erhalten haben, gelten als bewilligt im Sinn des 1. Abschnittes dieses Gesetzes. Für diese sind die Angaben gemäß § 1b Abs 1 Z 1, 3, 7 und 8 innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab dem im Abs 1 bestimmten Zeitpunkt der Behörde bekannt zu geben. Die Anordnungen gemäß § 1c Abs 2 Z 1 bis 3 gelten in diesen Fällen unmittelbar.

(3) Betreiber von Bordellen, die nicht unter Abs 2 fallen, aber bis zu in dem im Abs 1 bestimmten Zeitpunkt der Behörde angezeigt und von dieser nicht untersagt worden sind, haben die erforderliche Bewilligung innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab dem im Abs 1 bestimmten Zeitpunkt zu beantragen. Im Fall einer rechtzeitigen zulässigen Antragstellung (§ 1b) können solche Bordelle bis zur rechtskräftigen Entscheidung auch ohne Bewilligung betrieben werden, es sei denn, für den Standort des Bordells gilt ein gemäß § 3 Abs 5 in der bisher geltenden Fassung oder § 2 in der neuen Fassung erlassenes Verbot. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung kann der Betrieb des Bordells in Anwendung des § 3 Abs 5 in der bisher geltenden Fassung untersagt werden."

Mit der angeführten Novelle LGBl. Nr. 108/2003 wurde dem § 7 ein Abs. 4 angefügt, wonach die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Bundesgendarmerie und der Bundespolizeidirektion Salzburg "der gemäß § 6 Abs. 1 zuständigen Behörde über deren Ersuchen bei der Durchsetzung der Zutritts- und Auskunftsbefugnis gemäß § 1h Abs. 1 und bei der Schließung eines Bordells gemäß § 1g Abs. 2 und 3 im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches Hilfe zu leisten" haben.

Die nach dem Salzburger Landes-Polizeistrafgesetz von der Gemeinde zu besorgenden Angelegenheiten sind gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde. Demzufolge ist gemäß § 41 Abs. 2 des Salzburger Stadtrechts der Bürgermeister Behörde erster Instanz und gemäß § 50a die allgemeine Berufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg Berufungsbehörde (LGBl. Nr. 47/1966, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 120/2006).

Durch die Verordnung der Salzburger Landesregierung vom , mit der die Besorgung bestimmter Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Stadtgemeinde Salzburg auf die Bundespolizeidirektion Salzburg übertragen wird, LGBl. Nr. 106/1965, war die Besorgung der Angelegenheiten der Sittlichkeitspolizei auf die Bundespolizeidirektion Salzburg übertragen worden (§ 1 Abs. 1 Z. 3 leg. cit.). Diese Verordnung wurde allerdings mit Verordnung der Salzburger Landesregierung vom wie folgt aufgehoben:

"64. Verordnung der Salzburger Landesregierung vom zur Aufhebung der Verordnung, mit der die Besorgung bestimmter Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Stadtgemeinde Salzburg auf die Bundespolizeidirektion Salzburg übertragen wird

Auf Grund des § 37 Abs 2 des Salzburger Stadtrechtes 1966, LGBl Nr 47, in der geltenden Fassung wird verordnet:

Die Verordnung der Salzburger Landesregierung vom , LGBl Nr 106, mit der die Besorgung bestimmter Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Stadtgemeinde Salzburg auf die Bundespolizeidirektion Salzburg übertragen wird, in der Fassung der Verordnungen LGBl Nr 6/1970 und 85/1972 wird aufgehoben. Die Aufhebung tritt gleichzeitig mit einem Gesetz, mit dem das Landes-Polizeistrafgesetz dahin ergänzt wird, dass die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Bundesgendarmerie und der Bundespolizeidirektion Salzburg der gemäß § 6 Abs 1 zuständigen Behörde über deren Ersuchen bei der Durchsetzung der Zutritts- und Auskunftsbefugnis gemäß § 1h Abs 1 und bei der Schließung eines Bordells gemäß § 1g Abs 2 und 3 im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches Hilfe zu leisten haben, in Kraft."

Angesichts der dargestellten Rechtsvorschriften ist die Auffassung der belangten Behörde grundsätzlich nicht als unzutreffend zu erachten, dass ihre Zuständigkeit zur Entscheidung in der vorliegenden Verwaltungsangelegenheit durch die in LGBl. Nr. 64/2003 kundgemachte Verordnung der Salzburger Landesregierung weggefallen ist. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die ausreichende Bestimmtheit und verwendete Verweisungstechnik in der Verordnung der Salzburger Landesregierung vom sind letztlich zu verneinen (vgl. VfSlg. 11.632/1988).

Durch die angeführte Verordnung wurde aber nicht etwa nur der Instanzenzug an die belangte Behörde beseitigt, es wurde durch die Aufhebung der Delegierungsverordnung auch die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz, der Bundespolizeidirektion Salzburg, beseitigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 98/06/0166, unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung in einem ähnlichen Fall dargelegt, es treffe zwar zu, dass auch Zuständigkeitsvorschriften stets in der Fassung anzuwenden sind, wie sie zum Zeitpunkt der Entscheidung einer Behörde, auch einer Berufungsbehörde, gelten. Damit sei jedoch noch nicht gesagt, dass sich auch Änderungen der Zuständigkeit der Behörde erster Instanz, wodurch sich auch die Zuständigkeit der Berufungsbehörde in der Angelegenheit ändert, derart auswirkten, dass über Berufungen gegen Entscheidungen der vor der Gesetzesänderung zuständigen Behörde erster Instanz die nach der neuen Regelung zuständige Berufungsbehörde zu entscheiden hätte. Dies führe nämlich auch dazu, dass über Entscheidungen von Behörden eines Wirkungsbereiches nach Änderung der Rechtslage jene Behörde zu entscheiden hätte, die nicht im selben Vollzugsbereich wie die Behörde erster Instanz zu entscheiden hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 95/18/0120, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 82/11/0358, ausgesprochen habe, sei mit der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides die Zuständigkeit der Berufungsbehörde fixiert. Wenngleich sohin zur Änderung der Rechtslage hinsichtlich des Instanzenzuges grundsätzlich davon auszugehen sei, dass der Gesetzgeber den Instanzenzug auch für bereits anhängige Verfahren ändern könne und im Falle der Änderung der Rechtslage ohne ausdrückliche Übergangsbestimmungen auch eine Änderung des Instanzenzuges von der Berufungsbehörde zu beachten wäre, sei dann, wenn sich nicht nur der Instanzenzug bei gleichbleibender Zuständigkeit der Behörde erster Instanz, sondern der Vollzugsbereich, in dem die Angelegenheit zu vollziehen sei, geändert habe, davon auszugehen, dass mit der Entscheidung der Behörde erster Instanz nach der alten Rechtslage die Zuständigkeit der Berufungsbehörde fixiert wurde. Diese Berufungsbehörde habe, nachdem sich die Rechtslage hinsichtlich des Vollzugsbereiches geändert hat, den bei ihr bekämpften Bescheid ersatzlos aufzuheben. Dies entspreche auch dem Grundsatz, dass dann, wenn in erster Instanz eine unzuständige Behörde entschieden habe, sich der Instanzenzug danach richte, welche Behörde entschieden habe und nicht danach, welche Behörde hätte entscheiden sollen. Für die Beurteilung des Instanzenzuges sei nach ständiger Rechtsprechung nicht entscheidend, in welchem Behördenbereich der unterinstanzliche Bescheid gesetzmäßigerweise hätte erlassen werden sollen, sondern in welchem Behördenbereich er tatsächlich erlassen worden sei (Hinweise auf die von Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, 2. Auflage 1998, in E 43 zu § 63 AVG dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Ein Grund, im vorliegenden Fall von der dargelegten Betrachtungsweise abzuweichen, ist nicht zu ersehen. Aus den dargestellten Erwägungen hätte auch die belangte Behörde den Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG wegen deren Unzuständigkeit ersatzlos beheben müssen.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
EAAAE-76554